Erbrecht bei Grundsicherung?
Folgendes Szenario:
Eine Frau bezieht aufgrund voller Erwerbsunfähigkeit Grundsicherung und lebt im Haus ihrer Eltern (zusammen mit diesen).
Was geschieht falls beide Elternteile versterben und sie als Einzelkind das Haus erbt? Muss sie dann
a. die letzten 10 Jahre Sozialleistungen zurückzahlen?
b. das Haus verkaufen und das ganze Geld ausgeben bevor sie weiter Leistungen beziehen kann?
c. darf sie überhaupt irgendetwas von dem Erbe behalten?
d. was wenn die Eltern das Haus zb an eine Tante vererben und ihr lebenslanges Wohnrecht einräumen? Ist das überhaupt möglich?
3 Antworten
Ergänzend zu den Antworten von barmer und wfwbinder:
Muss sie dann a. die letzten 10 Jahre Sozialleistungen zurückzahlen
Nein.
das Haus verkaufen und das ganze Geld ausgeben bevor sie weiter Leistungen beziehen kann?
Wenn sie das Haus weiter bewohnt und es die "angemessene" Größe hat, dass sie es behalten darf, muss sie es nicht verkaufen. Hier wird beschrieben, wie groß Wohneigentum bei Bezug von Grundsicherung sein darf:
Haus und Eigentumswohung bei Hartz IV
Eigenheim - Haus - Eigentumswohnung
http://www.kinder-armut.de/hartz-4-iv-alg-2-sgb-ii/haus-eigentumswohnung-eigenheim.html
Wenn das Haus zu groß ist, könnte vielleicht eine Alternative die Vermietung von Räumen sein, die die Frau selbst nicht bewohnt, so dass die selbst bewohnte Größe "angemessen" ist.
Wenn sie das Haus verkauft, wird sie ja von dem Erlös vorerst leben. - Hier eine interessante Diskussion im elo-forum zum Thema
http://www.forum-sozialhilfe.de/phpBB3/viewtopic.php?t=5063#p20606">Grundsicherungnach Erbschaft?
http://www.forum-sozialhilfe.de/phpBB3/viewtopic.php?t=5063
Besondersinteressant ist dort der Beitrag von w12. - Inder Diskussion geht es darum, wenn jemand erbt und Grundsicherung im Alter oder Erwerbsminderungerhält.
Die Erbin muss dann nicht ganz so arm leben wie mit dem Regelsatz, darf das Geld aber auch nicht verschleudern. Denn sie weiß ja, dass sie nach Aufbrauchen der Erbschaft wieder Grundsicherung beantragen werden muss. - (Anders ist es bei denjenigen, die vor oder während des Erbschaftsfalles noch nie Grundsicherung beantragt hatten, und die nicht davon ausgehen müssen, es mal beantragen zu müssen. Die dürfen mit ihrem Geld machen, was sie wollen, auch verprassen.)
Diejenigen, die Grundsicherung im Alter oder Erwerbsminderung beziehen, haben ja einen kleinen Vermögensfreibetrag von 2.600 €. - Die Erbschaft während des Grundsicherungsbezuges gilt nicht als Vermögen, sondern als Einkommen. Die Frau wird auf jeden Fall 12 Monate von dem Erbe leben müssen. - Nach den 12 Monaten verwandelt sich dieses Einkommen in Vermögen (was es ja eigentlich auch von Anfang an gewesen ist, nur die Gesetzgeber wollen das so nicht sehen). Von diesem Vermögen sind nun 2.600 € als Freibetrag geschützt, und von dem, was dann noch da ist, wird die Frau leben. - Es ist empfehlenswert, dass die Frau sechs Wochen, bevor dieses Geld aufgebraucht ist, erneut Grundsicherung beantragt. Denn der Antrag bedarf ja einer gewissen Bearbeitungszeit.
c. darf sie überhaupt irgendetwas von dem Erbe behalten?
Ja, es gehört ihr.
d. was wenn die Eltern das Haus zb an eine Tante vererben und ihr lebenslanges Wohnrecht einräumen? Ist das überhaupt möglich?
