Vater verstorben, Stiefmutter Alleinerbin, ist mit ihren Kindern in einer Erbgemeinschaft und wir bekommen laut ihrer Aussage nicht mal den Pflichtteil?

3 Antworten

Sie sollten sich nicht von Ihrer Stiefmutter wirr machen lassen und vor allen nicht die Gegenseite fragen, wie die Rechtslage ist.

Als Kinder Ihres Vaters könne Sie den Pflichtteil verlangen, wenn Sie nicht, oder zu wenig erben. Der Entzug des Pflichtteils ist nur in Außnahmefällen möglich, wobei es hier im Wesentlichen um Straftaten geht.

Sie meinte noch, wenn dann bestimmt sie alleine, ob sie uns etwas zukommen lässt an Geld.

Der Pflichtteil ist gesetzlich festgelegt und gerichtlich einklagbar. Er unterliegt selbstverständlich nicht der Willkühr des Erben.

Die Höhe des Pflichtteils richtet sich nach den Wert des Nachlasses (Vermögen des Erblassers) zuzüglich lebzeitiger Schenkungen. Er beträgt dabei die Hälfte dessen was der berechtigte ohne die Letzwillige Verfügung erhalten hätte. Da der Ehegatte 1/4 erbt und in Zugewinngemeinschaft 1/4 Zugewinnausgleich erhält, beträgt der Pflichtteil der Kindern zusammen 1/4 des Nachlasswertes.

Die Schenkungen werden dabei pro Jahr um 10% abgeschmolzen. Bei Ehegatten beginnt die Abschmelzung allerdings erst mit den Ende der Ehe.

Sie waren ca. 25 Jahre verheiratet, ist ja auch alles schön und gut. Nun meinte sie allerdings, wir würden nichts erben, da sie mit ihren Kindern eine Erbgemeinschaft hätte, damit WIR ihr das Haus nicht streitig machen könnten.

Das könne Sie in diesen Sinne auch nicht, der Pflichtteil ist ein Geldanspruch und kein Anspruch auf das Haus oder andere Nachlassgegenstände. Diese spielen bei der Berechnung der Höhe des Pflichtteils allerdings eine Rolle.

ihr erster Mann verstarb und mit der Hilfe und dem Geld unseres Vaters konnte sie den damaligen Rohbau des Hauses fertigstellen und auch abbezahlen.

Wie gesagt zählen die Schenkungen an die Ehefrau voll zum Nachlasswert hinzu. Ob er im Grundbuch steht oder nicht hat diesbezüglich allerdings Auswirkungen auf die Bewertung des Vermögens. Schenkt er der Frau Geld und diese steckt es in das Haus, so zählt der Wert das Geld was geschenkt wurde. Erhält er als Gegenleistung einen Marktgerechten Anteil am Haus, dann zählt die Bewertung des Hauses zum Todeszeitpunkt.

Sie dürfen und sollten bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses mitwirken. 

so wie ich das sehe, brauchen wir einen Fachanwalt für Erbrecht, denn bei allem Verständnis, irgendwo hört das wohl auf.

Zunächstmal sollte man sich das Testament beim Nachlassgericht besorgen und einen Grundbuchauszug. Die Erstberatung beim Anwalt kostet ca 250€ danach geht es nach Streitwert. Ohne Testament und Grundbuchauszug kann Sie der Anwalt schwerlich beraten. Außerdem ist es wichtig, ob es führere Testamente, etwa ein Berliner Testament mit der vorherigen Ehefrau gibt.

Soll ich über diesen Anwalt dann ein notarielles Nachlassverzeichnis verlangen? Dann ist der Krieg eröffnet

Jain. Grundsätzlich brauchen sie natürlich ein Nachlassverzeichnis um den Wert des Nachlasses und damit den Pflichtteil zu bestimmen. Sie können hierbei ein notarielles Nachlassverzeichnis verlangen. Die Kosten fallen den Nachlass zur Last und mindern somit anteilig Ihren Pflichtteil. Sofern der Erbe freiwillig eine eidesstattliche Versicherung über die Richtigkeit der Verzeichnisses abgibt, kann man auf die notarielle Erstellung des Verzeichnisses selbst in der Regel verzichten.

Ein guter Anwalt sollte versuchen einen Krieg zu vermeiden. Und die Eigentlichen Knackpunkte dürften in diesen Fall die Höhe der Schenkungen an die Ehefrau sein. Insoweit ist geade über diese Schenkungen genau Auskunft zu verlangen.




Hallo,

egal was im Testament drin steht. der Pflichtteil am Anteil des Vaters steht euch zu. In D wird man nur aus sehr wichtigem Grund enterbt. Dafür müßtet ihr den Papa ja ums Eck gebracht haben. Wichtig ist es auch seine Ansprüche geltend zu machen.

Die nicht leiblichen Kinder bekommen, sofern nichts Gegenteiliges Im Testament steht gar nicht, bzw. ihnen steht nichts zu.

Eure Stiefmutter will euch gehörig übern Tisch ziehen. Von dem was eurem Vater gehörte oder anteilsmäßig gehörte steht euch so oder so zumindest der Pflichtteil zu. Der Pflichtteil ist in bar aus zu zahlen.

