Nacherbe meiner Stiefmutter?

4 Antworten

Natürlich durfte dein Vater n. § 2100 BGB seine Ehefrau als Witwe derart absichern, dass euer Erbrecht auf den Zeitpunkt ihres Versterben verlegt wurde und sein Nachlass der Witwe vorerst allein zur Verfügung steht. Insbesondere bei Immobilien soll der Witwe damit eine denkbare gerichtliche Auseinandersetzung, gar Teilungsversteigerung mit Zwangsumzug aus gewohnter Umgebung oder Obdachlosigkeit erspart bleiben.

Das ist das klassische Ehegatten- oder sog. Berliner Testament, in dem der längstlebende Ehepartner zum alleinigen Vorerben bestimmt ist und die Kinder des Ertversterbenden das gesamte Erbe beider Eheleute nach dem Tod des Längstlebenden erhalten sollen.

Auch ist es zulässig, Stiefkinder zu bedenken, solange euch der gesetzl. Mindestanspruch am Nachlass eures Vaters verbliebe, der hier mit 1/3 Nacherbrecht sehr deutlich überschritten ist :-)

Nun habt ihr die Wahl: Entweder ihr akzeptiert den testamentarischen Willen eures Vaters. Deine Schwester und du bekommen dann neben der Stieftochter seinen Reinnachlasses und das, was eure Stiefmutter an seinem Erbe und ihrem eigenem Vermögen als Nachlass noch hinterliesse, zu je 1/3. Über den Nachlass eures Vaters könnt ihr Auskunft als bewertetes Nachlassverzeichnis von der Witwe beanspruchen und u. U. sogar eine Sichererheitsleistung (z. B. als grundbuchlich eingetragene Grundschuld) verlangen.

Oder ihr fordert euren Pflichtteil am Nachlass des Vaters, womit ihr von der verfügten Erfolge ausgeschlossen wärt. Der betrüge 1/8 von dem, was euer Vater nach Abzug (auch hälftig gemeinsamer) Verbindlichkeiten und Beerdigungskosten hinterliess. Das Haus zählt hierbei übrigens voll mit dem seinerzeitigen Übertragungswert zum Nachlass, § 2325 III 3 BGB.

Ihr berechnet dafür nach dem Nachlassverzeichnis aus der Differenz von bilanziertem Vermögen und der Verbindlichkeiten eures Vaters seinen tatsächlichen Reinnachlass, addiert den vollen Schenkungswert des Hausübertrgs hinzu, fordert und bekommt daraufhin von diesem fiktiven Reinnachlasswert 12,50 % innerhalb von 30 Tagen in Geld ausbezahlt. Aber macht eure Stiefschwester beim Tod ihrer leiblichen Mutter zur Universalerbin des Gesamtnachlsses der Ehegatten.

Noch Fragen? Beantworte ich dir gern.

G imager761


Abseits 
Beitragsersteller
 07.03.2020, 08:23

Lieber Imager761

bitte entschuldige, dass ich mich für Deine ausführliche Antwort noch nicht bedankt habe; ich hab sie leider eben erst als neu begriffen und gelesen! 

Nachdem mir das Testament meines Vaters zugegangen ist, vermute ich, dass ich nicht mal Nacherbin bin. Mein Vater formuliert: „Hiermit setzen wir uns gegenseitig als Alleinerben ein“. Sollten wir zeitnah beide versterben erben unsere 3 leiblichen Kinder“. Das Testament trägt die Unterschriften von ihm und meiner Stiefmutter. 

Mir bliebe also gar nichts als der Pflichtteil, verstehe ich doch richtig? Da ich als Einzige von uns Dreien Kinder habe und alleinerziehend bin wären selbst 5000 Euro Erbe für mich schon sehr hilfreich. Wenn es noch ein Bargeld Vermögen gäbe, käme es bei der Berechnung meiner 12,5 % ja aber bestimmt auch auf die Ehevereinbarung meines Vaters und seiner zweiten Frau an, oder? Ob Zugewinn oder Gütertrennung? Ich befürchte etwas, dass die Kosten des Verfahrens den Pflichtteil übersteigen könnten...

Falls Du noch mal Zeit für eine Antwort findest: herzlichen Dank im Voraus!

Möglicherweise die für Euch beste Lösung, auch wenn es sich blöd anhört.

