Schmerzensgeld nach schwerem Autounfall?
Guten Tag liebe Community,
ich hatte Ende Dezember 2018 einen sehr schweren Autounfall, bei welchem mir die Vorfahrt genommen wurde und ich unschuldig bin. Dabei erlitt ich u. a. eine schwere Fraktur des linken Oberschenkelknochens, eine Fraktur des linken Unterarms, des Brustbeins, die Rippen sind gefedert und habe meine Lunge aufgerissen (Pneumothorax), ein Traumata sowie diverse Prellungen und Schürfwunden. Insgesamt waren die Verletzungen laut Oberarzt mehr als lebensbedrohlich und ich musste zweimal notoperiert werden. Auch eine Thoraxdrainage und ein Katheter wurden verlegt.
Danach war ich 12 Tage im Krankenhaus (drei davon auf Intensivstation). Dank eines 40 cm-Nagel mitsamt Schrauben im Bein durfte ich dieses von Anfang an voll belasten, den Arm darf ich im Moment noch überhaupt nicht belasten (Schrauben und eine Platte). Die restlichen Verletzungen wie beispielsweise Brustbein und Lunge müssen von alleine heilen.
Mitte Januar habe ich nun also eine ambulante orthopädische REHA begonnen, in welcher ich natürlich bedingt durch den Arm und das Brustbein nur meinen Unterkörper etwas rehabilitieren konnte. Mittlerweile kann ich wieder ohne Krücken laufen, auch wenn ich etwas hinke und mein physischer Allgemeinzustand (Schmerzen usw.) hat sich gebessert.
Leider traten jedoch während meiner REHA-Zeit schwere psychische Probleme, bedingt durch den Unfall, in Form von Angstzuständen und Panikattacken auf, was laut Psychologen auf eine posttraumatische Belastungsstörung zurückzuführen ist (ich habe den Unfall bis auf kurze Zeit Bewusstlosigkeit voll erlebt). Eine Psychotherapie wurde laut REHA-Psychologin dringend empfohlen. Daher entließ mich die Ärztin nach regulärem dreichwöchigem Aufhalt und meinte, ich müsse mich jetzt vorwiegend um meine psychischen Probleme kümmern und einen Therapeuten kontaktieren. Mit der physischen Heilung meines Körpers wäre sie sehr zufrieden (obwohl ich wie oben bereits erwähnt zum Beispiel noch etwas hinke und den Oberkörper bisher null therapiert habe). Die psychischen Probleme hätten nun Vorrang und in einer Verlängerung sehe sie derzeit keinen Sinn. Dafür soll ich später für die weitere Genesung ein sogenanntes IRENA-Programm dual mit Physiotherapie nutzen.
Gestern habe ich in einem Artikel im Internet gelesen, dass die Dauer des Krankenhaus-/REHA-Aufenthalts ausschlaggebend für das Schmerzensgeld ist. Dies würde mich ziemlich ärgern, zumal ich nicht glücklich darüber bin, in einem solchen Zustand aufgrund meiner psychischen Probleme entlassen worden zu sein und gerne weiter gemacht hätte. Meine folgende Frage soll nicht gierig oder unmenschlich klingen, aber nach solch einem Unfall sucht man irgendwo verzweifelt einen kleinen Lichtblick...
Daher meine Frage: Stimmt dies wirklich, oder zählt eine Psychotherapie bzw. psychische Behandlungsmaßnahmen mitsamt IRENA-Programm und Physiotherapie genauso bzw. weitere Faktoren wie die Dauer der Krankschreibung ete cetera?
Ich bedanke mich herzlich für Eure Antworten!
8 Antworten
Hallo Ferbie333,
die Höhe des Schmerzensgeldes bemisst sich nach Art, Dauer und Intensität der erlittenen Beeinträchtigungen. Darunter fallen natürlich auch psychische posttraumatische Schadensfolgen. Diese können extrem vielfältig sein, bis hin zum dauerhaften Arbeitsplatzverlust.
Bei deinen Schilderungen würde ich ein Schmerzensgeld über 20.000,00 Euro annehmen. Sollten erhebliche sonstige Dauerschäden verbleiben, läge es über 25.000,00 Euro. Sollte eine über Jahre andauernde Therapie notwendige werden, auch über 30.000,00 Euro. Wenn aufgrund der Unfallfolgen eine Berufsunfähigkeit eintritt, kommt ein Betrag über 50.000,00 Euro in Betracht. Davon kann man derzeit bei Dir aber nicht ausgehen (IRENA-Programm steht an). Die Daten hierzu stammen von meiner Webseite https://www.rechtsanwalt-lattorf.de/schmerzensgeldtabelle/ bzw. beruhen auf meiner Berufserfahrung.