So wie das ausschaut solltet ihr gerade in Bezug auf das Verhalten der Stiefmutter da keine Hemmungen haben. Die hat sie auch nicht euch aus zu booten.

Ein fachanwalt wäre hierfür ziemlich nützlich. gerade weil die Stiefmutter ja Zeit hat, Vermögen beiseite zu schaffen. Man kann und sollte in dem Fall auch einen Erbschein beantragen bzw. sich beim Amtsgericht darüber informieren.

Dort wird dann festgestellt, wer Erbe ist und was zum Vermögen gehört. das darf die Dame dann auflisten

Grüße und viel Erfolg

Jokerina 
Beitragsersteller
 01.09.2015, 00:45

Vielen Dank, ich bin nun ein bisschen beruhigter. Und nein, wir haben uns nie was zuschulden kommen lassen und den Papa auch nicht ums Eck gebracht. Wir wohnen nur seit vielen Jahren ein paar hundert KM entfernt, das Verhältnis war auch immer gut und wir haben nie um etwas gebeten oder ähnliches. An dem Haus oder dass die Stiefmutter da ausziehen sollte, haben wir null Interesse. Dieses Telefonat macht mich so fassungslos, zur nachtschlafenden Zeit kreist das ständig durch den  Kopf und so langsam steigt die Entschlossenheit, dass wir uns  das schlichtweg nicht bieten lassen dürfen.

imager761  01.09.2015, 09:58
@Jokerina

steigt die Entschlossenheit, dass wir uns  das schlichtweg nicht bieten lassen dürfen.

Das verlangt ja auch niemand, eurer Pflichteilsrecht am Reinnachlass eures Vaters ist unabdingbar.

Nur warne ich eben von anwaltlicher Geltendmachung, die erstens eine Bockbeinigkeit (ihr nennt es "Krieg") seitens der Verpflichteten hervorrufen dürfte und eben indirekt auf eure Kosten geführt und zudem monatelang andauern dürfte.

Ich rate euch, zunächst das Testament zu lesen und mit eurer behaupteten Nichtberücksichtung dann eure PT-Ansprüche selbst zu verfolgen.

Und die dann eben zu sichern: Nach § 1960 II BGB BGB hat das Nachlassgericht einen Nachlasspfleger zu bestellen, wenn die Bestellung zum Zwecke der gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlass richtet, § 1961 BGB, von dem Berechtigten beantragt wird. Die Aufgaben des Nachlasspflegers legt das Nachlassgericht in einer Bestellungsurkunde fest und verhindert einen Zugriff der Erben auf das Nachlassvermögen :-O



Dann
schreibt man der Witwe und den bekannten Miterben jeweils per Einwurfeinschreiben:

"... hiermit fordern wir, die Unterzeichener Max und Moritz Müller als gesetzl. Erben des Erblasser Michael Müller unseren Pflichtteil gem. § 2301 I BGB in zunächst unbekannter Höhe.

Nach Fälligkeit des Pflichtteils, § 2317 BGB, verweise wir vorsorglich auf die Verzugsfolgen in §§ 286 ff. BGB und machen schon jetzt Verzugzinsen geltend.

Sie sind aufgefordert, zur Vermeidung einer Stufenklage innerhalb von 14 Tagen nach dokumentiertem Zugang dieses Schreibens

  1. den Bestand des Nachlasses in einem bewerten Nachlasverzeichnis über Vermögen und Verbindlichkeiten zum Stichtag Erbfall des Verstorben auszuweisen. Wir verlangen n. § 2314 I 2, 3 BGB, dass wir bei der Aufnahme der Nachlassgegenstände zugezogen werden und dass das Verzeichnis unter Mitwirkung eines Notars erstellt wird
  2. Auskunft über lebzeitige Schenkungen des Erblassers innerhalb der letzten 10 Jahre vor dem Erbfall zu erteilen
  3. einen aktuellen Grundbuchauszug über die Eigentumsverhältnisse der Immobilie Musterstrasse 123 vorzulegen

Wir gehen davon aus, dass sie Ihrer gesetzlichen Verpflichtung sowohl fristwahrend wie vollumfänglich und wahrheitsgemäß  nachkommen werden.

Besteht Grund zu der Annahme, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt aufgestellt worden ist, werden wir Sie n. § 260 II BGB zur Abgabe einer Versicherung an Eides statt auffordern. Über die Rechtsfolgen einer falschen Versicherung weisen wir ausdrücklich hin: § 156 StGB.

Gleichwohl haben wir bereits durch Antrag auf Nachlassverwaltung beim NLG Musterstadt, Az 12345/15, unsere Ansprüche am Nachlass unseres Vaters gesichert."