Das Problem ist, wenn er das Haus schon vor Jahren seiner Frau geschenkt hat, wird es für Euch eng.

Es gäbe eventuell einen "Pflichtteilergänzungsanspruch."

Beispiel:

Haus 200.000,- Wert. Er hat es vor 5 Jahren seiner Frau geschenkt.

Das ist nun nur noch mit 100.000,- anzurechnen. bei 100.000,- Wäre Euer gesetzliches Erbe 25.000,- pro Nase, der Pflichtteil 1/2 davon 12.500,-. Das wäre die Zahlung und alles andere wäre sozusagen weg.

So bekommt ihr in einigen Jahren wenigstens das Haus jeder zu 1/3

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

imager761  20.02.2020, 12:04
Haus 200.000,- Wert. Er hat es vor 5 Jahren seiner Frau geschenkt. Das ist nun nur noch mit 100.000,- anzurechnen.

Nein, immer noch mit 200.000: Die Frist der Abschmelzung bei Schenkung an Ehegatten beginnt erst mit dem Erbfall, § 2325 III 3 BGB :-O

Abseits 
Beitragsersteller
 19.02.2020, 15:55

Herzlichen Dank, damit bin ich wenigstens schon um eine "Erkenntnis" reicher! :)

wfwbinder  19.02.2020, 15:57
@Abseits

Es sollte Euch aber nicht davon abhalten mal dieses Testament zur Einsicht anzufordern. Schließlich ist Euer Vater gestorben, ihr habt ein Recht auf Auskunft gegen die Besitzerin des Erbes, das ist die Stiefmutter.

Ich habe keinen juristischen Rat. Aber man sieht wieder wo die Liebe der Männer hinführt. Das Haus hat Deinem Vater gehört und es wäre anständig, das Haus Euch beiden Kinder zu vererben - und der "neuen" Frau das Wohnungsrecht bis zu ihrem Tod einzuräumen. Natürlich kenne ich Eure Geschichte nicht, habt ihr Euch um den Vater gekümmert oder war Funkstille und nur die neue Frau war die einzige Bezugsperson für den verstorbenen Vater. Dann würde ich wiederum den Vater verstehen. Das sind immer so Familiengeschichten, die die Sache in ein anderes Licht rücken.

Ich kann dir nur empfehlen, mit der Stiefmutter das Gespräch zu suchen und vielleicht eine "Auszahlungslösung" zu finden. Mein Rat aber immer: Ohne Anwalt dies zu tun und zu versuchen. Ein Haus ist immer eine große Streitsumme - und da macht Dir jeder Anwalt ganz große Hoffnung, wie gut Deine Rechtsposition ist. Die Realität ist aber, dass die Kasse beim Anwalt klingelt und du viel Zeit und Nerven und Geld investieren musst - am Ende gibt es maximal ein Vergleich vor Gericht. Mache Dir da keine großen Hoffnungen.


Abseits 
Beitragsersteller
 07.03.2020, 08:16

Herzlichen Dank für Deinen emphatischen Rat. Es steckt leider viel Wahres drin.

Alles Gute!

Lieber Imager761

bitte entschuldige, dass ich mich für Deine ausführliche Antwort noch nicht bedankt habe; ich hab sie leider eben erst als neu begriffen und gelesen!

Nachdem mir das Testament meines Vaters zugegangen ist, vermute ich, dass ich nicht mal Nacherbin bin. Mein Vater formuliert: „Hiermit setzen wir uns gegenseitig als Alleinerben ein“. Sollten wir zeitnah beide versterben erben unsere 3 leiblichen Kinder“. Das Testament trägt die Unterschriften von ihm und meiner Stiefmutter.

Mir bliebe also gar nichts als der Pflichtteil, verstehe ich doch richtig? Da ich als Einzige von uns Dreien Kinder habe und alleinerziehend bin wären selbst 5000 Euro Erbe für mich schon sehr hilfreich. Wenn es noch ein Bargeld Vermögen gäbe, käme es bei der Berechnung meiner 12,5 % ja aber bestimmt auch auf die Ehevereinbarung meines Vaters und seiner zweiten Frau an, oder? Ob Zugewinn oder Gütertrennung? Ich befürchte etwas, dass die Kosten des Verfahrens den Pflichtteil übersteigen könnten...

Falls Du noch mal Zeit für eine Antwort findest: herzlichen Dank im Voraus!