Die Eltern dürfen mit ihrem Vermögen machen, was sie wollen, auch das Haus der Tante vererben. - Wie hier schon geschrieben, ist dies nun eine sehr komplizierte Rechtsfrage.
Würde das Haus ohne lebenslanges Wohnrecht an die Tante vererbt werden, hätte die Frau Anspruch auf den Pflichtteil des Erbes, was 50% des normalen Erbes wäre. Das würde bedeuten, die Tante müsste die Hälfte des Geldes, das das Haus wert ist, an die Frau auszahlen.
Nun ist aber das lebenslange Wohnrecht für die Frau verfügt worden. Wie genau das berechnet wird, also ob der Frau ein Geldausgleich aus dem Pflichtteil noch zusteht, darüber müssen sich dann Juristen = Anwälte + Richter ihre Köpfe zerbrechen, was mehrere Jahre in Anspruch nehmen kann.
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Auf jeden Fall ist den Eltern dringendst anzuraten, ein solches Testament nicht allein aufzusetzen, sondern von einem Notar. In meinem Bekanntenkreis gibt es einen Erbfall, in dem die Eltern ihre zwei Töchter beerben. Sie hatten ihr Testament so formuliert, dass für Laien sofort klar ersichtlich ist, wie das Erbe aufgeteilt werden soll. Da eine der Töchter aber das Testament angefochten hat und dies nun per Gericht geklärt werden muss, stellte sich heraus, dass die doch anscheinend so klare Formulierung der Worte in juristischem Sinne unklar sind und kompliziert zu deuten sind. Das gerichtliche Verfahren dauert nun schon mehrere Jahre (ALLE lassen sich mit den Bearbeitungen mächtig viel Zeit, die Anwälte und auch die Gerichte.)
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Ich vermute, Du selbst bist die Frau, bezüglich Du hier fragst. - Wenn das Erbe angefallen ist und Du dies dem Grundsicherungsamt melden willst, ist es empfehlenswert, nicht allein hinzugehen. Lass Dich dann begleiten von einem erfahrenen (!!) Beistand, auch Ämterlotse genannt (dazu gleich mehr).
Vorsorglich diese Hinweise von mir, die ich arbeitslosen und anderen
Grundsicherungsbeziehern reingebe - Du wirst leicht erkennen, was auf
Deine Situation zutrifft:
Umgang mit Sozialbehörden
Mit dem Amt nichts telefonisch klären (das kann man später nie beweisen).
Alles schriftlich machen. Am besten Schreiben, Belege und Anträge
persönlich abgeben. - Den Erhalt des Schreibens lässt man sich auf
einem mitgebrachten Doppel mit Stempel, Datum und Unterschrift
bestätigen. (Dies verlangt man mit ruhigem, freundlichem Ton und reicht
das Schreiben
rüber, „und hier brauche ich noch Stempel mit Datum
und Unterschrift“).
Wenn man nur etwas abgeben will, dann wie üblich ein Schreiben
aufsetzen, in dem erklärt wird, was "als Anlage" überreicht wird (sind es
mehrere Anlagen, diese mit Nummern versehen aufzählen). - Wiederum
dieses Anschreiben auf einem mitgebrachten Doppel mit Stempel und
Unterschrift bestätigen lassen.
Diese Bestätigungen sind Gold wert, sie sind mehr wert als ein
Einschreibebeleg (mit dem ja nur der Eingang eines Umschlags bestätigt
wird).
Mit einer solchen Bestätigung kann von Seiten der Behörde nicht
behauptet werden, Schreiben und Belege seien nicht eingegangen. Und
wenn doch, eine Fotokopie von deren Bestätigung vorlegen (das Original
unbedingt wie eine Kostbarkeit hüten). - Nicht (oder angeblich nicht)
abgegebene Unterlagen kann als Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht
gedeutet werden, was zu Sanktionen führen kann = Kürzung von Geld. -
Und: Werden so die Unterlagen / Belege abgegeben, wird
erfahrungsgemäß allgemein die Sache
zügiger bearbeitet.
