Steuerrecht, Entfernungspauschale, zwei Wohnsitze
Guten Tag miteinander,
es geht um folgendes:
Ich habe einen Hauptwohnsitz, an dem befindet sich mein Lebensmittelpunkt (Familie, Freunde, Bekannte, Lebenspartnerin, Sportverein etc., ich denke, das ist hinreichend beleg- und begründbar, falls das Finanzamt da Zweifel haben sollte). Dann gibt es einen Zweitwohnsitz, an dem Ort, wo auch mein Arbeitsplatz ist (und an dem auch Zweitwohnsitzsteuer zu entrichten ist).
Ich bin nicht qualifiziert für eine doppelte Haushaltführung, darum geht es auch nicht, das möchte ich auch gar nicht erreichen.
Die Frage ist folgende: Wenn ich von meinem Arbeitsplatz zu meinem Hauptwohnsitz fahre (ca. 330km), am Freitagabend, um über das Wochenende an meinem Hauptwohnsitz zu sein, und dann am Sonntagabend oder Montagmorgen wieder zu meinem Arbeitsplatz bzw. Zweitwohnsitz zu fahren, kann ich für diese Fahrten die Entfernungspauschale beanspruchen und absetzen als Werbungskosten (also quasi an ~46 Tagen im Jahr)? Oder kann ich nur den kürzeren Weg vom Zweitwohnsitz zum Arbeitsplatz geltend machen? Nochmals, es geht hier nicht um doppelte Haushaltsführung und die dazugehörigen Heimfahrten, es ginge hier um den Arbeitsweg und was der Gesetzgeber als solchen ansieht.
Für Antworten, gerne auch etwas ausführend, falls Erfahrung oder Hintergrundwissen, bin ich sehr dankbar und wünsche einen guten Start ins Wochenende.
3 Antworten
Die Antwort findest du in § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 Satz 6 Einkommensteuergesetz.
Hat ein Arbeitnehmer mehrere Wohnungen, so sind die Wege von einer Wohnung, die nicht der ersten Tätigkeitsstätte am nächsten liegt, nur zu berücksichtigen, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Arbeitnehmers bildet und nicht nur gelegentlich aufgesucht wird.
Demnach wären die Fahrkosten abziehbar, wenn die Fahrt montags direkt (!) von deinem Hauptwohnsitz zu deiner ersten Tätigkeitsstätte durchgeführt werden. Wenn du einen Zwischenstopp bei deinem Zweitwohnsitz machst, sind nur die Fahrten ab dem Zweitwohnsitz abziehbar. Diesen Nachweis zu führen ist schwierig. In der Praxis scheitert es oft an diesem Punkt und das Finanzamt erkennt dann die Fahrtkosten nicht an.
Grundsätzlich sind steuermindernde Tasachen vom Steuerpflichtigen nachzuweisen. Meistens reicht aber eine Glaubhaftmachung aus.
Das Finanzamt wird üblicherweise davon ausgehen, dass du einen Zwischenstopp machst – z.B. um dich umzuziehen oder um einen Kaffee zu trinken. Das allein recht schon aus, um dir den Ansatz der Kosten zu versagen. Ich hatte schon einige dieser Fälle. Du kannst zum Beispiel durch Tankbelege (die von montagmorgens stammen) glaubhaft machen, dass keine Zeit mehr für einen Zwischenstopp ist, weil der Dienst z.B. um 8 Uhr beginnt und du um 5:30 Uhr an deinem Hauptwohnsitz getankt hast und die Fahrtzeit 2,5 h beträgt. Oder du kannst eine Art Fahrtenbuch führen, in dem du die Fahrten uhrzeitgenau notierst. Es sollte natürlich glaubhaft, d.h. der allgemeinen Lebenserfahrung nicht widersprechend sein. Wenn du beispeilsweise sechs Stunden Fahrzeit hättest, wird dir niemand abkaufen, dass du danach direkt zur Arbeit fährst und einen 9h-Tag reißt. Es kommt aber auch auf den Bearbeiter an.
Jedoch ist das alles natürlich unter der Voraussetzung, dass das Finanzamt überhaupt Nachfragen stellt. Wenn es das nicht tut (kommt vor), hast du Glück gehabt :)
Die "Beweislast" liegt bei einer Steuererklärung nicht beim Steuerpflichtigen. Beweislast gibt es vor Gericht!
Weiterhin halte ich Eulenhasser Vorschläge für sehr übertrieben. Schon seine Aussage "Das Finanzamt wird üblicherweise davon ausgehen, dass du einen Zwischenstopp machst " halte ich für sehr gewagt. Kein Finanzbeamter würde so was behaupten. Was wäre denn im "Extremfall" wenn das vor Gericht landen würde. Der Richter würde den Steuerpflichten fragen, "Fahren sie direkt nach Hause". Er würde dies bejahen. Dann würde das Finanzamt die o.g. Behauptung aufstellen. Der Richter würde dann nachfragen, welchen Anhaltspunkte... das Finanzamt für diese Aussage hätte. Und was sollen die dann Antworten? Haben wir uns eben ausgedacht?!?
