Warum gehen Bahnschranken schon so früh runter?

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Hallo,

zuerst wäre zu klären, ob es sich um eine Vollschranken- oder eine Halbsschrankenanlage handelt, das ist ein entscheidener Unterschied. Vollschranken werden von einem Wärter bedient und müssen systembedingt immer paar Minuten vorher geschlossen werden.

Zuggesteuerte Halbschrankenanlagen schließen im Optimalfall erst wenige Sekunden vor Durchfahrt des Zuges, aber nicht überall lassen sich solch kurze Schließzeiten realisieren, wenn z.B. eine Signalabhängigkeit besteht, geht das natürlich nicht.

Vielleicht kannst Du ein paar mehr Infos über den BÜ mitteilen:

  • Vollschranken oder Halbschranken?
  • Blinklichter, Lichtzeichen oder gar nichts?
  • Ein- oder zweigleisige Strecke?
  • Befindet sich ein Bahnsteig (Haltestelle) in der Einschaltstrecke?
daCypher 
Beitragsersteller
 20.02.2012, 14:53

Hi, erstmal Danke für deine Antwort.

  1. Es ist ein Banhübergang mit Halbschranken, also die Schranke geht nur über eine Fahrbahn. Die Seite, wo man von den Gleisen wieder runterfährt, hat keine Schranke.

  2. Da ist so eine Ampel mit Rot und Gelb auf beiden Seiten des Bahnüberganges und zusätzlich auf der Straße (Das ist eine T-Kreuzung, wo man auf den Bahnübergang abbiegt. Hier siehst du's: http://maps.google.de/?q=48.737438,8.3482583)

  3. Am Bahnübergang ist es eingleisig. Ein paar Meter weiter ist eine Haltestelle, da wird es zweigleisig.

  4. Also so etwa 50m weiter nördlich ist eine Haltestelle. Wenn der Zug an der Haltestelle steht, geht die Schranke erst runter, wenn der Zug weiterfahren will. Aus der anderen Richtung gibts aber diese 3-4 Minuten Wartezeit. Kurz hinter der Haltestelle ist nochmal ein Bahnübergang. Der ist zweigleisig. Da ist es aber das gleiche. Wenn man grade so noch bei Gelb rüberfährt, begegnet man dem Zug, wie er eine Haltestelle weiter grade anhält. Wenn er an der Haltestelle neben dem Bahnübergang steht, schließt die Schranke erst kurz bevor der Zug losfährt.

cchrisa  20.02.2012, 17:14
@daCypher

Ok, danke für die Infos.

Also es handelt sich um eine zuggesteuerte Lichtzeichenanlage mit Halbschranken im Bahnhofsbereich. Da gibt es unterschiedliche Überwachungsarten, eine davon ist Signalabhängigkeit, d.h das betreffende Hauptsignal kann erst auf Fahrt gestellt werden, wenn die Lichtzeichen auf rot sind und ich vermute mal stark, dass diese Anlage hier signalabhängig ist, das bietet sich bei Anlagen im Bahnhof einfach an.

Bei Fahrten aus Norden ist es so, dass der zuständige Fahrdienstleiter (Fdl) in Gernsbach wartet, bis der Zug abfahrbereit ist bzw. die Abfahrtszeit erreicht ist, dann die Bü-Anlage anschaltet und dann das Ausfahrsignal auf grün schaltet. So sind kurze Schließzeiten möglich. Bei einer Fahrt aus Süden kann der Fdl das Einfahrsignal, das sich südlich des Bü befindet aber auch erst auf grün schalten, wenn der Bü zu ist. Und da ist es natürlich nicht erwünscht, dass der Zug ein rotes Einfahrsignal bzw. ein gelbes Einfahrvorsignal "sieht", da es ihn behindern würde. Das Einfahrvorsignal wird irgendwo 1-2 km südlich des Bü stehen und das sollte dann schon auf grün sein, wenn der Zug daruf zufährt und das geht nur bei geschlossenen Schranken. Mit einem gewissen Puffer bedeutet das dann, dass der Bü angeschaltet werden muss, wenn der Zug noch 2-3 km entfernt ist, ansonsten würde er nicht grün sehen und müsste abbremsen (Fahrzeitverlängerung)

