Rundfunkbeitrag ALG II Vollstreckung
Hallo,
ein psychisch kranker Hartz IV-Empfänger hat sich bisher nicht um das Thema Rundfunkbeitrag gekümmert und sieht sich nun mit einer Beitragsforderung in Höhe von 323,64 € + 16 € Verzugsgebühr konfrontiert. Da er keine Rundfunkgeräte besitzt (also auch nie Rundfunkgebühr bezahlt hat), beschränken sich die Forderungen auf den Zeitraum 01/2013-06/2014 (18 Monate). Da alle Post bei ihm grundsätzlich ungelesen im Mülleimer landet, liegen auch keine Hartz IV-Beitragsbescheide/Bescheinigungen etc. vor.
Nun die Fragen:
1) Besteht die Chance einer rückwirkenden Befreiung?
2) Kann die Befreiung auch erstmal ohne Beilage einer Bescheinigung des Hartz IV-Bezuges zwecks Fristwahrung beantragt werden?
3) Wie kann es sein, dass dort seit 18 Monaten fleißig Rundfunkbeiträge auflaufen und die Rundfunkanstalt bisher nichts in Richtung Vollstreckung unternommen hat? Wann werden die üblicherweise diesbezüglich tätig?
4) Wie läuft eine solche Vollstreckung konkret ab (bzw. der Versuch einer Vollstreckung, bei dem betreffenden ist nichts zu holen)? Kann jemand aus Erfahrung berichten?
5) Stellt das Job-Center eine neue Bescheinigung aus?
6) Gibt es die Möglichkeit, dass das Job-Center die ausstehenden Beiträge übernimmt?
6 Antworten
- Eine rückwirkende Befreiung ist nicht möglich; allerdings wird rückwirkend für maximal 2 Monate befreit, wenn dem Antrag ein Bescheid über die Sozialleistung beigefügt ist, dessen Erstellungsdatum innerhalb der letzten 2 Monate liegt.
- Eine Befreiung kann auch ohne entsprechenden Nachweis beantragt werden. Wenn du das sofort machst, wird bei der Erstbeantragung jedenfalls noch der August befreit. Der Nachweis ist dann innerhalb einer vom Beitragsservice gesetzten Frist nachzureichen.
- Hier liegt eine zwangsweise Anmeldung vor, die erst ab diesem Jahr vorgenommen werden, weil man den Leuten erst die Chance der freiwilligen Anmeldung einräumen wollte. Da die Beiträge aber kraft Gesetzes auch für das Jahr 2013 angefallen sind, ergeben sich jetzt eben relativ hohe Summen, die nachgefordert werden. Bis man dann zur Vollstreckung kommt, sind einige Schritte wie Anmeldungserinnerung, Beitragsfestsetzung und Mahnung vorgeschaltet, die wiederum eine bestimmte Zeit benötigen. Die Vollstreckung wird regelmäßig 6 Wochen nach der letzten Mahnung an den Gerichtsvollzieher beauftragt.
- Wenn der Gerichtsvollzieher die Forderung nicht beitreiben kann, meldet er die Vollstreckung dem Beitragsservice als erfolglos. Die angefallenen Kosten landen dann beim Beitragsservice. Die Fa. Creditreform wird dann nach einiger Zeit nochmals versuchen, die Forderung beizutreiben.
- Das Job-Center müsste eine erneute Bescheinigung ausstellen.
- Das Job-Center übernimmt die Beiträge nicht.
- Am besten stellst du neben dem Befreiungsantrag auch einen Antrag auf Niederschlagung wegen Mittellosigkeit und psychischer Erkrankung. Die Niederschlagung würde in diesem Fall nämlich dem Beitragsservice auch Geld sparen (Vollstreckungskosten).
- Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheidet hier aus, weil diese nur möglich ist, wenn eine Frist versäumt wurde. Für den Antrag auf Befreiung gibt es aber keine Frist.
Dann müsste er doch einen Betreuer gestellt bekommen, der solche Aufgaben übernimmt.
Diese Gebühren sind angelaufen und auch fällig.
Leider gibt es keine Ausnahme, etwa weil man nichts von den Gebühren gewusst hatte.
Oder weil man nichts von der Ausnahme gewusst hatte für Bezieher von ALG II.
Oder weil man krank war und von gar nichts gewusst hatte.
Das ist deshalb befremdlich, weil es in vergleichbaren Fällen - etwa, wenn man erkrankt war und deshalb Fristen nicht wahrnehmen konnte - dieses Rechtsmittel gibt:
Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand.
