Hallo an alle Baurechtexperten, was bedeutet eine Abstandsbaulast?
Wir wohnen im Altstadtkern, zwischen unserem 6m breiten Haus und dem an unser Grundstück Grenzbebautes Nachbarhaus liegen weitere 6m. Unser Nachbar möchte Veränderungen an seinem Haus tätigen, dafür bekommt er nur eine Baugenehmigung wenn wir einer Abstandsbaulast auf unserem Grundstück zustimmen. Was bedeutet dies für uns? Wertverlust bei Verkauf? Was wäre wenn unser sehr altes Haus abgerissen und neu aufgebaut werden müsste, heißt das die neue "fiktive" Grenze liegt bei der 3m Abstandsbaulast? Welche Rechte hat der Nachbar dann z.B. Fenster einziehen? Vielen Dank
1 Antwort
Nun der Begriff Abstandsbaulast kann zwei Bedeutungen haben. Ich bin mir nicht sicher ob es beide in den anderen Bundesländern auch gibt, allerdings sind alle Bauordnungen anhand einer Musterbauordnung entstanden, von daher sollten diese Dinge nicht zu sehr voneinander abweichen. Was ich hier erkläre ist nur beim Bayerischen Baurecht sicher. Die Bauordnungen der anderen Bundesländer kenne ich nicht.
Bei uns ist es jedenfalls so:
Es gibt die Abweichung von den Abstandsflächen und die Übernahme von Abstandsflächen.
Die Abweichung von Abstandsflächen nach Art. 63 BayBO i.Vm. Art. 6 BayBO bedeutet, dass man für einen bestimmten Teil des Gebäudes die gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen ignoriert. Dieser Abweichung muss der betroffene Nachbar zustimmen, da er sein eigenes Recht auf Abstand einschränkt. Abstandsflächenrecht ist Nachbar schützendes Recht. Somit darf daran ohne die Zustimmung des Nachbarn nichts daran gerüttelt werden. Stimmst du einer Abweichung zu, sagst du nur, dass wir der Abstand egal ist. Gleiche Abweichung kann auch eine Abweichung von den Brandschutzvorschriften enthalten, um so Fenster auf der Grenze zu erlauben.
Was du schilderst ist aber wohl eher eine Abstandsflächenübernahme. Mit dieser Erklärung wird tatsächlich die Grenze fiktiv verschoben. Unterschreibst du eine solche Vereinbarung, erklärst du, dass du in dem bezeichneten Bereich, also mind. 3 Meter bis zur Hauswand deines Nachbarn, keine abstandsflächenpflichtigen Gebäude bauen wirst und selbst keine Abstandsflächen in diesen Bereich fallen lassen wirst.
Im Umkehrschluss heißt das, dass eine solche Übernahme nur möglich ist, wenn nicht bereits Abstandsflächen in diesen Bereich fallen oder gar abstandsflächenpflichtige Gebäude dort stehen.
Was bedeutet das konkret?
Das bedeutet, dass du in diesem Bereich lediglich abstandsflächenfreie Nebengebäude errichten darfst, wie z.B. ein Gartenschuppen oder eine Garage (soweit sie unter den Art. 6 Abs. 9 BayBO fallen). Solltest du einmal dein Grundstück verkaufen wollen, kann man dies durchaus als eine Wertminderung betrachten, da dieser Bereich nicht mehr bebaubar ist, selbst wenn es Innenstadtbereich ist und grunsätzlich baubare Fläche darstellt. Wird es einmal dazu kommen, dass du selbst an deinem Haus anbauen oder es ganz neu errichten willst, musst du immer diese 3m Abstand zusätzlich zu deiner Grenze einhalten. Somit muss das Gebäude mindestens 6 Meter von der Grenze stehen. Ist dein Gebäude an dieser Seite jedoch höher als 6 Meter (z.B. bei einem Giebel), kannst du das Haus nicht mehr an die gleiche Stelle setzen. Abstandsfläche ist in der Regel die halbe Höhe, jedoch mindestens 3 Meter.
In dieser Abstandsflächenübernahme ist automatisch auch der Brandschutzabstand von 2,5 Meter enthalten. Das bedeutet, dass er keine Brandschutzmauer auf der Grenze errichten muss und z.B. dünnere Steine und sogar Fenster einziehen darf. Dieser Abstand besagt weiterhin, dass auf dem belasteten (also deinem Grundstück) keine Brandschutzabstände innerhalb der 2,5 Meter fallen dürfen und keine Gebäude errichtet werden dürfen, die selbst Brandschutzabstand benötigen. Im Normalfall decken sich diese Gebäude mit den einfachen Grenzgebäuden. Beim Brandschutz kenne ich mich aber nicht soooo gut aus, könnte auch Ausnahmen geben.
