Verstösst § 183 Abs. 1 StGB nicht gegen das Gleichheitsprinzip im Grundgesetz?
Zufällig gerade bei Wikipedia gelesen: "... In allen übrigen Fällen kommt eine Strafbarkeit nach § 183 Abs. 1 StGB – exhibitionistische Handlungen – in Betracht. Täter einer solchen Straftat kann nur ein Mann sein; Exhibitionismus bei Frauen kann also nur nach § 176 StGB (Exhib. vor Kindern) strafbar sein. ... Elementar für den Straftatbestand ist die Belästigung einer anderen Person durch die exhibitionistische Handlung. Die Belästigung ist nicht gegeben, wenn die Reaktion des oder der Betroffenen Interesse, Verwunderung oder Mitleid ist..."
Übersetzt heißt dies ja: nur Männer können wegen Exhibitionismus bestraft werden. Frauen aber nicht (außer vor Kindern). Dies verstößt doch elementar gegen den Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz, oder?
Und was Interesse, Verwunderung oder Mitleid anbelangt: wie soll der arme Exhibitionist denn im Voraus wissen, ob die Frau Verwunderung oder Mitleid zeigen wird?
8 Antworten
Diese Frage habe ich schonmal beantwortet, hier meine kleine Erläuterung zu dem Thema:
Es gab vor einiger Zeit erst eine Verfassungsbeschwerde gegen diesen Paragraphen (§ 183 StGB), die jedoch fruchtlos blieb. Die Begründung der Ablehnung findet sich hier: http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk19990322_2bvr039899.html
Es ist also so, dass der Gesetzgeber von einem ausschließlich oder überwiegend männlichen Täterkreis ausging. Juristisch rechtfertigt das BVerfG die Ungleichbehandlung damit, dass es für diese Bestimmung das Prinzip der Gleichberechtigung von Mann und Frau aus Art. 3 II GG einfach für nicht anwendbar erklärt und bezieht sich dabei auf ein Urteil von 1957, in dem eine Beschwerde gegen die Strafbarkeit von Homosexualität verworfen wurde(!).
Meiner vollkommen unmaßgeblichen Meinung nach ist diese Ansicht überholt und die Zurückweisung der Verfassungsbeschwerde daher nicht richtig gewesen, denn selbst wenn der Täterkreis bei exhibitionistischen Handlungen mit großer Mehrheit aus Männern bestehen sollte (Statistiken liegen mir nicht vor), ist das noch lange kein Grund, Frauen für das mögliche Begehen ähnlicher Taten anders zu bestrafen.
Klasse Antwort. DH! Und ganz meine Meinung. Wo kämen wir denn hin wenn wir in unserem Rechtssystem, auf das wir so stolz sind, weil es eben allgemein formulierte Normen enthält oder enthalten soll, anfangen, für bestimmte Vergehen nur die Täter zu bestrafen, die den Großteil der Tätergruppe ausmachen!
Die Frage wurde ja schon zutreffend beantwortet, aber ergänzend sei gesagt, dass sich die praktische Relevanz dieser Norm sich in Grenzen hält, wäre dies anders, müsste der Gesetzgeber wohl handeln und eine Änderung vornehmen !
1999 hat es ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu § 183 Abs. 1 StGB gegeben . Die Verfassungsbeschwerde des Klägers wurde nicht zur Entscheidung angenommen, da Art. 3 Abs. 2 und 3 GG auf § 183 Abs. 1 StGB nicht anwendbar sei. Außerdem wurden noch weitere Begründungen genannt. Quelle: http://www.bundesverfassungsger icht.de/entscheidungen/rk199903 22_2bvr039899.html
Im Spiegel war dazu auch einmal ein Artikel und dieses Thema mit der Gleichheit wurde so am Rand erwähnt. Prinzipiell ist es natürlich problematisch, weil auch Frauen solche Handlungen begehen können, nicht nur vor Kindern sondern auch vor Männern und anderen Frauen. Aber ich denke, dass hier der Charakter einer "Bedrohung", die von der Handlung ausgeht, zugrunde liegen muss. Ich kann mir das nicht anders erklären, der Gesetzgeber hatte vielleicht im Hinterkopf, dass eine nackte Frau niemals bei einem Mann Bedrohung auslöst, sondern allenfalls Verwunderung oder Mitleid ;-) Vielleicht wird das Gesetz ja auch irgendwann geändert. Diskussionswürdig ist es allemal.
es gibt keinen Anspruch auf GLEICHbehandlung der Strafbarkeit einer bestimmten ==Handlung==. Die jetzige Gesetzesfassung ist also nicht verfassungswidrig.
Art. 3 GG wäre hier nur dann zu prüfen, wenn auch die genannten Gruppen im ==Täterkreis== genannt wären und somit auch deren Verhalten strafbar wäre. Wäre dies der Fall, läge sicherlich keine UNgleichbehandlung vor. Die hier vorgeschlagene alternive Gesetzeverfassung wäre also wohl AUCH verfassungsgemäß.
Fazit: Der Anspruch auf Gleichbehandlung ist wesentlich schwächer als der Anspruch auf Behebung einer nicht gerechtfertigten UNgleichbehandlung.