Kann ein Arbeitgeber pauschal ein neues Entlohnungssystem einführen, ohne Rücksicht auf bereits bestehende, individuelle Arbeitsverträge?
Ich bin jetzt im 27. Jahr bei meinem jetzigen Arbeitgeber mit Arbeitsvertrag und vereinbartem Fixgehalt beschäftigt. Seit ca. 3 Jahren möchte nun unser Junior-Chef alles Mögliche umkrempeln. Jetzt soll ein "teamorientiertes und rohertragsabhängiges Entlohnungssystem ab nächstem Jahr eingeführt werden", bei dem "garantiert niemand weniger verdient, als bisher". Dieses Sytem nennt sich "AllWin". Kennt jemand dieses System bzw. hat Erfahrungen damit? Habe ich ein fundiertes Recht darauf, dieses neue System abzulehnen und auf meinem Arbeitsvertrag zu bestehen, auch wenn ich augenscheinlich "auf mehr Geld verzichte"?
2 Antworten
Ja hast Du ..;-)
Eine einseitige Umgestaltung der Vergütung durch den Arbeitgeber ist
indes nicht möglich. Dieser ist bis zu dem Zeitpunkt, in dem ein neuer
veränderter Arbeitsvertrag geschlossen wird, an den bisherigen Vertrag
gebunden.
Will der AG das nicht, müsste er dich kündigen. Nach 27 Jahren Firmenzugehörigkeit kann das ohne AN-verschuldeten Anlass, der i.d.R. mehrfach abgemahnt werden müsste, ziemlich holprig und auch sehr teuer für den AG werden. Gänzlich auszuschließen ist das jedoch nicht.
AllWin ist ein Vergütungssystem. Um Werbung zu vermeiden, google bitte selbst. Es gibt einige Ergebnisse dazu - die aber nahezu komplett von AllWin selbst iniziert sind.
Meines Erachtens bietet dieses Vergütungsmodell gerade für im Vertrieb tätige AN gewisse positive Chancen. Aber es gibt auch gewaltige negative Komponenten, die man nicht ignorieren sollte.
Die sogenannte Teamkomponente führt nahezu zwangsläufig zu einer Arbeitsverdichtung, da eine Konkurrenzsituation innerhalb des Teams geschaffen wird. Will heißen: Einer will mehr und setzt die anderen Teammitglieder (aus seinem egoistischen Grund) unter Druck. Motto: Mach schneller! Das Angebot muss heute noch raus, damit meine Zahlen für den Monat stimmen ...
Die nächste m.E. größte Falle ist aber die Berechnung nach Rohertrag. darauf hat nämlich der AN nur sehr bedingt Einfluss. Zudem ist das die faktische "Stellschraube", an der der AG auch zum Nachteil (utopische Zielvorgaben, unrealistische Preiskalkulationen usw.), des AN drehen kann.
Meine Erfahrung, als langjähriger GF in Konzernstruktur, hat ohne Ausnahme gezeigt, dass dieses Vergütungssystem nur allzugerne dazu genutzt wird, um über das Geschäftsjahr das Gesamtlohnverhältnis der monatlichen Vergütungen erheblich zu drücken (Versprechen: Am Jahresende bekommst Du ja deinen Bonus) um dann mit einem miserabelen (meist Ergebnis managementgesteuerter Fehlleistungen) Gesamtfirmenergebnis und entsprechend schlechtem Rohertrag, eben diesen Bonus zu minimieren, bzw. mit dem Argument "Arbeitsplatzerhalt" zur Gänze zu streichen.
Das wird gerne gemacht um den Cashflow im Unternehmen zu erhöhen.
Die, die dem dann die Stirn bieten wollen, bleibt meist nur selbst zu kündigen. Das ist dem AG dann ziemlich egal, stehen doch genug "billigere, hungrige Neue" vor der Tür. Zudem hat man ja (in weiser Vorraussicht) im neuen Vergütungsvertrag (würde ich fast wetten) eine verschärfte Konkurrenzklausel und ein härterse Wettbewerbsverbot eingeschmuggelt.
Im schlimmsten Fall sollte man also zumindest von einer faktischen Lohnkürzung ausgehen. Ich kenne jedenfalls keinen AG, der aus freien Stücken, seinen Mitarbeitern mehr Lohn zahlt, als unbedingt nötig.
Es gilt zu beachten, dass Dein Juniorchef eine Änderungskündigung aussprechen kann, der Du zustimmen mußt oder gegen die Du erfolgreich klagen mußt um Deinen Arbeitsplatz zu behalten. Damit wird Dein Recht auf Fortsetzung des alten Vertrages immer untergraben.