Aufgabe Selbstständigkeit nach 3 oder 4 Jahren ohne Einnahmen – steuerliche Konsequenzen?
Folgende Situation: Die Steuerjahre 2013 bis 2019 hat eine Person eine erfolgreiche freiberufliche Selbstständigkeit aufgebaut. 2020 wurde geheiratet und zunächst Elterngeld bezogen, bis ins Jahr 2021. Effektiv wurde seit dem Steuerjahr 2020 kein Einkommen mehr erzielt durch die Selbstständigkeit. Trotzdem wurde ein Arbeitsplatz in einer Bürogemeinschaft durchgängig gemietet bis heute und als Verlust in der Steuererklärung eingerechnet. Durch die gemeinsame Veranlagung mit dem Ehepartner wurden dadurch vermutlich Einkommenssteuern gespart.
Jetzt, bei der Prüfung der Steuererklärung für das Jahr 2022, fragt das Finanzamt nach, wann denn voraussichtlich wieder Gewinn erzielt werden wird. Tatsächlich wurden auch im Jahr 2022 keine Einnahmen bzw. Gewinne erzielt, die Selbstständigkeit wird 2024 aufgegeben werden, zugunsten einer Festanstellung, die besser zum Familienleben passt.
Die Frage ist daher: Wie kann die Frage des Finanzamts korrekt beantwortet werden, um Rückzahlungen bzw Nachforderungen des Finanzamts zu vermeiden? Im Raum steht wohl der Verdacht, dass keine Gewinnabsicht besteht/bestand.
Wie lässt sich dieser Verdacht argumentativ entschärfen, so dass zumindest das Steuerjahr 2022 noch unter der Annahme versteuert wird, dass eine Gewinnabsicht bestand. Und erst im erfolglosen Jahr 2023 die Entscheidung gefällt wurde, die Selbstständigkeit aufzugeben. Ein Arbeitsvertrag für 2024 existiert bereits, so dass diese tatsächliche Entwicklung auch untermauert werden könnte. Die Kosten für den Arbeitsplatz außerhalb des Wohnsitzes sind natürlich auch real und dokumentiert.
Wer hat hierzu Rat?
2 Antworten
Wann wurde denn der Entschluss gefasst die selbständige Tätigkeit aufzugeben und eine Anstellung anzunehmen.
Das muss sich doch, wenn auch nicht taggenau, aber zumindest monatsgenau feststellen lassen.
Der späteste Zeitpunkt war der Tag der Kündigung des Bürocenters.
Steuerliche Konsequenzen?
Auf den Tag ist eine Aufgabebilanz zu erstellen. Der Einfachheithalber auf den 31. 12. 2023.
50 Jahre praktische Erfahrung zahlen sich aus. ;-) :-)
Danke für den Stern hilfreichsten Antwort. Ich profitiere wirklich nur davon, dass ich nach einem Berufseinstieg 1972 (Beginn der Lehre) und heute mit Arbeit in der Lüneburger Heide (wo ich meine Heimat habe udn Anfing), über Hamburg, Hannover, Santo Domingo, London, Rom, Zürich, Santo Domingo und andere Länder, einfach viel gesehen habe und nun mit 70 ein Fossil des Steuerrechts bin, was schmunzelt, wenn jungen Kollegen um Rat bitten.
Ich kann nur ahnen, dass das ein gutes Gefühl der Zufriedenheit ist. Alles Gute!🍀
Sie sagen also, die Entscheidung zur Aufgabe der Selbstständigkeit lässt sich mit dem Beginn des Bewerbungsprozess beschreiben. Das wäre eine realitätsnahe Position. Die Bewertungsphase und auch der neu geschlossene Arbeitsvertrag fallen in die zweite Hälfte 2023.
Da die Anstellung fachlich anschließt bzw. aufbaut auf die vorherige Selbstständigkeit, wäre das doch auch ein Argument dafür, dass es sich nie um eine Liebhaberei gehandelt hat, sondern nur um einen langsamen Entschluss unter wirtschaftlich zunehmendem Druck. Denke Sie man kann so argumentieren?
Liebhaberei kann es ja nicht gewesen sein:
Die Steuerjahre 2013 bis 2019 hat eine Person eine erfolgreiche freiberufliche Selbstständigkeit aufgebaut.
Einfach schreiben, dass die Bemühungen an die alten ERfolge anzuknüpfen nicht funktioniert haben und daher die Entscheidung getroffen wurde, zum 31. 12. 2023 aufzuhören.
Ab dem Zeitpunkt, wo nicht mehr die Absicht bestand, die Tätigkeit wieder aufzunehmen, liegt durch weiteren Ansatz der Kosten faktisch eine Steuerhinterziehung vor.
Man kann wirklich drei Jahre Erziehungsurlaub machen und trotzdem berufliche Kosten als Verlust ansetzen, obwohl man 2020, 2021 und 2022 keinerlei berufliche Aktivität entwickelt hat?
Wenn man glaubhafte Argumente hat, eventuell schon. Lebt man in einer Gegend, in der es fast unmöglich ist, Büroflächen anzubieten und muss daher in einer Babypause wohl oder übel das Büro behalten, um später wieder anfangen zu können - dann KANN das glaubhaft sein. Ob es eine solche Gegend allerdings überhaupt gibt?
Danke, das ist ja durchaus ein Aspekt. Der Büroplatz ist sehr günstig, optimal gelegen, und wäre so nicht wieder zu beschaffe.
Natürlich bleibt es am Ende eine Einzelfallprüfung. Umso wichtiger, dass man da nicht komplett uninformiert reingeht. Dankeschön für eure Einlassungen!
Genau darum geht es. Da sich wirtschaftliche Situationen und auch Lebensrealitäten immer im Wandel befinden, verändern sich auch Absichten. Allerdings oft erst mit zeitlichem Versatz.
Die Absicht, wieder Gewinne zu erzielen, ist mit der durchgängigen Anmietung des Büroplatzes ja durchaus belegt. Die Steuerersparnis wiegt diese Kosten natürlich nicht auf. Die Frage ist vielleicht, wie lange ein Finanzamt das zunehmend irrationale Festhalten an der Absicht die Selbstständigkeit wieder erfolgreich aufzunehmen, anerkennt. Gibt es dazu Richtlinien oder Urteile?
Nein. Du musst Deinen individuellen Fall glaubhaft machen.
Klar. Dennoch wenden Finanzämter ja geltendes Recht an, das letztendlich auch durch Urteile manifest wird und dadurch nachvollziehbar. Und das kann ja auch für eine effektive Erklärung der individuellen Situation hilfreich sein, um unnötige Schleifen der Kommunikation zu verhindern. Insofern ist jeder individuelle Fall immer auch im rechtlichen Kontext zu bewerten.
Ist natürlich Nischenwissen, aber hätte ja sein können, dass hier zufällig jemand gerade einen vergleichbaren Fall hatte.
Hatte ich - aber wenn bei diesem der zuständige Sachbearbeiter die Argumente für glaubhaft hält, lässt das immer noch keinerlei Rückschluss darauf zu, was der für Dich zuständige Sachbearbeiter von Deinen Argumenten hält 🤷🏻♂️
Gerade den Bescheid erhalten vom FA: Argumentation ging durch, genau wie @wfwbinder vorhergesagt hatte