Falls Du meinst, ich würde übertreiben, google mit
jobcenter unterlagen verloren
und lies auch dies:
Hartz IV: Verschwundene Unterlagen mit System?
http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-verschwundene-unterlagen-mit-system.php
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Im Gespräch mit den Mitarbeitern immer korrekt und konzentriert sein.
Wenn die Mitarbeiter freundlich und zugewandt sind: Auch Infos im
Vertrauen landen in der Akte und können später gegen den „Kunden“
(wie es vollmundig bei Sozialbehörden heißt) verwendet werden.
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Oft ist es ratsam, zum Amt einen Beistand als Begleitung mitzunehmen.
Dieser muss nur zuhören und kann dabei Protokoll führen, oder hinterher
macht man gemeinsam ein Erinnerungsprotokoll. Der Beistand kann aber
auch für Dich Erklärungen abgeben, dazu § 13, Absatz 4 SGB X (google
mit 13 sgb 10):
(4) Ein Beteiligter kann zu Verhandlungen und Besprechungen mit
einem Beistand erscheinen. Das von dem Beistand Vorgetragene
gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit dieser nicht
unverzüglich widerspricht.
Für einen ehrenamtlichen Behördenbegleiter = Beistand google jeweils mit
Deinem Wohnort (oder dem nächstgrößeren, wenn Deiner klein ist) mit
Ämterlotsen
Behördenlotsen
Behördenbegleiter
Wir gehen mit org
Diese Ämterbegleiter sind wertvolle Hilfen und notfalls auch Zeugen, und
(die meisten? alle?) haben für diesen ehrenamtlichen Dienst eine kleine
Ausbildung genossen und kennen sich bestenfalls mit den Gesetzen aus.
(Sag beim Amt niemals, Du hättest einen Zeugen dabei! Zeugen dürfen
des Raumes verwiesen werden - Beistände dagegen nicht, auf die hast
Du ein Recht.)
Lebst Du in einer Bedarfsgemeinschaft (oder Haushaltsgemeinschaft):
Andere Mitglieder solch einer Gemeinschaft können für Dich kein Beistand
sein, denn sie sind nicht neutral, sondern automatisch selbst Betroffene.
Google mit
legitimation eines beistands pdf (die Wörter genau so)
und lade Dir die Datei vom elo-forum runter. Darin erfährst Du die
gesetzliche Grundlage für Beistände und dass jeder Bürger ein Recht
darauf hat, sich bei Behördengängen von einem Beistand begleiten zu
lassen.
In der Info erfährst Du unter anderem, dass wenn Dein Beistand für Dich
etwas sagt, und Du widersprichst nicht, gilt es so, als hättest Du selbst es
gesagt.
Fehlerteufelchen: Du siehst ja, die Diskussion ist nicht im elo-forum (wie ich zuerst schreibe, sondern im forum-sozialhilfe. - Wie das kleine Chaos Link + Überschrift zustande gekommen ist, weiß ich nicht, darunter ist aber ja ganz klar der richtige Link.
Erstmal prüfen, ob sie nicht ohnehin in der Wohnung bleiben darf.
Sollte die Wohnung zu groß sein, würde ich dazu raten das Haus nicht per Testament an die Tante zu geben, sondern schon vorher durch Schenkung mit der Auflage Wohnrecht.
Zum einen erhöht das den Wert des Wohnrechtsund Jahr für Jahr vermindert sich die Möglichkeit der Anfechtung.
Also ich bin ja ganz erstaunt über soviel Kulanz seitens des Staates. Ich kann das ehrlich gesagt gar nicht glauben. Ist es nicht vielleicht doch so, dass man wieder gegängelt und bevormundet wird was den Kaufpreis der anderen Immobilie betrifft? Die geben sich doch sonst soviel Mühe einem das Leben möglichst schwer zu machen. Sobald das Haus verkauft ist, ist ja außerdem Bargeld vorhanden und das ändert ja alles. Wahrscheinlich hat man nur 5 Minuten Zeit sofort was anderes zu kaufen sonst rutscht man in einen anderen Paragraphen und die Grundsicherung ist gestrichen.
Nein, man meldet sich für einen Monat ab, macht das Geschäft udn meldet sich wieder an.