Widerspricht auch der AO. Kleines Zitat: Abschnitt 73 AEAO AEAO zu § 88 - Untersuchungsgrundsatz:
Für den Regelfall kann davon ausgegangen werden, dass die Angaben des Steuerpflichtigen in der Steuererklärung vollständig und richtig sind (BFH-Urteil vom 17.4.1969 - V R 21/66 - BStBl II, S. 474). Die Finanzbehörde kann den Angaben eines Steuerpflichtigen Glauben schenken, wenn nicht greifbare Umstände vorliegen, die darauf hindeuten, dass seine Angaben falsch oder unvollständig sind (BFH-Urteil vom 11.7.1978 - VIII R 120/75 - BStBl 1979 II, S. 57).
Wenn ich lese "Ich hatte schon einige dieser Fälle" dann kann ich das nicht glauben. Weil das Finanzamt ja keinerlei Möglichkeiten hat ihre angebliche Unterstellung rechtswirksam zu begründen. "Wir haben uns da mal was ausgedacht.." reicht ja nicht.
Natürlich trägt der Steuerpflichtige die Beweislast für steuermindernde Tatsachen (u.a. BFH vom 14. Mai 1982, VI R 266/80, BStBl II 1982, 772 oder BFH vom 24. Juni 1976, IV R 101/75, BStBl II 1976, 562). Wer denn sonst? Allein aus praktischen Gründen wäre die Veranlagung kaum durchführbar, wenn die Finanzbehörde die Feststellungslast für die Widerlegung der Minderungstatsachen des Steuerpflichtigen trüge. Diese trägt jedoch die Feststellungslast für steuererhöhende Tatsachen.
Natürlich sind den Erklärungen des Steuerpflichtigen zunächst Glauben zu schenken. Jedoch gibt es erstens Finanzbeamte, die das (leider) nicht so ernst nehmen und zweitens ist diesen Erklärungen auch nur Glauben zu schenken, wenn nicht greifbare Umstände vorliegen, die darauf hindeuten, dass seine Angaben falsch oder unvollständig sind. Das können zum Beispiel Lebensumstände sein, die der allgemeinen Leberserfahrung widersprechen. Solche sind in der Regel zweifelhaft und bedürfen einer genauern Erläuterung bzw. Glaubhaftmachung. Die Finanzbehörde ist hier duchaus berechtigt, ja nicht sogar verpflichtet, in diesen Fällen Ermittlungen einzuleiten. Ich darf hierzu auch auf § 88 AO hinweisen.
Ungewöhnliche Lebensumstände sind zum Beispiel die Nichtaufsuchung der Zweitwohung nach einer langen Autofahrt in den Ort der Zweitwohung. Dies sahen wohl auch einige Finanzbeamte so, denn sonst hätte ich nicht "bereits einige solcher Fälle" gehabt. Der Fragesteller tut meiner Ansicht nach gut daran, den Nachweis bereits frühzeitig zu führen, um etwaigen Nachfragen entsprechend gewappnet zu sein.
Herr Eulenhasser, da haben sie aber was durcheinandergebraucht. Nochmals für sie: Die Beweislast gibt es nur vor Gericht. Im Veranlagungsverfahren gibt es die nicht. Also, so lange es um Steuerpflichtiger - Finanzamt geht, gibt es keine Beweislast!
Und auch ihr ihre weiteren Absätze machen es nicht besser. Lassen wir mal ihre Unterstellung gegenüber den Finanzbeamten unter dem Tisch fallen. Niemand hat behauptet, dass das Finanzamt alles glauben muss.
Auch ist es eine "abenteuerliche Behauptung" dass eine direkte Heimfahrt ohne ein vorherigen Besuch der anderen Whg. "ungewöhnliche Lebensumstände" sind.
Wie gesagt, ich zweifle arg daran, dass sie "einige solche Fälle" hatten. Ohne den geringsten Anlass, ohne den geringsten Hinweis... kann kein Finanzamt die entsprechende Erklärung widerlegen. Jeder Steuerberater hätte seine "Spaß" daran den entsprechenden Finanzbeamten im Einspruchsverfahren bzw. im Extremfall vor Gericht "vorzuführen".
Wie gesagt, ich halte die Tipps auch für sehr gewagt. Wenn ich schon lesen "Oder du kannst eine Art Fahrtenbuch führen, in dem du die Fahrten uhrzeitgenau notierst." dann kann ich nur den Kopf schütteln. Dieses selbstgebastelte Fahrtenbuch hat doch nicht mehr Aussagekraft wie jede Aussage, man wäre direkt gefahren. Wenn einem unterstellt wird, die generelle Angabe sei die Unwahrheit, dann ist auch ein selbstgebasteltes Fahrtenbuch in keinster Weise glaubhafter.
