Mietminderung Jobcenter Hartz 4?

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SGB II (1) § 22 Bedarfe für Unterkunft und Heizung Absatz 1 Satz 1:

Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.

Und anlässlich einer Mietminderung um 100,- € je Monat sinken die "tatsächlichen Aufwendungen" des Mieters tatsächlich um 100,- €. Und mehr als diese "tatsächlichen Aufwendungen" darf das Jobcenter wegen des Gesetzes nicht übernehmen.

Das Zweischneidige daran ist allerdings, dass eine Mietminderung in der Regel zwei Zwecke erfüllen soll:

  1. Sie soll als Druckmittel dienen, um den Wohnungsgeber zu motivieren, die mangelhafte Wohnsituation zu verbessern - also insbesondere, wenn eine Reparatur vorzunehmen ist.
  2. Sie soll aber auch (oder nur) als materieller Ausgleich für einen immateriellen Schaden des Wohnungsnehmers dienen, also etwa als Schmerzensgeld für kalte Füße anlässlich einer schlechten Heizung oder Dichtung oder für Lärm oder Schmutz im Zuge von Baumaßnahmen.

Wenn also die Scheiben undicht sind und ein Gericht hält 100,- € Mietminderung für gerechtfertigt, hat der Selbstzahler 1. ein Druckmittel für eine baldige Schadensbeseitigung und 2. ein Schmerzensgeld für seine kalten Füße.

Die Nr. 2 wird derzeit aber wohl von keinem Jobcenter berücksichtigt. Und dies, obwohl Schmerzensgeld eindeutig ausgenommen ist von SGB II § 11 Zu berücksichtigendes Einkommen:. Denn es heißt ja in SGB II § 11a Nicht zu berücksichtigendes Einkommen Absatz 2:

(2) Entschädigungen, die wegen eines Schadens, der kein Vermögensschaden ist, nach § 253 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geleistet werden, sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen.

Und in BGB § 253 Immaterieller Schaden Absatz 2 heißt es:

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

So bekam ich mal ungefragt zwei Monate Miete erlassen, weil die Renovierung der Fassade meines Hauses Lärm und Staub verursachen würde.

Wer auf die Einbehaltung eines solchen Schmerzensgeldes und dessen Nicht-Anrechenbarkeit beim Bedarf an ALG II besteht, müsste also versuchen, eine Mietminderung zu splitten in

  1. Druckmittel,
  2. Schmerzensgeld.

Viel Glück dabei, Erfolgsmeldungen sind mir noch keine bekannt.

Gruß aus Berlin, Gerd

fabubo460 
Beitragsersteller
 10.03.2021, 09:27

Wow, ich bin überaus positiv überrascht. Vielen lieben Dank für die ausführliche Antwort und die damit verbundene Zeit. Es geht um meinen Mieter für meine vermietete Eigentumswohnung, welcher die Miete einfach über mehrere Monate auf € 0,00 gekürzt hat. Wohlgemerkt größtenteils für ausgedachte Schäden, die niemals existierten und jegliche Besichtigungen unsererseits ließ er nicht zu und sogar beauftragte Handwerker zur Begutachtung bzw. Schadensbeseitigung ließ er ebenfalls nicht in die Wohnung. Er war angeblich jedes Mal krank obwohl er sehr immer putzmunter draußen rumlief.  Ich wusste nicht, dass er die Miete vom JC bekam, weil er mich bei Vertragsunterschrift diesbezüglich angelogen hat. Gestern ist er still und heimlich ausgezogen und jetzt war ich in der Wohnung, deshalb weiß ich das die „Schäden“ größtenteils ausgedacht waren. Allerdings fordert er immer noch Schadensersatz obwohl er mich und die Handwerker über einen Zeitraum vom knapp einem Jahr trotz mehrmaligen rechtzeitigen schriftlichen Ankündigungen nicht in die Wohnung ließ. Aber ich gehe davon aus, dass ihm ein Schadensersatz nicht zusteht, weil er ja jegliche Besichtigungstermine unsererseits sowie die Termine der beauftragten Handwerker nicht zugelassen hat und die meisten "Schäden" ja auch gar nicht existierten.

