Private Schulden von Verstorbenen
Leider ist mein Vater vor einer Woche verstorben. Bei der Sichtung seiner Dokumente haben wir festgestellt, dass er einem befreundeten Ehepaar vor sechzehn Jahren seine gesamten Ersparnisse von 90.000 Mark geliehen hat, nachdem deren Haus abgebrannt ist. Zurückgezahlt haben die beiden ihm keinen Pfennig. Wir wussten zwar, dass mein Vater unseren Bekannten Geld geliehen hat und zutiefst enttäuscht war, dass dies nie zurückgezahlt wurde, aber wir haben im Leben nicht geahnt, um was für eine riesige Summe es sich gehandelt hat. Wir haben uns bloß gewundert, warum mein Vater, der früher gut verdient hat, in den letzten Jahren kaum Geld auf dem Konto hatte!
Es handelt sich um einen ganz einfachen, datierten Schuldschein mit den Unterschriften aller Beteiligten, auf dem weder ein Fälligkeitsdatum noch konkrete Rückzahlungsraten vereinbart wurden. Das Ehepaar ist vor wenigen Jahren gestorben, aber die Tochter lebt noch und hat das neue Haus der Eltern, das hauptsächlich durch das geliehene Geld meinen Vater finanziert wurde, geerbt. Können wir jetzt noch irgendwas unternehmen, um das Geld zurückzubekommen? Immerhin liegt die Schuld lange zurück und es leben nur noch die jeweiligen Erben...
3 Antworten
Erst einmal herzliches Beileid zum Tod Deines Vaters.
Deine Frage berührt eine ganze Reihe interessanter Rechtsfragen. Erst einmal wurde das Darlehen nach altem Schuldrecht gewährt, die Verjährungsfrist betrug damals 30 Jahre. Zwischenzeitlich haben wir im Jahre 2001 aber eine Schuldrechtsreform gehabt, und nach Art. 229 § 6 EGBGB verkürzte sich die Verjährungsfrist auf die Regelverjährung von drei Jahren (mit einer Ausnahme für Verbraucherdarlehen, aber das interessiert hier nicht).
Nun beginnt die Verjährungsfrist aber erst zu laufen, wenn das Darlehen fällig ist. Und dazu sagt Dein Schuldschein offenbar nichts. § 315 BGB bestimmt für diesen Fall, dass der Darlehensgeber den Rückzahlungszeitpunkt nach billigem Ermessen einseitig bestimmen darf. Ob Dein Vater das jemals offiziell getan hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Möglicherweise ist das Darlehen daher noch nicht einmal fällig und die Verjährungsfrist hat noch nicht einmal zu laufen begonnen. Das müsste man mal anhand der vorhandenen Unterlagen näher prüfen und sich dann überlegen, was die nächsten Schritte sind.
Mündliche Aufforderungen lösen natürlich auch die Rückzahlungsfrist und die Verjährung aus. Mündliche Forderungen wird die Tochter der Darlehensnehmerin aber wahrscheinlich nicht beweisen können, und Du kannst darüber nur Vermutungen anstellen. Da nach § 1967 Abs. 1 BGB die Erben für die Verbindlichkeiten des Nachlasses haften, könnte es also vielversprechend sein, jetzt die Darlehensrückzahlung zu verlangen. Da das eine ordentliche Summe ist, wäre möglicherweise an eine neue vertragliche Regelung über die Rückzahlung zu denken. Dazu würde ich an Deiner Stelle einen Anwalt hinzuziehen. Denke auch daran, dass die Tochter möglicherweise nicht die einzige Erbin ist.
Du bist ja echt ein Schatz! Super kompetente, hilfreiche Antwort. Die Tochter hat noch eine Schwester, die im Ausland lebt und vermutlich zur Hälfte geerbt hat. Müsste man beide anschreiben? Vermutlich ja, oder?
Die Erben haften nach § 2058 BGB gesamtschuldnerisch. Das bedeutet, Du kannst von einem Erben die gesamte Verbindlichkeit fordern, und wie sich die Erbengemeinschaft dann im Innenverhältnis ausgleicht, kann Dir egal sein. Praktisch ist es natürlich von Vorteil, alle Schuldner zu informieren, damit eine Lösung gefunden werden kann. Sollte aber z.B. ein Erbe insolvent geworden sein, dann kannst Du vom anderen Erben alles fordern. In Deinem Fall ist das auch praktisch, da die Vollstreckung im Ausland (jedenfalls außerhalb der EU) oft problematisch sein kann.
Vielen, vielen Dank! Deine Tipps sind sehr hilfreich und machen uns Hoffnung. Das tröstet uns ein bisschen in unserer Trauer um unseren Vater.
Ein Stolperstein könnte die Verwirkung sein. Offensichtlich war das befreundete Ehepaar vor deinem Vater gestorben. Und selbst dann ist er wohl nicht auf die Tochter zugegangen. Fragt euren Anwalt unbedingt bei der Beratung bereits, wie viel das zur Not auch vor Gericht kosten wird. Ein Selbstläufer ist das nämlich nicht.
Die Erben eines Gläubigers können natürlich auch an die Erben des Schuldners herantreten. Hier müsste man aber einige Fragen klären. Z.B. ob die Tochter (Allein-)Erbin geworden ist und ob der Anspruch nicht bereits verjährt ist. Interessant zu wissen wäre auch, ob die Darlehensforderung damals dinglich am Grundstück (Hypothek, Grundschuld) gesichert wurde.
Die Erbin hat noch eine Schwester, die im Ausland lebt. Die wird vermutlich auch geerbt haben. Eine Sicherheit wurde nicht festgehalten.
Meiner Ansicht nach kannst Du nichts machen, aber um sicher zu gehen, setzt Dich mal mit einem fachanwalt für diese speziellen Fälle in Verbindung, aber wie schon gesagt, zu 95% denke ich mal NEIN.
Danke für Deine schnelle Antwort. ich hab's befürchtet... :-(
Ich weiss ja auch nicht, ob sich das Geld da noch für eine anwaltliche Beratung rechnet. Trags mit Fassung.
Ist aber schon bitter, wie ein so hilfsbereiter Mensch wie mein Vater ausgenutzt worden ist. Undank ist der Welt Lohn. Das tut mehr weh als das verlorene Geld...
Gute Menschen werden immer ausgenutzt, leider, aber der Tochter kannst Du nun keine Schuld geben. Setz Dich doch mal mit ihr in Verbindung.
Tausend Dank, Du weißt ja echt gut Bescheid.
Ich vermute, dass mein Vater seinen Freunden gesagt hat, dass sie ihm immer dann was zurückzahlen sollen, wenn sie etwas übrig haben. Das hätte zumindest zu ihm gepasst. Was Schriftliches wie eine Mahnung habe ich in der Dokumentenmappe nicht finden können. Ich kann mich nur erinnern, wie enttäuscht mein Vater von unseren Freunden war, weil nichts zurückkam. Die Freundschaft ist daraufhin schon Jahre vor dem Tod des Ehepaares abgekühlt und bestand zum Schluss nicht mehr.