In diesem Fall nützt es also nichts, wenn man beteuert: "Ich habe A) kein Empfangsgerät besessen oder B) betrieben noch C) von meiner Gebührenpflicht gewusst!"
Wem das suspekt erscheint, sollte das Bundesverfassungsgericht bemühen.
Ansonsten kann der Arme einfach die üblichen Mittel der Armen anwenden:
A) Bitten um Niederschlagung
B) Bitten um Stundung
C) Bitten um Ratenzahlung
D) Antrag auf Pleite, vulgo Anmeldung einer Privatinsolvenz.
Gelingt D, ist man nach sechs Jahren voller Wohlverhalten auch seine Schulden bei der GEZ los!
Jammern ist also erst mal nicht an der Tagesordnung, sondern A, B, C oder D!
Entscheidend ist jedoch, dass man rasch handelt, um unnötige Säumnisgebühren und Zinsen zu vermeiden. Zumindest in den ehrenvolleren Fällen A, B und C!
Gruß aus Berlin, Gerd
Ist Dir ein Fall bekannt, wo jemand erfolgreich um Niederschlagung von ausstehenden Rundfunkbeiträgen gebeten hat?
Nein, ich kennen keinen Fall. Mein Rat stammt aus dem Bereich der Krankenkassen, bei denen es die Satzung ermöglichen kann, eine Forderung niederzuschlagen, wenn die Erfolgschancen recht gering sind oder wenn eine weitere Verfolgung der Forderung eine besondere Härte darstellen würde - je nach Satzung.
Die Satzung der GEZ bzw. die ihres Rechtsnachfolgers kenne ich aber nicht.
Gruß aus Berlin, Gerd
Selbst beim Bezug von SGB - ll bzw.SGB - Xll,ist eine Befreiung von den Rundfunkbeiträgen erst möglich,wenn dort ein schriftlicher Antrag mit der Befreiung,die dem Bescheid vom Jobcenter oder Sozialamt beigefügt ist,eingegangen ist !
Eine rückwirkende Befreiung ist max.für 2 Monate möglich,wenn der Bescheid zum Beispiel zu spät kommt.
Deshalb wird auch eine erneute Anforderung von Bescheiden bzw.Befreiungen vom Jobcenter oder Sozialamt nichts bringen.
Es werden die Rückstände gezahlt werden müssen und wenn das durch eine Ratenzahlung in Angriff genommen wird.
Sonst wird irgendwann der Gerichtsvollzieher vor der Tür stehen.
Es wurden ja zu den Bescheiden auch die Befreiungen verschickt und somit ist das Jobcenter bzw. Sozialamt,ihrer Verpflichtung nachgekommen und wenn es die ausstehenden Beiträge übernimmt,dann sehr wahrscheinlich nur in Form eines zinslosen Darlehns.
Zumindest der aktuelle Bescheid wird ja schon was bringen, denn ansonsten ist ja auch keine Befreiung für die Zukunft möglich.
Bringt es was, jetzt den Antrag abzuschicken und den Bescheid dann im September nachzureichen? Gilt die Befreiung dann ab September oder erst ab Oktober?
Ein Antrag wirkt zunächst fristwahrend, auch wenn die Belege erst später nachgereicht werden, sofern dies nicht allzuspät geschieht. Denn auch für die Belege kann es eine Frist geben.
Gruß aus Berlin,l Gerd
Wenn ich das mit diesen 2 Monaten rückwirkende Befreiung richtig verstanden habe,dann müsste sogar eine Befreiung auf den alten Bescheid möglich sein,wenn die passende Befreiung mit dem Antrag auf Befreiung abgeschickt wird !
Ginge also angenommen der alte Bescheid bis zum 31.10.2014,müsste dieser ja normalerweise vom 01.05.2014 gültig sein.
Würde man also die Befreiung noch einmal bekommen und den Antrag im August noch einreichen,dann müsste diese Befreiung normalerweise auf den Juli und August greifen.
Wenn der alte Bescheid abgelaufen ist,also nur noch bis zum 31.08.2014 gültig ist und dafür keine Befreiung mehr zu beschaffen ist,kannst du den August normalerweise abhaken und musst auch noch keinen Antrag stellen.
Kommt dann der neue Bescheid,der dann ab 01.09.2014 Gültigkeit hätte,könntest du theoretisch den Antrag auf Befreiung im Oktober abschicken und die Befreiung würde dann rückwirkend ab September gelten.
Ich vermute mal stark, dass das Beginndatum des aktuellen Bescheides (01.04.14) maßgeblich ist, selbst wenn er jetzt noch mal ausgedruckt wird. Da seit dem 01.04.14 aber mehr als zwei Monate vergangen sind, wird es wohl nichts mit der rückwirkenden Befreiung, oder?
