Zustimmung zur Veränderung einer Stellenbeschreibung, Weisungsrecht, Arbeitsrecht
Hallo zusammen ...
Der Fall:
Der Arbeitgeber ist eine Hilfsorganisation mit Tarifvertrag in Anlehnung an den AVR. Die Stellenbeschreibung ist per Definition Anlage des Arbeitsvertrages. Ein Mitarbeiter erhält nun eine geänderte Stellenbeschreibung die ohne seine Mitwirkung und ohne Rücksprache mit ihm geändert wurde. Im Unterschriftenfeld der neuen Stellenbeschreibung steht "zur Kenntnis genommen". Falls er nicht unterschreibt, wird ihm die neue Stellenbschreibung unter Zeugen überreicht. Der hinzugefügte neue Part der Stellenbeschreibung betrifft die Vertretung einer anderen völlig fremden Abteilung, für diese besteht keine Ausbildung und Einweisung sowie kein Zugriff auf Arbeitsmittel und Dateien.
Der Arbeitgeber beruft sich ein sein Weisungsrecht und die Gewerbeordnung.
Meine konkreten Fragen bzw. eigenen Ansichten zu dem Fall:
Ist eine Stellenbeschreibung nicht ein WESENTLICHER Bestandteil des Arbeitsvertrages dem ich per Unterschrift zugestimmt habe?
Kann ein wesentlicher Bestandteil eines Vertrages - auch wenn es eine Anlage ist - nur zur Kenntnis gegeben werden?
Oder bedarf es hier nicht eigentlich einer Änderungskündigung?
Muss der Arbeitgeber nicht nachweislich dafür sorgen, dass neu definierte Aufgabe auch erfüllt werden können?
Kann der Mitarbeiter die Aufnahme der neu zugewiesenen Tätigkeiten verweigern, wenn ihm hierzu die Unterweisung und Mittel fehlen?
Besten Dank schon einmal an alle antwortenden und engagierten Arbeitsrechtler!
Gruß, Galsan
2 Antworten
Stellenbeschreibungen auf die ein Arbeitsvertrag verweist, sind Bestandteil des Arbeitsvertrages. Das heißt vom Grundsatz her, sie können nur mit beiderseitiger Zustimmung geändert werden.
Folgende Konstellationen sind denkbar: 1) Die Änderung der Tätigkeit liegt noch innerhalb der Stellenbeschreibung: Weisungsrecht des Arbeitgebers reicht, um eine andere Tätigkeit anzuweisen. KEIN beiderseitiges Einvernehmen nötig.
2) Die neue Tätigkeit weicht von der Stellenbeschreibung ab. Entweder einvernehmliche Änderung des Tätigkeitsbereichs durch einvernehmliches Weiterarbeiten. Dies kann auch durch faktisches Tun ohne Abänderung des Vertrages geschehen. Das Nachweigesetz schreibt zwar Schriftlichkeit vor, macht aber deswegen den Arbeitsvertrag bei Verstoß nicht unwirksam. Spielt der Arbeitnehmer nicht mit, so ist eine Änderungkündigung nötig.
Ob eine neue Tätigkeit von einer Stellenbeschreibung abweicht oder nicht, hängt sehr vom Einzelfall ab. Je weniger konkret eine Stellenbeschreibung ist, desto eher greift Punkt 1 und eine Vertragsänderung ist nicht nötig. Das ist der Vorteil einer ungenaueren Stellenbeschreibung.
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Spreche mit Deinem PR darüber.
Zitat: "Sie arbeiten bei uns, die Aufgaben werden ihnen noch mitgeteilt."
==> Letztendlich ist es so... Es gibt ja auch sehr viele (kleinere und mittelgroße) Unternehmen, bei denen keine Stellenbeschreibungen existieren. Darüber hinaus gibt es keine Vorschrift, solch ein Organisationsinstrument zu verwenden.