Nun führst Du an, dass es auch Anlagen gibt, die zeitoptimiert schließen, insbesondere auf freier Strecke. Das ist richtig, diese Anlagen sind dann aber nicht signalabhängig, sondern lokführer- oder fernüberwacht. Diese Überwachungsarten bieten Vorteile, haben aber den Nachteil, dass wenn ein Bahnsteig in der Einschaltstrecke liegt (hier von Norden der Fall), der Bü die ganze Zeit geschlossen bleibt. Heißt: Hätte man in Hilpertsau eine lokführerüberwachte oder fernüberwachte Anlage, dann hätte man aus Richtung Süden zwar eine kurze Schließzeit, aber aus Richtung Norden eine lange, da der Bü schon zugehen müsste, wenn der Zug noch ca. 1 km entfernt ist und der Zug danach ja noch am Bahnsteig hält.

Fazit: Wenn innerhalb der beiden Einschaltstrecken (vom Bü aus gesehen in jede Richtung ca. 1-1,5 km, je nach Tempo) ein Bahnsteig liegt, ist es mit klassischen Methoden nicht möglich, für beide Fahrtrichtungen kurze Schließzeiten zu realisieren.

Ich hoffe, ich konnte es verständlich rüberbringen, sonst einfach nachfragen ;-)

daCypher 
Beitragsersteller
 21.02.2012, 11:14
@cchrisa

Danke für deine sehr ausführliche Antwort. Jetzt hab ich auf jeden Fall schonmal mehr Einblick in die ganze Sache.

Also im Bahnhof von Gernsbach sitzt dann ein Fahrdienstleiter, der noch manuell nen Schalter umlegt, damit in Hilpertsau die Schranken runtergehen und der Zug grünes Licht kriegt? Ich dachte, das geht mittlerweile alles automatisch.

Ist es eigentlich wirklich nötig, dass dieses Einfahrvorsignal schon 1-2 km vor dem Bahnübergang ist? Das ist ja mittlerweile eine reine S-Bahn-Strecke. Die Bahn fährt auf grader Strecke normalerweise um die 70km/h. Ich denk mal, dass die bei einer Notbremsung locker in 100m anhalten könnte. (Gut, ich muss dazu sagen, dass in Gernsbach und den kleinen Orten südlich von Gernsbach einige große Kartonfabriken stehen, die bis vor einigen Jahren (ich glaub bis 2000) noch eine direkte Anbindung an den Schienenverkehr hatten. Also bis da sind auch ab und zu mal schwere Güterzüge auf der Strecke gefahren. Mittlerweile fährt neben den S-Bahnen nur noch viermal jährlich eine historische Dampflok da lang.)

Gibts eigentlich nicht die Möglichkeit, so ein Mischding aus fernüberwachter und signalabhängiger Anlage zu bauen? Also dass aus Richtung Süden die Schranke erst schließt, wenn der Zug noch so ca. einen halben Km weit weg ist und aus Richtung Norden erst, wenn der Zug von der Haltestelle wieder weiterfahren will? (Achso, es gibt auch noch einen "Eilzug", das ist auch eine S-Bahn, aber die hält nicht an der Haltestelle)

Tut mir Leid, dass ich dich mit der Frage so nerve :)

Manchmal, wenn ich sehe, dass die Schranken grade geschlossen werden, fahr ich auch einfach zu dem Bahnübergang weiter, der nördlich von der Haltestelle ist. Der wird ja erst geschlossen, wenn der Zug schon an der Haltestelle ist.

