Wo anfangen?
Es gab mal eine Zeit, als hinter dem gesamten Umsatzsteuersystem bzw. seinen Steuersätzen eine Systematik steckte. Ein Einführung des Allphasennettosystems war, glaube ich, 1967.
Damals gab es auch bereits den ermäßigten Steuersatz. Es gab eine Anlage zum UStG mit "Gegenständen" die der ermäßigten Satz unterlagen; es fing an mit den damals üblichen Fleischtieren, Fleisch, Fischen, tierischen Erzeugnissen, Pflanzen und pflanzlichen Erzeugnissen. Weiterverarbeiteten landwirtschaftlichen Erzeugnissen; Zubereitungen aus tierischen Erzeugnissen, sofern sie nicht bereits damals als Luxus galten (Kaviar, Hummer); Zubereitungen aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen; man hat dann noch an "Wasser" gedacht, Essig, und als Zeichen der damaligen Zeit war dann auch noch der unverarbeitete Tabak mit drin. Es wurde dann um mineralische Erzeugnisse ergänzt, die aber auch hauptsächlich der Ernährung dienen wie z.B. Salz. Nach Dünger und Gewürzen haben sie noch das Holz aufgenommen, vor allem Brenn- und Bauholz, aber nichts tropisches. Dann ging es an die geistige Nahrung wie Bücher, Zeitungen, Bilderbücher, Musikstücke, alle Arten von Karten und die damals unverzichtbaren Briefmarken. Dann fiel irgendjemandem auf, dass man zwar tierische Häute ermäßig hat, aber viele Klamotten aus Wolle gefertigt werden, so dass man die Wolle noch aufnahm. Dann kamen Vorrichtungen die das Leben Kranker und Körperbehinderter erleichtern sollen wie Rollstühle, Prothesen und Hörgeräte. Vermutlich hat sich dann noch ein Lobby eingeschaltet, denn Kunst und Sammelgegenstände waren auch noch dabei.
Es kam noch ein paar weitere Steuerermäßigungen vor allem für Tierzüchter, Pflanzenzüchter. Besonderheit war auch, dass man die Tätigkeit der Angehörigen der freien Berufe (Steuerberater, Rechtsanwalt, Notar, aber auch Künstler, Dozenten) auch als "lebensnotwendig" ansah, da auch deren Tätigkeit nur dem reduzierten Satz unterlag. Auch Einrichtungen die der geistigen Ernährungen dienten wie z.B. Museen unterlagen dem ermäßigten Satz und auch die Schwimm- und Heilbäder, sowie den ÖPNV hat man mit einem ermäßigten Satz versehen.
Sinn der ermäßigten Satzes war es, dass das was der Mensch zum Leben brauchte, ermäßigt erworben werden konnte, damit es eben "günstiger" ist.
Bäcker und Metzger zahlten bei den Zutaten nur 5% und durften die Zubereitung auch für 5% verkaufen; wer seine Zutaten selbst kauft und daheim zubereitet wurde auch nur mit 5% belastet. Selbst die Rohstoffe für Kleidung waren nur mit 5% belastet.
Restaurants waren ausgenommen, wer seine "Nahrung" nicht selbst zubereitet, sondern sich zubereiten lässt, der sollte nicht mit einem günstigeren Satz "belohnt" werden.
Im Laufe der Jahrzehnte wurde § 12 und/oder Anlage 1 immer wieder angepasst und das nicht unbedingt mit einem großartigen Konzept im Hinterkopf, sondern meist aus politischen Gründen.
In Erinnerung blieb mir vor allem die Absenkung des Steuersatzes für Hotelübernachtungen, wegen angeblicher Wettbewerbsnachteile mit dem Ausland. Oder die dämliche Absenkung auf 0% für das ganze PV-Zeugs, dass nach meinen Erkenntnissen nicht wirklich zu einer Vergünstigung geführt hat.
Und in der Anlage die inzwischen Anlage 2 war, wurde auch herum gedoktert. Sie haben nach X Jahren erkannt, dass das Pferd kein Fleisch- sondern ein Freizeittier mehr ist. Okay, dann kann es auch raus, aber die Nr. 55 ist ein gutes Beispiel wie man es nicht macht. Die namentliche Auflistung aller aktuell möglichen Artikel zur Monatshygiene erfordert, dass der Gesetzgeber bei der Erfindung eines neuen "Gegenstandes" tatsächlich wieder ein Gesetz ändern muss. Vom Abstraktionsprinzip versteht wohl keiner mehr etwas.
Was hat das ganze mit der Ausgangsfrage zu tun? Nicht viel, außer dass ich der Meinung bin, dass im UStG immer schlampiger gearbeitet wird, und dass die Absenkung der USt für Restaurants ein Fehler war.
Der Punkt ist ganz einfach. Eine Nahrungszubereitung unterliegt der Anlage 2 und ist mit 7% zu versteuern. Wenn jemand an Ort und Stelle isst, dann erbringt der Unternehmer keine Lieferung, sondern eine sonstige Leistung. Er stellt nicht nur eine Nahrungsmittelzubereitung zur Verfügung, sondern er bietet eine Möglichkeit zu sitzen an, er bietet Besteck an, dass er nachher reinigen oder entsorgen muss usw. usf. es ist also keine reine Lieferung von Nahrung mehr, sondern es ist mehr und daher hat es auch kein "Recht" auf eine ermäßigte Besteuerung.
Warum holen sich viele Leute in der Mittagspause etwas "to go" und setzen sich nicht in den Restaurationsbetrieb (gibt es das Wort überhaupt)? Weil sie es aus Zeit oder sonstigen Gründen nicht wollen; sie haben keine Zeit für "Jacke aus", sitzen, Karten lesen, auf die Bedienung warten, bestellen, auf das Essen warten, ggf. Smalltalk, essen, Bedienung rufen, bezahlen, gehen. Sie wollen einfach nur zügig ihre Nahrung und die irgendwo verzehren, damit sie etwas gegessen haben.
Es ist, nach meiner Auffassung also ein massiver Unterschied, ob ich die Pizza mitnehme oder vor Ort verzehre; daher "Schluss mit dem ermäßigten Steuersatz". Zudem kam dieser nach meiner Auffassung eh nie beim Endverbraucher an; es ist also lediglich ein höhere Marge für den Unternehmer (was so wohl auch beabsichtigt war) und die Gründe dafür sind weggefallen.