Soo einfach ist das nicht, sich für einen Monat vom GruSi-Amt (GruSi = Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) abzumelden.
Beim GruSi-Amt wird dann gefragt, wovon man nach der Abmeldung lebt. Schließlich wollen die sicher sein, dass man keine Gelder gebunkert hatte und zu Unrecht aufstockende GruSi bezogen hatte.
Bei Eintritt des Erbfalls (= Tod des Erblassers), muss die Erbschaft sowieso dem GruSi-Amt gemeldet werden.
Falls der Erbfall noch nicht eingetreten ist, weiß man vermutlich nicht mindestens einen Monat vorher, wann genau der Erblasser versterben und somit der Erbfall eintreten wird, um entsprechend eine solche Abmeldung zu planen (es sei denn, man bringt den Erblasser termingeplant um, aber dann ist man ja sowieso erbunwürdig und erbt nix und bekommt Vollpension im Knast).
Aber nehmen wir mal an, ein GruSi-Bezieher meldet sich ab und nach einem Monat wieder an. Bei der Anmeldung müssen ja wieder die Bankbelege vorgelegt werden.
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Im Fall der hier gestellten Frage wird ja ein geerbtes (zu) großes Haus verkauft und dafür ein "angemessen großes" Haus oder eine entsprechende Eigentumswohnung gekauft. Das Erbe gilt ja während Bezug von Grundsicherung als "Einkommen". Falls sie kein Geld erbt, von dem sie sofort leben kann, sondern "nur" das Haus, und Geld steht ihr daraus noch nicht zur Verfügung, kann sie GruSi auf Darlehensweise erhalten, bis ihr aus dem Erbe Geldvermögen zur Verfügung steht.
Sobald Sie das Haus verkauft hat und nun auch Geldvermögen hat, meldet sie sich von GruSi ab. Nach spätestens 12 Monaten ist das geerbte Vermögen dann auch im Sinne der GruSi-Gesetze Vermögen.
Das große Haus ist Vermögen, mit dem Verkauf wird das Vermögen umgewandelt in Geldvermögen, und von dem Geldvermögen wird wieder ein Teil umgewandelt in Form des angemessen großen Hauses / Eigentumswohnung.
Von dem dann ja sicher noch verbleibenden Geldvermögen muss die Frau ("angemessen") leben (dazu Link zu einer Diskussion in meiner Antwort), bevor sie erneut GruSi beantragt. Bei der Neubeantragung wird sie dann für die letzten drei Monate ihre Bankbelege vorlegen müssen.
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@maisbrei, zum "angemessen" vom Geld leben hier ein interessanter Fall:
Hier ein Fall, in dem eine Frau wirklich krass ihr Vermögen verschleudert hatte, wohlwissend, dass sie nach Verbrauch des Geldes GruSi beantragen muss:
LSGStuttgart - L 2 SO 2489/14 - (15.10.2014)
SGBXII: Wer das eigene Vermögen zu schnell aufbraucht, kann von Leistungen derGrundsicherung im Alter ausgeschlossen werden, so der Tenor des Gerichtes. Die(83-j.) Frau hatte vor dem Antrag beim Sozialamt innerhalb von vier Jahreneinen sechsstelligen Betrag [112.000 €] verbraucht.
Hierdas Urteildazu:
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=174794
Hallo, zurückzahlen muss sie nichts.
Zwang zum Hausverkauf wäre möglich, vor allem, wenn das Haus für sie zu groß und entsprechend wertvoll ist.
Sie darf alles behalten, aber der Anspruch auf Grundsicherung wird natürlich dann neu geprüft.
Sie hätte dann grundsätzlich einen Pflichtteilsanspruch in Höhe des halben Hauswerts gegenüber der Tante. Ob man argumentieren kann, das lebenslange Wohnrecht wäre dem wertgleich, finde ich spannend.
Viel Glück
Barmer
Wäre es auch möglich, falls das Haus zu groß ist, es zu verkaufen und stattdessen ein anderes (oder eine Eigentumswohnung) von "angemessener" Größe zu kaufen und zwar so, dass von der Summe nichts übrigbleibt?