Mehr macht ein Anwalt auch nicht, sofern er überhaupt auf die Idee der Nachlassicherung käme, dürfte aber im wohlverstandenen eigenen Kosteninteresse zu einer für ihn sehr einträglichen Stufenklage drängen, die euch aber mehr schadet als nützt :-(

Hat man den Nachlass aber eingefroren, dürfte die Witwe handzahm werden und den unabdingbaren PT schnell auskehren wollen, weil sie erst dann an ihr Geld käme, wenn die Pflegeschaft aufgehoben würde:-O

Viel Erfolg :-)

G imager761

Jokerina 
Beitragsersteller
 01.09.2015, 20:06
@imager761

Danke imager, sorry, das habe ich erst jetzt gelesen - das sind ganz wertvolle Tipps, die ich mir zusammenschreiben werde! Wie oben gesagt, ein Telefonat mit einer Anwältin, welches mich jetzt nichts kostet, werde ich führen und dann werden wir mal warten, was das Testament spricht. Ich bin froh, hier Hilfe zu finden. Werde die Entwicklung dieser ganzen Geschichte nach und nach hier posten Nochmal: Herzlichen Dank ;) knicksmachundbedank

Da habt ihr nun beide Recht: Euch steht mit ihrer Alleinerbeinsetzung keine Erbe zu, n. § 2303 I BGB aber ein Pflichtteil (PT). Richtigerweise hättet ihr damit keinen Anspruch etwa am Haus, sondern dessen Wert, also einen reinen Geldanspruch.

Dafür wartet man die offenbar errichtete Verfügung des Vaters erste inmal ab oder bittet sie um eine Kopie - erzählen kann sie viel...

Der PT wäre der zu eurem gesetzlichen Erbrecht hälftige Anspruch in Geld und nur an dem, was dem Vater gehörte und am Sterbetag abzgl. dessen (auch mit der Ehefrau gemeinsamen) Verbindlichkieten und seiner Beerdigungskosten übrigbliebe, der sog. Reinnachlass.

Dafür hat man Anspruch auf ein bewertetes Nachlassverzeichnis, § 2314 BGB und Erklärung über bekannte lebzeitige Schenkungen des Vaters innerhalb der letzten 10 Jahre.

brauchen wir einen Fachanwalt für Erbrecht, denn bei allem Verständnis, irgendwo hört das wohl auf.

Braucht ihr den? Dessen üppige Kosten fielen als Verbindlichkeit dem Nachlass zur Last, schmälern damit auch euren Pflichtteil.

Wartet das Testament ab, fordert von der Witwe ein bewertetes Nachlassverzeichnis, Erklärung über Schenkungen, Grundbuchauszug über den angeblichen Miteigentumsanteil eures Vaters (den bekäme man bei berechtigtem Interesse beim Grundbuchamt auch selbst) und fordert demnach euren Pflichtteil.

Als einzige Kinder eures Vaters und im gestzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet gewesen, wäre das 1/8 oder 12,5 % für dich und deinen Bruder am Reinnachlass eures Vaters.

Dann ist der Krieg eröffnet....

Eben. Stufenklagen dauern Monate, gar Jahre und wenn der Nachlass damit aufgezehrt wäre, hätte sie Recht: "von was denn, es ist ja nix da."

Pikant: Bliebe nach Zahlung der Prozesskosten nur noch der Immobilienwert, könnte sie für euren PT-Anspruch aber nicht beleihen, darf sie eure Forderung dann noch 10 Jahre lang gestundet verlangen, wenn Verkauf der selbstgenutzten Immobilie ausfiel :-O

G imager761


Jokerina 
Beitragsersteller
 01.09.2015, 19:58

Herzlichen Dank, es ist gar nicht so einfach, in so einer Situation den kühlen Kopf zu bewahren und vernünftig zu handeln. Morgen habe ich zumindest mal ein Telefonat mit einer Fachanwältin für Erbrecht, je mehr Infos, desto besser.

Jokerina 
Beitragsersteller
 01.09.2015, 10:00

Vielen Dank für die Informationen - dazu hätte ich noch eine Frage: Ich habe mich beim zuständigen Nachlassgericht kundig gemacht, wann uns den das Schreiben in etwa zugestellt werden würde, das würde sich bis ca. Ende Oktober hinziehen, momentan ist noch eine Sperrfrist, danach ginge es erstmal zurück zur Stiefmutter, die hätte auch noch 4 Wochen Zeit um uns dort anzugeben und bis das dann bei uns landet....ist es nun sinnvoll, VOR dem Schreiben des Nachlassgerichtes und der Kopie des Testamentes ein notariell beglaubigtes Nachlassverzeichnis zu verlangen? Denn wenn weitere zwei Monate vergehen, könnte Sie ja rein theoretisch alles an Wertgegenständen etc. irgendwo unterstellen oder verschenken oder oder oder...

imager761  01.09.2015, 10:06
@Jokerina

Bitte lies meinen Kommentar: Ich rate euch dringend, eine Kopie des euch unbegünstigten Testamenst so schnell wie möglich (von der Witwe?) zu bekommen, andernfalls vorgrifflich durch Antrag auf Nachlassverwaltung den Nachlass durch Pflegeschaft zu sichern.

Ihr müsst sonst davon ausgehen, dass das Nachlassverzeichnis keinerlei Sachwerte mehr aufführt, die beiseite geschafft oder veräußert wurden und sich die Witwe entreichert.