Aber danke nochmal für deine Antwort. Der Stern ist dir schonmal sicher (ich muss noch eine Stunde warten, bis ich ihn dir geben kann)

cchrisa  21.02.2012, 12:07
@daCypher

Hallo,

auch wenn da zurzeit keine Güterzüge fahren muss die Infrastruktur natürlich für normale Züge mit normalen Bremswegen ausgelegt sein, das ist gesetzlich so vorgeschrieben. Die S-Bahn mag bei einer Notbremsung nur 200 m aus 80 km/h brauchen, ein Güterzug bräuchte deutlich mehr und zudem ist nicht der Schnellbremsweg, sondern der Betriebsbremsweg maßgeblich. Es kann ja nicht sein, dass die S-Bahnen jedes Mal voll in die Eisen gehen müssen, wenn da ein Signal rot ist, sondern eine gemütliche, für die Fahrgäste und das Material angenehme, Bremsung muss auch reichen. Der Bremswegabstand liegt daher bei einer Streckenhöchstgeschwindigkeit von 80 km/h bei 700 m und bei 100 km/h bei 1000 m. Das ist der Abstand, in dem die Vorsignale vor den Hauptsignalen stehen müssen. Und das Einfahrsignal selber muss in ausreichendem Abstand (paar hundert Meter) vor der ersten Weiche des Bahnhofes stehen. So wird das Einfahrvorsignal von Hilpertsau halt irgendwo ca. 1-1,5 km vor Deinem Bahnübergang stehen.

Die ganze Strecke wird ja vom Stellwerk in Gernsbach gestellt, d.h. da sitzt ein Fahrdienstleiter der auf allen Bahnhöfen zwischen Gaggenau und Weisenbach für jeden Zug die Signale auf grün stellt und da ist es keine Mehrarbeit, wenn der vorher noch auf einen Knopf drückt und den Bü ansteuert, habe auch mal Bilder gefunden: http://www.stellwerke.de/bilder/rgs.html. Die Bahnübergänge der freien Strecke steuert der natürlich nicht an, die laufen komplett automatisch.

Nun zu Deiner letzten Frage: Ja, es gibt eine solche Lösung, nämlich die lokführerüberwachte Anlage mit Infrarotansteuerung. Aus der einen Richtung geht die Anlage immer an, wenn ein Zug über den Einschaltkontakt fährt, aus der anderen Richtung geht sie nicht von alleine an, sondern da muss der Lokführer sie mit einem Infrarotsender anschalten und das macht er erst dann, wenn er weiterfahren will. So werden lange Schließzeiten, während der Zug am Bahnsteig steht, vermieden. Das ist aber eine "nervige" Lösung und vor allem nicht geeignet, wenn auf der Strecke auch Eilzüge fahren, denn die würden dann ausgebremst werden.

daCypher 
Beitragsersteller
 21.02.2012, 13:15
@cchrisa

Ah, ok. Jetzt macht alles einen Sinn.

Nochmal Danke, dass du dir so viel Zeit für meine Frage genommen hast. Das ist wirklich ein sehr interessanter und tiefer Einblick in die Bahntechnik. Ok, dann seh ich die tägliche Wartezeit vor der Schranke jetzt etwas gelassener.

cchrisa  21.02.2012, 13:38
@daCypher

Danke für den Stern!

Pauli010  16.12.2018, 16:56
@daCypher

Wenn der Zug aus der anderen Richtung kommt, fährt er bereits nach dem Auslösebereich so langsam, dass nicht ausgelöst wird. Also muss der TF manuell auslösen. Früher geschah dies aufwändig mittels 'schlüsseln', der TF verlässt seinen Fahrstand und Zug, dreht mit einem Spezialschlüssel an einem Kästchen: er löst das Blinklicht / Schrankenschließung aus, nimmt dann Fahrt auf. Moderner: er verlässt den Fahrstand nicht und schaltet mittels Fernbedienung (gelbes Kästchen) das Blinklicht ein. Dies nervt den Kraftfahrer weniger - ist aber so.

Der Frühzug, letzte Zug, Servicezug fährt jedoch auch durch und löst somit per Annäherung bei Regelgeschwindigkeit aus. Nicht jeder Zug hält an der Haltestelle; es gibt Züge, die außerfahrplanmäßig fahren.