Oder die Sache mit dem Tankbeleg. Sie schreiben oben was von sich umziehen. Ein Tankbeleg, der Beginn der Tätigkeit und die Fahrtzeit würde ja in überhaupt nicht ausschließen, dass man in die Whg fährt, z.B. "den Koffer" kurz abstellt und sich umzieht. Dafür braucht man nur ein paar Minuten.
Fakt ist, wenn in der zweiten Wohnung niemand sonst wohnt, der die Angaben bestätigen kann, ist nur eine Glaubhaftmachung möglich, die auf das "Wort" des Steuerpflichtigen beruht. Ein selbstgeschustertes Fahrtenbuch wird nicht zu einer Verbesserung der Ausgangslage beitragen.
Fakt ist aber auch, eine Entscheidung eines Finanzbeamten in solchen Fällen, die auf nicht beruht, wenn er also z.B. einfach behauptet, es würde nicht der allg. Lebenserfahrung entsprechen, hätte nicht den geringsten Bestand.
Was soll es denn anderes sein als eine Beweislast, die der Steuerpflichtige gegenüber dem Finanzamt hat? Ich widerspreche in dieser Sache ausdrücklich. Wenn der Steuerpflichtige Werbungskosten in einer gewissen Höhe hat, diese aber bei der Veranlagung nicht belegmäßig nachweisen kann (die Gründe seien dahingestellt), was passiert dann? Dann soll das Finanzamt, weil der Steuerpflichtige keinen Nachweis zu führen bräuchte, allein deswegen keine Handhabe mehr haben, weil der Steuerpflichtige diese Ausgaben erklärt hat und diesen Angaben Glauben zu schenken ist? Um den alten Beamtengrundsatz aufzuwärmen: "Wo kämen wir da denn hin"?
Und was sollte es mir eigentlich bringen, hier wilde Geschichten darüber zu erfinden, ob ich bereits mit einem solchen Sachverhalt befasst war oder nicht? Welchen Vorteil zöge ich denn daraus? Oder stammen Ihre Zweifel an meiner Behauptung allein aus dem Umstand, dass es Ihrer allgemeinen Lebenserfahrung widerspricht, dass es solche Fälle bereits gegeben hat? Jedoch kann dies Ihrer Aussage nach kein Merkmal für etwaige Zweifel an meiner Aussage sein. Dennoch schenken Sie mir keinen Glauben. Ihr erster Verdachtsmoment gründet allein auf der Basis Ihrer Lebenserfahrung. Dass der Sachverhalt aus meiner Sicht so geschehen ist, ist aus Ihrer Sicht völlig unmöglich. Sie könnten mich ja jetzt auffordern, meine Aussagen entprechend zu belegen, zum Beispiel indem ich Ihnen geeignete Unterlagen zur Verfügung stellen würde. Wenn ich jetzt eine Nachweispflicht oder ggf. eine Vorlagepflicht hätte, wäre das ja kein Prblem für Sie. Allerdings haben Sie Pech: Ihnen muss ich leider gar nichts beweisen. Wenn Sie mir keinen Glauben schenken wollen, ist mir das egal. Andere Leute hätten allerdings mehr Glück als Sie. Wenn Sie zum Beispiel eine Finanzbehörde wären, könnten Sie mich auf Grundlage der §§ 90, 93, 97 AO auffordern, die Unterlagen vorzulegen. Schade eigentlich, dass Sie keine Finazbehörde sind.
Ich danke Euch beiden für Eure detailierten Ausführungen.
Ich werde diese Kosten geltend machen und bin gespannt, was daraus wird, man hört viel unterschiedliches darüber. Aber es bleibt ohnehin alternativlos, also einfach das Beste hoffen. Es geht mir ja nicht darum, etwas zu erschleichen, ich habe diese Fahrtkosten ja tatsächlich. Tankbelege habe ich natürlich auch, mal sehen.
Nein weil das deine privat sache ist das du immer heim fährst du könntest dir ja auch ne Stelle in der nähe suchen.
Antworte doch bitte nicht, wenn du dich nicht auskennst. Schau doch vorher wenigstens ins Gesetz!
das geht. Du kannst die längeren Strecken absetzen also von zu Hause zur Arbeit und die kürzenren unter der Woche auch.
Liegt da tatsächlich die Beweislast bei mir (bzgl. "Wenn du einen Zwischenstopp bei deinem Zweitwohnsitz machst, sind nur die Fahrten ab dem Zweitwohnsitz abziehbar. Diesen Nachweis zu führen ist schwierig.")?
Wie könnte man einen solche Nachweis führen, so dass er vom Finanzamt u.U. akzeptiert würde? Tankquittungen mit Datum und Uhrzeit?
Danke auf alle Fälle schon mal für das einschlägige Gesetz.