Eigentumswohnung ohne Rücklagen, was ist zu beachten?

4 Antworten

Eine Ergänzung zu meiner Antwort:

Instandhaltung und Instandsetzung fallen erst nach einer bestimmten Anzahl von Jahren an, und das nicht nur am Gemeinschaftseigentum, sondern auch innerhalb der Wohnung. So ist bei einem Gebäude, das bereits 40 Jahre steht, der Bedarf höher als bei einem, das erst 4 Jahre steht.

Anders ausgedrückt: desto älter das Gebäude, desto wahrscheinlicher die Kosten.

Es gibt im Internet mehrere Untersuchungen und statistische Darstellungen, die überwiegend sehr umfangreich und schwierig zu lesen sind (eben von Technikern geschrieben!). Hier aber eine relativ einfache und leicht zu verstehnede Übersicht:

https://www.hausinfo.ch/de/home/gebaeude/renovation-unterhalt/unterhaltsrhythmen-erneuerungsrhythmen.html

Damit kannst Du auch grob feststellen, was in den nächsten Jahren an Kosten auf Dich zukommen würde und das bei der Kaufentscheidung mit berücksichtigen.

Einzig vernünftiger Grund, eine Rücklage zu bilden ist, dass die Eigentümer es nicht stemmen, große Reparaturen anteilig zu zahlen, also die nötigen Sonderumlagen zu leisten. Je kleiner die Anlage und je homogener (und solventer) die Eigentümergemeinschaft, umso weniger wichtig wird die Rücklage.

Natürlich ist sie in der aktuellen Nullzinszeit auch totes Geld, das jedes Jahr um die Inflation an Wert verliert.

Du solltest dazu Bedenken, dass sich die Rücklage nicht immer erhöht. Sie wird (gegen null) verbraucht, wenn Maßnahmen gemacht werden und wird dann mühsam aufgebaut.

Es gibt auch Fälle, in denen die Rücklage so sehr ein Tropfen auf den heissen Stein ist, dass man sich wünscht, es gäbe keine und die Eigentümer wären (deshalb) auf so was vorbereitet. Sonderumlagen (auch hohe) gibt es also auch dann, wenn Rücklagen da sind oder auch dann, wenn sie ausreichend erscheinen.

Das sind nur einige Gründe, das Thema wenig dramatisch zu sehen.

Trotzdem ergeben sich einige Fragen, die das Ganze umkehren können.

Wie ist die Eigentümerstruktur? Gehört einem fast alles?

Hat das System in den letzten 27 Jahren funktioniert? Gibt es also Instandhaltungsrückstand? Gab es Probleme mit den Sonderumlagen?

Gibt es ordentliche Protokolle der Eigentümerversammlungen? Was steht an?

Wie liquide ist die WEG?

Entscheidend ist aber: passt du da rein? Wenn du nur glücklich bist, wenn der Dispo auf Maximum steht, eher nicht. Wenn du dagegen reichlich Rücklagen hast und alle anderen der WEG auch (vielleicht sind es ja nur zwei oder drei Parteien, denen das Haus gehört; sieht man auch an den Protokollen), ist eine Reglung ohne Rücklagen der WEG besser als mit.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Diese Konstellation birgt natürlich Gefahren. Wenn kurzfristig Renovierungen / Reparaturen durchgeführt werden müssen, muss jeder sofort seinen Anteil bezahlen. Können das alle Eigentümer ? Sollte einer seinen Anteil zunächst nicht zahlen, müssen die anderen Eigentümer dies vorstrecken.

Generell würde ich persönlich mich auf so etwas nicht einlassen.

Lass dir die letzten fünf Protokolle der Eigentümerversammlungen geben. vielleicht bekommst du dadurch ein Gefühl für die Eigentümergemeinschaft.

Du gehst hier in ein Risiko, denn die "eigene Instandhaltungsrücklage", welche der Verkäufer für sich selbst gebildet hat, gibt er ja nicht an Dich weiter.

Insofern hast Du recht, dass ein Verkaufspreis diesen Aspekt beinhalten sollte.Das gibt Dir aber auch die Möglichkeit, über den Preis zu verhandeln.

Um jetzt den Wert der bisher nicht realisierten Instandhaltungsrücklage zu kalkulieren kannst Du nach der sog. "Petersschen Formel" vorgehen:

Schritt 1 => ursprüngliche Herstellungskosten. Dazu kannst Du hilfsweise den Feuerversicherungswert des Gebäudes (hat der Hausverwalter vorliegen) mit dem für das Baujahr des Hauses gültigen Baukostenindex multiplizieren. Tabellen findest Du per Internetrecherche.

Schritt 2 => Die ursprünglichen Herstellungskosten multiplizierst Du mit dem Faktor 1,5

Schritt 3 => Das Ergebnis teilst Du durch 80 (Jahre) und hast dann den kalkulierten Wert, der jährlich für das gesamte Objekt als Rücklage angefallen wäre.

Schritt 4 => Den Jahreswert legst Du auf den Anteil der ETW um und multiplizierst mit der Anzahl der Jahre, für die es keine Instandhaltungsrücklage gibt.

Damit hast Du einen nachvollziehbaren kalkulatorischen Wert, mit dem Du gegenüber dem Verkäufer argumentieren und in Preisverhandlungen gehen kannst