Einfamilienhaus: Lebenstraum oder finanzielle Idiotie?
Ich bin gerade in dem Alter, in dem viele Bekannte und Freunde Familien gründen und sich die Frage stellen, wie sie sich Immobilienmäßig aufstellen wollen.
Ich bin manchmal erstaunt wie verbreitet der Traum vom Eigenheim dann doch ist. Und obwohl (oder vielleicht gerade weil) ich selbst so aufgewachsen bin, verstehe ich dieses Lebensziel nicht. Wahrscheinlich ist es vor allem eine Lifestyle-Präferenz, die die Häuschen-Fraktion von der Innenstadt-Fraktion unterscheidet.
Aber auch rein finanziell erscheint es mir total irrsinnig, was viele machen: allen freien Cash als Eigenkapital einsetzen und eine halbe Mio Kredit, um dann im Vorort oder Umland zwei Autos zu brauchen und überall hin fahren zu müssen. Die Objekte sind regelmäßig ähnlich teuer wie gute familientaugliche ETWs in innerstädtischen Lagen. Aber die mit diesem Lifestyle verbundenen „Betriebskosten“ scheinen mir durchaus beträchtlich, was Fahrtzeiten/-kosten und auch Instandhaltungskosten, Energiekosten etc angeht. Abgesehen davon dauert die Kinderphase doch nur 20 Jahre, und danach ist so ein Haus auch schnell überdimensioniert.
Übersehe ich da irgendwas?
Oder ist der Traum vom Einfamilienhaus wirklich vor allem ein irrationales Phantasma, das nur dann Sinn ergibt, wenn man den Lifestyle im Vorort und Pendeln richtig geil findet?
7 Antworten
Ich glaube du musst zwei Dinge trennen, Lifestyle und Finanzen. Während der Kauf einer Immobilie zum Vermieten ein rein finanzielles Thema ist, ist die eigene Immobilie eher eine Lifestyle Entscheidung. Klar kostet pendeln Zeit und Geld, wer aber dafür jeden Abend mit den Kindern im Garten ist, das Wochenende mit Freunden auf der Terrasse grillt etc, für den mag es trotzdem die richtige Entscheidung sein.
Ich würde mir bei der eigenen Wohnung erstmal darüber klar werden welchen Lebensstil ich möchte, und dann schauen ob ich mir das leisten kann. Selbst wen du nach 40 Jahren im Eigenheim vlt 100.000€ mehr Ausgegeben hast (was nicht so sein muss) wäre es das dich trotzdem Wert wenn du dadurch glücklicher bist.
Mag im Einzelfall stimmen. Ich kenne Stuttgarter Preise nicht. Mir scheint allein die Fahrtzeit, die man da „ausgibt“ extrem teuer. Aber das mag anderen Menschen anders gehen. Und es funktioniert mit Kindern eigentlich auch nur dann gut, wenn einer Teilzeit macht.
Ich kann die Frage von dir durchaus nachvollziehen und bei uns in der Region stellt sich mir manchmal auch die Frage, ob die derzeitigen Preise den Traum vom Eingenheim noch wert sind (auch wenn diese im Vergleich zu städtischen Vororten wohl noch vergleichsweise günstig sind). Aber das ist, wie die anderen ja auch schon geschrieben haben, auch abhängig vom Lifestyle und der individuellen Freiheit und was einem diese Umstände tatsächlich wert ist.
Ich habe das Glück gehabt, zu einer Zeit gekauft zu haben, als die Preise hier wirklich richtig unten waren und es ein absoluter Käufermarkt war. Das ist gut 15 Jahre her und seit dem haben sich die Preise stetig aufwärts entwickelt, in den letzten 3 Jahren sehr deutlich sogar. Somit könnte ich, wenn ich den damaligen Kaufpreis und die Investitionen berücksichtige, jetzt die Immobilien mindestens für das Doppelte verkaufen. Nützt mir aber nicht, weil ich aktuell gar keine Alternative finden würde oder ich mich (unter Einsatz des theoretisch erzielbaren Gewinns) deutlich verschlechtere.
Insofern wäre es für mich persönlich finanzielle Idiotie, aktuell hier ein Haus zu kaufen. Für den aktuellen Marktwert würde ich derzeit vermutlich noch nicht mal mein eigenen Haus kaufen wollen... Aber das ist eben auch das Resultat aus Angebot und Nachfrage.
Erst gestern habe ich einem befreundeten Pärchen vom Hauskauf abgeraten, da auf längere Sicht wieder mit einer Entspannung der Kaufpreise und Anstieg des Angebots zu rechnen ist. Großstadt wäre aber für die meisten Menschen hier auch keine ernsthafte Alternative, aber das ist eben nunmal auch eine ganz andere Art von Lifestyle...
Danke für deine Perspektive.
Dass man aktuell nicht unbedingt verkaufen möchte, kann ich auch gut verstehen. Es sei denn man möchte grundsätzlich an einen anderen Ort, oder sich verkleinern / trennen o.ä.
Vermutlich werden sich die Preise vor allem in solchen Regionen entspannen, die insgesamt eher vom demographischen Schrumpfen betroffen sind, wenn die zehnjährigen Finanzierungen auslaufen, die vor ein paar Jahren für 1.0% oder 1.5% abgeschlossen wurden. In Ballungsgebieten mit guten Jobs kann es aber Steckt man passieren, dass sich die Situation in manchen Segmenten noch verschärft. Aber das ist Spekulation und führt hier zu weit.