Für die Ermittlung der Höhe des Schmerzensgeldes können ganz viele Aspekte eine Rolle spielen. Die Tage im Krankenhaus, die Wochen in der Reha, die Wochen der Arbeitsunfähigkeit, der Grad der Behinderung, der Pflegegrad kann man gut zum Vergleich heranziehen, weil Zahlen sich eben gut vergleichen lassen. Zu berücksichtigen sind aber noch viele andere Aspekte, insbesondere die Schmerzen, Bewegungsbeeinträchtigungen und Komplikationen in der Heilung oder eben ein PTBS, ein Schmerzsyndrom oder eine sich daraus entwickelnde Depression und wie stark dein Alltag betroffen ist.
Die Länge der Rehabilitation ist also nur ein Anhaltspunkt von vielen. Wichtiger ist eigentlich das Ergebnis der Reha, wie es aus dem Reha-Bericht hervorgeht. Daher solltest Du Dich tatsächlich erst einmal um eine psychiatrische Behandlung kümmern. Der Behandler wird möglicherweise auch ein psychiatrische Reha empfehlen.
Erst nach Abschluss des gesamten Heilungsprozesses oder mit einer entsprechenden sicheren ärztlichen Prognose kann man das Schmerzensgeld endgültig sachgerecht ermitteln. Allerdings können Vorschüsse darauf zeitnah gefordert werden.
Ich hoffe, ich konnte helfen.
Mit herzlichen Grüßen
Lattorf
Rechtsanwalt
Vielen Dank für die ausführliche und tolle Antwort bezüglich meiner Frage!
Du hast bei so einem komplizierten Sachverhalt doch sicherlich einen Anwalt, oder? Wenn nein, sofort einen aufsuchen! Das wäre ja sträflich, wenn Du das in "Eigenregie" versuchst zu regeln.
Wenn Du einen Anwalt hast, verstehe ich nicht, was Du hier für eine "bessere" Information erwartest ... Frag' Deinen Anwalt - der ist a) Spezialist und b) vertraut mit Deinem Fall.
Verständlich - Du machst Dir Gedanken. Und auf gutefrage sind sicherlich auch Anwälte unterwegs. Aber die sind eben nicht mit Deiner Situation vertraut.
Daher - mit Deinem Anwalt sprechen. Viel Glück!
Vielen Dank! :)
Ein Schmerzensgeld ist GRUNDSÄTZLICH eine individuelle Forderung, die du höchst wahrscheinlich vor Gericht durchsetzen musst.
Dafür gibt es keine wirklich anwendbare Tabelle.
Das Schmerzensgeld kann auch erst festgesetzt werden, wenn der Heilungsprozess beendet wurde.
Das gleiche gilt für evtl. Dauerschäden.
Das heißt, das Schmerzensgeld ist umfassend und bezieht sich nicht lediglich auf einzelne Faktoren wie Aufenthalte in diversen Einrichtungen oder Ähnliches? Das Gesamtpaket, sprich der Gesamtaufwand am Ende entscheidet die Höhe?
Wie gesagt entscheidet das letztendlich ein Richter. Freiwillig zahlt der Versicherer dir keinen Cent.
FALLS dir eine Abfindung angeboten wird, solltest du SEHR vorsichtig sein und grundsätzlich nichts ohne deinen Anwalt unterschreiben.
Du hast doch hoffentlich einen Anwalt eingeschalten wg. der ganzen Unfallabwicklung???
Dieser fordert auch das Schmerzensgeld beim Unfallgegner bzw. bei der gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherung ein!
Gruß siola55
Jap, habe ich. Nur habe ich ihn heute leider nicht mehr erreicht.
Grundsätzlich werden die weiterführenden Maßnahmen (Psychotherapie, IRENA und Physiotherapie) nicht so hoch gewertet, wie eine attestierte Arbeitsunfähigkeit, jedoch besteht sicher die Möglichkeit im Rahmen der Psychotherapie eine weitere AU zu erhalten, wenn denn eine Kausalität zwischen Unfallereignis und den aktuellen psychischen Beschwerden fachärztlich festgestellt und attestiert wird.
Und wie sieht es mit der in der Frage beschriebenen Aufenthaltsdauer in bestimmten Einrichtungen aus? Ist quasi die attestierte Arbeitsunfähigkeit der wichtigste Faktor bei der Berechnung des Schmerzensgeld?
Nein, der wichtigste Faktor ist natürlich die gesundheitliche Beeinträchtigung, also Dauer und Intensität.
Das heißt, von A-Z fließt alles in die Berechnung des Geldes ein und bezieht sich nicht auf einzelne Faktoren, sondern auf das gesamte Ausmaß mitsamt Folgen?
Selbstverständlich, denn sowas übersteigt meine Kenntnisse. Aber wie unten bereits erwähnt, wollte ich diese Frage in Eigenrecherche lösen und habe gehofft, innerhalb der Community auf einen Anwalt oder Ähnliches zu stoßen.