Deine Antwort hat mir also in dieser Angelegenheit sehr weiter geholfen. Tausend Dank.

GerdausBerlin  10.03.2021, 13:10
@fabubo460

Interessant ist in solchen Fällen SGB II § 22 Bedarfe für Unterkunft und Heizung Absatz 7 Satz 2:

(7) Soweit Arbeitslosengeld II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn [...]

Ist dies der Fall, dass das Jobcenter die Miete direkt an den Vermieter überweist, muss der Mieter das Jobcenter anweisen, die Mietzahlung zu kürzen, wenn er ein Druckmittel haben möchte gegen den Vermieter, etwa, damit dieser notwendige Reparaturen ausführt.

Der Zug ist nun abgefahren. Falls der Mieter aber ALG II für Unterkunft bekommen hat, steht dieses Geld dem Vermieter zu - oder dem Jobcenter, soweit eine Mietkürzung berechtigt ist.

Der plausible Weg wäre hier: 1.) Mieter und 2.) Jobcenter und 3.) Vermieter einigen sich A) auf die Höhe der berechtigen Mietminderung je zurückliegenden Monat und auf B) die Höhe der künftigen Ausgleichzahlungen zwischen 1.), 2.) und 3.) und C) auf die Art und Weise der Leistung dieser Ausgleichzahlungen.

Kommt es zu keiner Einigung, kann jeder Berechtigte von einem Gericht feststellen lassen, wie A), B) und C) zu regeln sind.

Beispielsweise kann 2.) dem 3.) Mietkosten erstatten und diese von 1.) zurückfordern, soweit sie zu Unrecht übernommen worden und / oder von 1.) nicht an 3.) weitergeleitet worden waren. Eine Rückforderung gegen 1.) kann 2.) beispielsweise so organisieren:

Dann könnte es sein, dass das Jobcenter dem 1.) jeden Monat "10 Prozent des für die leistungsberechtigte Person maßgebenden Regelbedarfs" bzw. im Falle von § 34a "30 Prozent" abzieht von der monatlichen Überweisung des ALG II, was derzeit bei einem Single 30 Prozent von 446 € wären, also 133,80 € weniger ALG II im Monat.

Dies Geld stünde dann laut BGB dem Wohnungsgeber zu. Hinzu käme mutmaßlich zwingend eine Strafanzeige wegen StGB § 263 Betrug gegen 1.) Aber das ist nur eine von mehreren Möglichkeiten, wie ich die Rechtslage sehe.

Gruß aus Berlin, Gerd

Dass die Mietminderung dem JC zusteht, ist so direkt im Gesetzt nicht erwähnt aber im §22 SGB II steht, dass die tatsächlichen Kosten übernommen werden, soweit diese angemessen sind. Das ist eben die Schlussfolgerung daraus, was deine Frage beantworten müsste. 🙂

fabubo460 
Beitragsersteller
 08.03.2021, 20:09

Tausend Dank für hilfreiche Antwort. Damit ist mir wirklich sehr geholfen. Danke, danke, danke.

Macht doch nur Sinn . Du bekommst die Wohnung gestellt und bekommst gleichzeitig Geld zum Überleben . Bei der Wohnung gibt es ja einen Maximalbetrag und wenn dieser unterschritten ist , dann hast du halt Pech gehabt

fabubo460 
Beitragsersteller
 08.03.2021, 14:16

Danke für deine schnelle Antwort. Das dem Mieter die Mietminderung nicht zusteht war mir bereits gewusst. Meine Frage lautete: Wo finde ich die gesetzlichen Bestimmungen (Gesetzbuch, Paragraphen) darüber?

Der Mieter bezahlt doch keinen Cent Miete, dem Schröder sei gedankt. Beim Kohl war das davor anders.

Somit bekommt ein Job-Center auch die Gutschriften.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
fabubo460 
Beitragsersteller
 08.03.2021, 20:06

Danke für die schnelle Antwort. Doch dies war mir bereits bewusst (wie auch im Text erwähnt) . Meine Frage bezog sich explizit auf die genauen Gesetzesdaten wie Paragraf oder Gesetzbuch. Trotzdem danke für die Bemühungen.