Wenn ich diese Regelung richtig gedeutet habe,dann spielt der Beginn des Bescheides keine Rolle !
Ist der Bescheid ab dem 01.04.2014 gültig,müsste er normalerweise bis 30.09.2014 gültig sein. Stellt man jetzt im August noch einen Antrag auf Befreiung,mit dementsprechendem Nachweis,dann müsste laut der Regelung eine Befreiung rückwirkend für längstens 2 Monate erfolgen,also bis einschließlich Juli.
Demnach müssten dann Juli / August / September befreit sein und dann wieder ab 01.10.2014,wenn die erforderlichen Nachweise mit Antrag auf Befreiung eingereicht werden.
Dann hätte man wieder 2 Monate Zeit,diese nachzureichen,also bis 30.11.2014.
Das mit der nicht möglichen Befreiung ist so nicht richtig. Zitat:
Was verschwiegen wird: Eine rückwirkende Befreiung ist möglich
Worauf der “Beitragsservice” der öffentlichen Rundfunkanstalten nicht hinweist: Die Vermutung, dass die angemeldeten Wohnungsinhaber Beitragsschuldner des Beitrages in Höhe von 17,98 € monatlich sind, kann nach § 14 Abs. 5 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages (RBStV) durch Übersendung der “Bescheinigung über den Leistungsbezug zur Vorlage bei dem Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio”, die jedem ALG II Bescheid als letzte Seite angefügt ist, widerlegt werden. Bezieher von Leistungen nach dem SGB II (ALG II) werden dann rückwirkend ab 01.01.2013 von der Beitragspflicht befreit.
Quelle: http://sozialberatung-kiel.de/2014/08/27/zur-ruckwirkenden-befreiung-vom-rundfunkbeitrag/
Bin selbst davon betroffen. Habe bisher auf die Schreiben bewusst nicht reagiert. Erst jetzt, nachdem ich einen Festsetzungsbescheid erhalten habe, kann ich wirksam durch Einlegen eines Widerspruchs und Nachweis über ALG2 Bezug gegen diesen vorgehen.
Nein eine rückwirkende Befreiung ist nicht möglich. Wenn er jetzt noch einen Antrag stellt mit einem gültigen Bewilligungsbescheid , dann wird er für Juli und August noch befreit..
Ja kann man, aber der Bescheid muss umgehend eingereicht werden. Rückwirkend 2 Monate, ab Antragstellung. Sofern die Bewilligung für den Bescheid auch für die 2 Monate vorliegt. Entscheidend ist der Bewilligungszeitraum.
Der neue Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ist seit 1.1.2013 in Kraft getreten. Ab dann ist der Vertrag wirksam. Aber die Briefe landeten doch fleißig im Müll :-)
Das Job Center kann u.a. neue Bescheinigungen ausstellen, jedoch sind diese dann ungültig für eine rückwirkende Befreiung.
Die ausstehende Beträge übernimmt das Job Center nicht.. Bzw..wäre mir neu..
Na ja wenn nichts zu holen ist, muss er die eid. Versicherung abgeben...
Am besten Kontakt mit dem Beitragsservice aufnehmen und den Fall schildern, eine Ratenzahlung anbieten und für die Zukunft einen Antrag auf Befreiung stellen.. Keine Briefe ungeöffnet und ungelesen in die Tonne kloppen!
Ok, bist Du Dir sicher mit den 2 Monaten rückwirkend? Wenn das Jobcenter jetzt den Bescheid oder die Bescheinigung neu ausdruckt, der Bewilligungszeitraum aber im März begann, ist es dann nicht zu spät für eine Befreiuung von Juli und August?
Hallo,
danke für Deine ausführliche und fundierte Antwort. Am interessantesten finde ich Punkt 7. Antrag auf Niederschlagung. Dazu habe ich folgende Fragen:
Sollte man den eingetroffenen Beitragsbescheid erstmal rechtskräftig werden lassen (also nicht widersprechen) und danach den Antrag auf Niederschlagung stellen oder sollte man dem Beitragsbescheid direkt widersprechen und da die Niederschlagung der Forderungen beantragen?
Hast Du Erfahrungen mit dem Antrag auf Niederschlagung bei psychischer Erkrankung? Sollte der Betroffene den selber stellen oder ein Bekannter mit Unterschrift des Betroffenen? Im hiesigen Fall ist es so, dass der Betroffene nicht in der Lage ist, selber ein Brief zu schreiben, es sei denn, man diktiert ihm.