Ich könnte jetzt noch weiter ins Detail gehen, aber ich glaube das sprengt den Rahmen. Eine Abstandsflächenübernahmeerklärung ist keine Sache, die man unüberlegt unterschreiben sollte. Damit belastet man sein Grundstück und schrenkt seine zukünftige Bauaktivität ein. Es gibt jedoch Gebäude, die man innerhalb einer solchen Übernahme errichten darf. Jedoch schließen sich alle Gebäude mit Aufenthaltsräumen automatisch aus.
Den vorgenannten Erklärungen von asavakit kann ich zustimmen, trotzdem solltest Du es für Dein eigenes Bundesland verifizieren.
In Hessen wäre es prinzipiell wie oben beschrieben, jedoch mit mittlere Gebäudehöhe (Fassade) in Meter x Faktor 0,4. Man kann also auch unter den 3,0m Grenzabstand liegen.
Bei Übernahme der Abstandsflächen (ganz oder auch nur teilweise) verlierst Du zwar rechtlich kein Teil vom Grundstück, jedoch bebaubare Fläche. Stehen sich 2 Gebäude gegenüber, müssen beide die Abstandsflächen einhalten. Wenn der Nachbar seine Fläche auf Dein Grundstück ganz oder teilweise rüberschiebt, musst Du mit einer späteren Bebauung um dieses übergreifende Mass zurückbleiben. Das heisst für Dich: kleinerer Baukörper.
Ich habe selbst aktuell einen vergleichbaren Fall. Mein Garten und der des Nachbarn sind nur ca. 8m breit. Ich möchte in meinen Garten direkt auf die Grundstücksgrenze zum Nachbarn bauen und Fenster einlassen. Meine Abstandsfläche wird somit auf seinem Garten liegen. Unsere Gärten sind als unbebaubare Fläche im Flächennutzungsplan ausgewiesen. Ich bin jedoch Anlieger an der Seitenstrasse und kann einen Antrag auf Abweichung stellen weil ich die Erschliessung gewährleisten kann (Zufahrt und Leitungen). Der Nachbar und die weiteren Nachbarn haben ein gefangenes Grundstück. Sein Grundstück ist auch mit Abweichung vom FNplan nicht bebaubar.
Ich zahle ihm für seine Zustimmung den m²-Preis des Grundstückes für die beanspruchte Fläche und trage die Kosten der Eintragungen im Baulastenverzeichnis zu meinen Gunsten. Rechtlich bleibt ihm das ganze Grundstück, links und rechts vom Haus kommt der Zaun wieder hin, sodass er auch sein ganzes Grundstück weiterhin alleine nutzt. Hammerschlagsrecht für Reparaturen und Wartung habe ich per Gesetz. Es nimmt ihm auch nichts von der GFZ-GRZ, denn dafür reicht mein eigenes Grundstück aus. Hätte er in seinem Garten bauen können, hätte ich ihm den m²-Preis für die beanspruchte Fläche x mögliche Geschosse gezahlt.
Mein Tipp: lass einen Architekten prüfen, was Dir tatsächlich entgeht, wenn Du vom Nachbarn die Abstandsflächen übernimmst. Nicht nur für den aktuellen Baustatus, sondern auch für Deine möglichen Anbauten. Kosten dafür dürften unter 300,- € liegen.
Und sonst: immer friedlich und freundlich mit den Nachbarn bleiben.
Tolle und ausführliche Erklärung! Um es auf den Punkt zu bringen: Wenn einem Nachbarn die erforderliche Abstandsfläche auf dem eigenen Grundstück fehlt, wird die Grenze fiktiv und zu deinen Lasten verschoben. Die Baulast wird in das Baulastenverzeichnis der Gemeinde eingetragen (keine Grundschuld!), und kann nur gelöscht werden, wenn alle drei Parteien zustimmen. In der Regel lässt man sich die Eintragung einer Baulast bezahlen.
Dieser Ausführung ist nichts mehr hinzu zufügen. 100% richtig erklärt. Beachtet vor allen Dingen den letzten Absatz. der ist entscheidend.!!!!!