Ich habe inzwischen verstanden, es ist eigentlich vor allem eine Entscheidung für eine bevorzugte individuelle Lebensweise.
Also, wenn Eigenheim, dann käme für uns nur noch ein Tiny Haus in Frage, weil dort die Instandhaltungskosten überschaubar sind. Wenn die Kinder aus dem Haus sind könnten wir uns auch die Lösung von "Wohnwagon" aus Österreich vorstellen, dann hätten wir unser "Mobile Tiny home".
Die wenigsten Häuser, die man erwerben kann, sind altersgerecht gebaut. Auch wir hatten nicht wirklich darauf geachtet. Das heißt, es kämen dann nochmal Kosten für den Umbau auf uns zu - und das dann zur Rentenzeit. Ich bin der Meinung, das Modell "Eigenheim" hat auf lange Sicht ausgedient.https://www.youtube.com/watch?v=CV--1lckk30
Aus meiner Sicht ist die langfristige Planung die beste Basis.
Hast Du schon eine Idee, wie Dein Lebensabend aussehen könnte? Wo möchtest Du dann wohnen? Was machen (Gesundheit vorausgesetzt)?
Ich bin Rentner und lebe gern in der Großstadt, weil alles in der Nähe ist. Theater, Arzt, Supermarkt, Hauptbahnhof.
Unter dem Gesichtspunkt wäre der Kauf einer Wohnung, die Allein, oder zu Zweit der beste Wohnsitz für die Zeit nach dem Berufsleben ist, die beste Wahl. Die kann man ggf. in der Zwischen zeit sogar vermieten und so die Kredite steuergünstiger Tilgen, weil ja Abschreibungen und Zinsen von den Mieteinnahmen abzugsfähig sind.
Da könnte die Zeit, bis eventuell geplante Kinder aus dem Haus sind von jetzt bis in 25 Jahren, günstiger ein Haus, oder eine Wohnung gemietet werden. Aber was will man als Rentner, außer man will einen großen Haushalt führen.
Aber Wohneigentum im Alter ist eine hervorragende Rückversicherung, weil men eben "nur" die Nebenkosten zu zahlen hat, aber die Miete spart. Miete + Nebenkosten können bei einem Rentner aber leicht 1/2 der Rente erreichen und wir wissen noch nicht, wie sich die Rentenformel entwickelt.
Danke für die Perspektive.
So ähnlich haben meine Frau und ich auch gedacht und entschieden.
Aber auch für unsere Kinder sehen wir in der Stadt mehr Möglichkeiten. Gerade am Wochenende war ich in einer Kinderoper mit dem Kleinen. Und der große kann auf eine bilinguale Schule gehen. Ich persönlich habe keine sehr guten Erinnerungen an meine Pubertät in der gutsituierten Vorstadthölle, wo man mit dem Nahverkehr ewig fahren musste, um zu den Konzerten zu kommen, die mich interessiert haben. Mein Eltern haben es gut gemeint, aber ich wollte meinen Kindern das ersparen.
Und es ist wie Sie sagen, die Stadtwohnung bekomme ich jederzeit vermietet, falls wir nochmal ins Ausland gehen wollen, oder sonst neue Ideen oder berufliche Veränderungen anstehen, die uns zu einer Veränderung der Wohnsituation bewegen.
Ich kann dir nur sagen, was mich persönlich antreibt: meine persönliche Freiheit. Ich grille, wann und wo ich will auf meinen 1000qm, ich kann aussenrum laufen, im Grundbuch stehe nur ich alleine, ich muss niemand am Arsch kratzen, ich zahle kein Hausgeld bzw. ich wohne in einer Eigentumswohnung und letztendlich bin ich doch nur eine WEG, mein Abtrag an die Bank ist weniger als die Hälfte einer ortsüblichen Miete, EK waren 125TE, jetziger Wert 750TE. Zur Autobahn und in die Stadt sind es weniger als zehn Minuten. Meine Nachbarn hören mehr oder weniger freiwillig meine Musik und Samstag laufen hier die Kettensägen bei JEDEM. JA, ICH WÜRDE ES IMMER WIEDER GENAU SO MACHEN 😎☝️
Ok, verstehe, danke für deine Perspektive.
Freiheiten gibt es sehr unterschiedliche. Ich genieße eher die Freiheit, dass ich zu Fuß alle Arten von Kultur und Konsum erreichen kann. Und dass die WEG-Hausverwaltung den ganzen Handwerkerkram erledigt.
Aber ich muss einräumen, dass ich auch zusätzlich zu unserer Stadtwohnung noch ein Ferienhaus in der Natur habe, wo die Kinder auf Bäume klettern können, und ich den Grillfetisch ausleben kann. Insofern kann ich die Vorteile des eigenen Grundstücks durchaus einsehen. 👍
PS: Wieviele Jahre waren zwischen den 125k€ und 750k€?
Ja, die Trennung von Lifestyle und Finanzen ist ein hilfreicher Ansatz denke ich.
Wahrscheinlich ist es wirklich so banal, dass es eben unterschiedliche Vorstellungen vom guten Leben gibt, und Menschen entsprechend unterschiedlich ihr Geld einsetzen. Es fällt mir bloß so schwer zu glauben, dass das Einfamilienhaus als Lifestyle offenbar für viele so attraktiv ist, dass ich immer nach einem anderen Grund, wie z.B. niedrigere Kosten, gesucht habe, die ich nicht entdecken konnte.