Warum ist man bei der Bundesagentur für Arbeit eigentlich "Kunde"?

5 Antworten

Nein, auch am Rathaus und Co bist du Kunde! Es ist richtig, du nimmst eine Denstleistung in Anspruch. Dienstleistungen sind Leistungen, die nur DIREKT am Kunden verrichtet werden können. Du kannst auch auf das Rathaus schlecht deinen Personalausweis alleine schicken, damit er sich doch bitte verlängern lässt und auch kannst du niemanden bitten, das für dich zu erledigen. Deine Haare gehen ja auch nicht ohne dich, oder mit Freunden zum Friseur.

Seit etwa Ende der 90er Jahre geht die öffentliche Verwaltung dazu über, ihre Organisation und ihre geamte "Denkweise" der der freien Wirtschaft anzupassen, um die recht knappen Mittel effizienter für die steigenden Aufgaben und Belastungen einzusetzen. Im Zuge dessen werden Leistungen als Produkte definiert und die Empfänger dieser Verwaltungsleistungen als Kunden.

Zum Weiterlesen: http://de.wikipedia.org/wiki/Neues_Steuerungsmodell

Faxesystm 
Beitragsersteller
 08.11.2013, 02:42

Meiner Meinung nach brignen solche Begriffe und Denkweisen dem Image der Arge Schaden und entfernen von dem ursprünglichen Zweck Arbeitslose unterstützend in ein angemessenes Arbeitsverhältnis zu bringen.

VirtualSelf  08.11.2013, 08:25
@Faxesystm

Irgendwelche empirischen Hinweise, die deine Meinung stützen?

Durch die Arbeitslosenreform 2003 -2005 unter Gerhard Schröder wurde gezielt das Verhältnis Arbeitsagentur (früher ja Arbeitsamt) und Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger (bis dahin im Sinne: Hilfesuchende) auf ein distanziertes Verhältnis Dienstleistung - Kunde gebracht. Die Mitarbeiter der Agenturen sollen Menschen, die Hilfe bei ihnen suchen aus der distanzierten Haltung von Anbieter und Kunden betrachten.

D.h. Empathie im Umgang mit hilfebedürftigen Menschen wird vom früheren Grundgedanken einer sozialen Unterstützung rechtlich, gesellschaftlich und juristisch auf eine oftmals rein ökonomische Maßnahme (Vogel friss oder stirb) reduziert.

Kunde und Kundenummer hört sich "schöner" an. Die versenden ja auch nicht wie die Polizei Vorladungen, sondern die Agentur für Arbeit und Jobcenter bezeichnen die Schreiben als Einladungen.

Frage einmal bei der nächsten Einladung nach Kaffee und Kuchen

Faxesystm 
Beitragsersteller
 08.11.2013, 02:38

Für mich hört sich "Kunde" völlig daneben an. Außerdem muss doch rein rechtlich alles stimmen und richtig definiert sein. Man könnte ja auf die Idee kommen und sagen: Der Kunde ist König ! Ich bin mit meinen Pflichten, jedes noch so perfide Arbeitsangebot anzunehmen, nicht einverstanden.

VirtualSelf  08.11.2013, 08:26
@Faxesystm

Der Kunde ist König !

Das ist inwiefern eine rechtlich saubere Schlussfolgerung?

andreas03o  08.11.2013, 02:36

und dabei könnt ihr dann über den Inhalt der "Eingliederungsvereinbarung" verhandeln - was du so gerne hättest.

Nicht erst seit Kaiser Wilhelms Zeiten gibt es den "Obrigkeits-Staat", der dem Bürger sagt, was er zu tun hat.

Aber schon damals gab es den "Rechts-Staat", in dem der Bürger auch Anspruch auf eine Leistung hat.

Dies gilt zwar auch gegenüber der Polizei, wo man eine Dienstleistung in Anspruch nehmen kann - also als "Kunde". Aber in der Regel befielt die Polizei ("Fahr'n Se ma rechts ran!") wie in einem Obrigkeitsstaat (vgl. "Der Hauptmann von Köpenick").

Dieses Image sollte von anderen staatlichen Stellen entfernt werden. Insbesondere von solchen, die dem Bürger eher Dienstleistungen erbringen sollten als sie bevormunden.

Umgekehrt sollte intern den Behörden-Mitarbeitern deutlich gemacht werden, dass der Bürger kein Bittsteller ist, sondern lediglich seine gesetzlichen Rechte in Anspruch nimmt. Das "Gnädige" und manchmal Herablassende, das in manchen Sozialämtern (aber früher auch bei Krankenkassen und Berufsgenossenschaften usw.) anzutreffen war, sollte deutlich abgewehrt werden durch das neue Verhältnis "Kunde" - "Dienstleister".

Immerhin hatte bis 2003 die sogenannte "verschämte Armut" (von Sozialwissenschaftlern) geschätzte Zigtausende davon abgehalten, zustehende Rechte wie Sozialhilfe zu beantragen. Deshalb wurde diese damals umbenannt in "Grusi" (Jetzt im SGB XII Kapitel 4), wenn man im Rentenalter war oder erwerbsgemindert.

Der nächste Schritt war dann Hartz IV und der Begriff "Kunde" unter Schröder und Fischer. So sollten neue Begriffe das Stigma des Bettlers nehmen von den Bürgern, die sich eben schämten, "Stütze" zu kassieren - und damit doch lediglich ihr Recht in Anspruch nahmen -, wenn sie in Not gerieten (etwa nach dem Ende des ALG I).

Gruß aus Berlin, Gerd