Wenn du es nicht verstehst, informiere dich beim Bahnzentralamt in Minden; dort werden die Regeln erteilt. Doch die werden dir das selbe sagen.

Wenn die Schranken wegen einer Störung nicht geschlossen werden muß der Zug noch rechtzeitig vorher anhalten können.

daCypher 
Beitragsersteller
 20.02.2012, 12:35

Wie schon bei ner anderen Antwort erwähnt: Das ist eine reine S-Bahn-Strecke. Die kann auch problemlos 20 Sekunden vorher anhalten. Außerdem ist 5km weiter eine Bahnschranke, die halt wirklich erst runter geht, wenn die S-Bahn schon in Sichtweite ist.

Stell dir vor du bist Vater und hast ne Frau mit 2Kleinkindern im Wagen. Dann fährste über den Uebergang und dein Motor geht aus. Wenn du jetzt nur 20 Sekunden hast reicht das nicht um den Motor zu starten, festzustellen dass es nicht mehr geht, die Kinder zu entladen und wegzurennen bevor der Zug kommt. Darum die 2 Minuten, weil dann hàttest du gut Zeit um den Wagen aus der Gefahrenzone zu schieben, oder eben deine Kinder zu retten. Ist zwar nervig die paar Minuten, aber wenn damit auch nur ein Menschenleben gerettet wird ist es das wert.

mfg

daCypher 
Beitragsersteller
 20.02.2012, 12:20

Naja, es geht hier um ne leichte S-Bahn. 50 Meter hinter dem Bahnübergang ist sowieso ne Haltestelle. Also wenn wirklich sowas passieren sollte, könnte die Bahn locker noch anhalten. Bei nem ICE oder Güterzug könnte ich deine Argumentation verstehen, aber halt nicht bei ner reinen S-Bahn-Strecke.

Außerdem ist zwei oder drei Haltestellen weiter auch eine Schranke, die nur 20 Sekunden vor der Bahn runter geht.

kinkelafuanda  20.02.2012, 12:24
@daCypher

Achso, ja ich wusste nicht dass es ne reine S Bahn ist und dass sie da langsam geht. Okay, jadann versteh ich s auch ned. :)

Pauli010  16.12.2018, 16:36
@daCypher

ob die S-bahn leicht oder schwer ist, spielt keine Rolle.

Doch gemäß Bahnbetriebsordnung ist die Zeit zwischen Auslösung der Schranke und der Passage des beschrankten BÜ abgestimmt auf die max. Geschwindigkeit, die in diesem Streckenabschnitt gefahren werden darf + Sicherheitsfaktor. Wenn der Zug den Auslösepunkt überfahren hat, sieht der TF ein Blinklicht, das seriell geschaltet ist und anzeigt, dass rotes Blinklicht blinkt bzw. Schranken schließen. Ist dies nicht der Fall, muss der TF am BÜ halten und darf im Schritttempo unter ständigem Abgeben von Signaltönen den ungesicherten Gleisteil am BÜ passieren,

So, nun

hält nicht jeder Zug an der Haltestelle, sondern es gibt Überführungs-, Gleisbauzüge, die dann die max. Geschwindigkeit fahren.

Der Regelzug jedoch, der fahrplanmäßig nach dem BÜ hält, muss vorher logischerweise abbremsen, braucht also ab dem Auslösepunkt länger, bis er den BÜ erreicht.

Kapiert?

Die Bahnanlage weiß nicht, welcher Zug kommt - es muss der vorher beschriebene Fall als Grundlage genommen werden.

Vielleicht ist das für einen Außenstehenden nicht einfach, doch die Regeln beinhalten diesen Fall. Solche BÜs gibt es hunderte in Deutschland.

Pauli010  16.12.2018, 16:43
@Pauli010

Es gibt auch vollautomatische Auslöser, da bekommt der TF eine Zwangsbremsung, wenn die Schranken nicht geschlossen sind.

Bei Schnellfahrstrecken gibt es keine BÜs (Neubau); Altbaustrecken werden grundsätzlich, sukzessive auf Unterführung (Straße) umgerüstet.