Fazit: Bei Unstimmigkeiten ergibt sich (vertrauensvoller) Gesprächsbedarf zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
... genau deswegen gehen viele Unternehmen schon wieder davon ab, überhaupt Stellenbeschreibungen zu erstellen bzw. zu verwenden.
Allerdings sehe ich im oben beschriebenen Fall aus arbeitsrechtlicher Sicht zunächst einmal keine Relevanz für eine Änderungskündigung, solange das Direktionsrecht des Arbeitgebers aus den arbeitsvertaglichen Vereinbarungen abgeleitet werden kann (z.B. "Der Arbeitnehmer hat jede gleichwertige und ihm zumutbare Arbeit zu verrichten..."). Eine Stellenbeschreibung als solche ist insofern als reines organisatorisches Hilfsmittel anzusehen.
Über diese Zumutbarkeit kann natürllich trefflich gestritten werden. Erfolgt keine Einigung, bliebe nur noch die Erhebung einer Feststellungsklage vor dem zuständigen Arbeitsgericht, wobei die Stellenbeschreibung jedoch wohl als Anscheinsbeweis zu werten wäre. Über die Situation im Unternehmen nach Gewinn oder des Verlierens des Prozesses (Stichwort "Spießrutenlauf") möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen...
genau deswegen gehen viele Unternehmen schon wieder davon ab, überhaupt Stellenbeschreibungen zu erstellen bzw. zu verwenden
Aber nicht im öffentlichen Dienst, wie hier.
Über die Situation im Unternehmen nach Gewinn oder des Verlierens des Prozesses (Stichwort "Spießrutenlauf") möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen
auch das ist im öffentlichen Dienst anders.
Ich möchte nicht als Besserwisser auftreten, aber ich glaube nicht, dass es sich im vorliegenden Fall (Hilfsorganisation mit Anlehnung an einen Caritasverband) um den Öffentlichen Dienst im eigentlichen Sinn handelt. Diese Organisationen handeln mittlerweile profitorientiert und "arbeitgeberisch" wie Arbeitgeber der freien Wirtschaft.
Richtig ist, dass es im reinen ÖD sicher etwas anders ist - aber auch hier ist der Wind schärfer geworden...
Ich kann Dir da nur bedingt Recht geben. Das BPersVg kann auch bei der Caritas o.Ä. Verbänden nicht ausgehebelt werden. Ich habe selbst einmal eine "Höhergruppierungsklage" geführt, die nicht einfach war und es hat keine "Probleme" oder "Konsequenzen" anschließend gegeben. Man hat als AN, wie überall Rechte und Pflichten und wenn einem Unrecht geschieht, soll man sich auch wehren. Leider trauen sich das (meine Meinung und Erfahrung) viel zu wenige Mitarbeiter. Zwar hat sich im ÖD in den letzten Jahren auch einiges geändert - nicht unbedingt zum Vorteil - aber man kann immer noch seine Rechte ohne Probleme einfordern. L.G.
Hallo geht nur mit Zustimmung ist schon fast eine Änderungskündigung. Wenn die Hilfsorganisation tarifgebunden gibt es doch sicher einen Personal- bzw. Betriebsrat. diese Massnahme ist dann mitbestimmungspflichtig nach §99 BetrVG. Beschwere dich dort, die sollen das klären. Ohne Einweisung geht das auch nicht.
Guten Morgen und besten dank für die rege entstandene Diskussion.
Dass das Thema sehr ungriffig ist, habe ich einigen Hinweisen gelesen, zwischenmenschlich ist alles gut, es geht um mein Rechtsverständnis. Denn in letzter Konsequenz muss ich tatsächlich die Sinnhaftigkeit von Stellenbeschreibungen in Frage stellen. Zumindest solange sie einseitig "mitgeteilt" bzw. geändert werden können. Dann kann ich einfach sagen, "Sie arbeiten bei uns, die Aufgaben werden ihnen noch mitgeteilt". Sicherlich sehr überspitzt, aber in der Tendenz so vorhanden.
Gruß und Dank