Rechtsanspruch auf Straßengrundstück, Gewohnheitsrecht, Wegerecht?
Uns - einer Anliegergemeinschaft bestehend aus ca. 75 ETW-Eigentümern, verteilt auf mehrere Mehrfamilienhausgruppen - wurde kürzlich von einer Firma, die sich u.a. mit dem An- und Verkauf von titulierten und nicht titulierten Forderungen befasst, eine Aufforderung zum Kauf eines Grundstücks zugestellt. Falls wir der Aufforderung nicht bis zum 18.12.2020 nachkommen, droht die Firma mit einer Klage vor Gericht.
Die Mehrfamilienhausgruppen liegen an einer kurzen (ca. 100m) Straße (die die Firma zum Kauf anbietet), einer Sackgasse, die von den Wohnungseigentümern, deren Besucher, der Müllabfuhr, Postzustellern sowie Lieferfahrzeugen benutzt wird, um zu Tiefgaragen, Parkplätzen und Hauseingängen zu gelangen. Die Häuser wurden um das Jahr 1990 erbaut.
Für alle Eigentümer bestehen Grundbucheinträge, die sich jeweils auf die Eigentumsanteile der Häuser, der Garagenstellplätze sowie der Grundstücke beziehen. Die Zufahrtsstraße ist im Grundbuch nicht explizit erwähnt, da sowohl Straßenbaufirmen, Baufirmen, Erschließungsfirmen (Strom, Wasser, Abwasser) als auch Makler und Eigentümer vermutlich davon ausgingen, dass es sich bei der Zufahrtsstraße um eine öffentliche Starße handelt (die als Seitenstraße von einer Durchgangsstraße abgeht und zu den Wohnhäusern führt).
Nun hat die Firma, die die Forderungen stellt, im letzten Jahr (2019) einen Eintrag im Grundbuch vornehmen lassen, der sie als scheinbar rechtmäßige Eigentümerin des Straßengrundstücks ausweist (auf Grund welcher Beweisunterlagen ist z.Zt. noch unklar, es ist aber wohl anzunehmen, dass sie eine Kaufurkunde des Straßengrundstücks vorlegen konnte - was selbstverständlich noch geprüft wird). Dieser Grundbucheintrag von 2019 wurde den Eigentümern nicht mitgeteilt, bzw. erst jetzt im Rahmen der Aufforderung zur Zahlung.
Die Firma hat eine Rechnung vorgelegt, nach der jeder Eigentümer einen nach seinem Anteil des von der Firma angenommenen Gesamtwertes des Straßengrundstücks (ca. 250.000 €) berechneten Betrag zahlen muss.
Es gab weder vom vormaligen Eigentümer (zur Zeit als Straße und Wohnhäuser errichtet wurden - ca. 1990) noch von späteren Eigentümern eine Inkenntnissetzung der Käufer der Wohnungen als auch der Stadt Bad Urach darüber, dass der Anteil des Gesamtgrundstücks, der nach Fertigstellung der Anlage die Zufahrtsstraße ausmachte, sich weiterhin in Privatbesitz befindet. Alle Käufer gingen davon aus, das es sich um eine öffentliche Straße und nicht um eine Privatstraße handelt.
Unsere Fragen:
(1) Basiert die Forderung der Firma auf geltendem Recht?
(2) Inwieweit sind Gewohnheitsrecht und Wegerecht betroffen?
(3) Wie stehen die Chancen der Firma, ihren angeblichen Anspruch gerichtlich durchzusetzen?
(4) In welcher Größenordnung könnten sich Gerichts- und Anwaltskosten bewegen, falls die Eigentümergemeinschaft einen eventuellen Prozess verliert?
Die Eigentümergemeinschaft bedankt sich herzlich für Stellungnahmen zu dieser sehr ungewöhnlichen Situation
5 Antworten
Das ist aus der ferne alles schwer einzuschätzen. Sollte die Firma der Eigentümer sein, dürfte ihr eine gewisse Art der Kompensation wohl zu stehen.
Allerdings wäre es komisch ein grundstück über ein anderes privates Grundstück zu erschließen ohne dass die entsprechenden Rechte im Grundbuch stehen. Sowas dürfte gar nicht genehmigungsfähig sein.
Das einzige das aus meiner Sicht klar ist.. ihr habt es mit Profis zu tun. Geht zu einem guten Fachanwalt. Der kann euch vernünftig beraten. Auserdem wird die firma nicht an einem Prozess sondern an einem Deal interessiert sein. Falls euer Anwalt euch dazu rät, wird er vermutlich bessere Konditionen raus handeln als ihr selbst. Diese Profis sehen euch erstmal als reine Opfer, mit einem guten Anwalt seid ihr eher unangenehme Gegner.
Bei einem Streitwert von 250.000 und 75 beteiligten Anwohnern wird die Bezahlung des Anwalts aber schwierig, oder?
Von Profis auf der Gegenseite würde ich auch ausgehen.
Auswolf
Eine Firma erwirbt ein Grundstück, das bislang von 75 Anliegern im guten Glauben, es handele sich um eine öffentliche Straße, genutzt wurde.
Jetzt bietet diese Firma über einen Dritten den einzelnen Anliegern den Kauf zum Preise von insgesamt 250 000 € (pro Anlieger durchschnittlich 3.333,-- €) zeitlich befristet bis zum 18. 12.
Festzustellen ist:
Die Baugenehmigung war von der Sicherung eines Zuwegs und einer Zufahrt abhängig. Welche Regelung enthält die Baugenehmigung und die Kaufverträge über die einzelnen ETWn+?
Die Gemeinde hatte die Möglichkeit, von ihrem gesetzlichen Vorkaufsrecht nach dem BauGB aus dem not. Kaufvertrag mit der eingangs genannten Firma Gebrauch zu machen. Warum hat sie von dem VR keinen Gebrauch gemacht?
Notfalls greift die gesetzl. Regelung des Notwegs gem. § 917 BGB.
Die Prozesskosten-Risikotabelle zeigt die Kosten auf.
Hallo Franzl0503,
herzlichen Dank für die ausführliche Antwort! Wir sind dabei, diese und weitere Fragen zu klären.
LG Auswolf
Selbstverständlich muss das ein Anwalt eingeschaltet werden. Aber zuvor kann ja auch die Stadt/Gemeinde davon in Kenntnis gesetzt werden. Warum die nun die Strasse gebaut haben, ohne Eigentümer zu sein, wird sich klären lassen. Oder sind die 100m vom Bauträger gebaut worden?
Die Klage vor Gericht würde ich abwarten. Die werden sicherlich nicht jeden Eigentümer einzeln verklagen. Also mal abwarten was da kommt. Das einzige was passieren kann, das die Strasse geperrt wird. Aber da greift evt. ein Notwegerecht.
Feuerwehr wg. Brandschutz und Polizei würde man dann informieren.
Das sind wohl sog. Grundstücksjäger.
Hier ein neulich gelesener Artikel, den ich doch wieder gefunden habe.
Mit einem derartig anspruchsvollen Fall an ein Laienforum heranzutreten und eine rechtssichere Antwort erwarten zu wollen ist genau so absurd als wenn man sich von seinem Friseur eine Anleitung dazu erhofft wie man eine Gehirn-OP vorzunehmen hat.
Also auf zu einem auf derartige Fälle spezialisierten Rechtsanwalt!
Vielleicht anspruchsvoll, ja, trotzdem gibt's Anregungen. RA ist sowieso klar.