Rechtsexperten: Verjähren Zinsen trotz Vollstreckungstitel?

4 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo "MosqitoKiller",

die getroffenen Aussagen in der von Dir verfolgten Sendung "markt" sind insoweit korrekt.

Geregelt ist dies in § 197 Abs. 2 BGB. Danach unterliegen regelmäßig wiederkehrende Leistungen der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Auch der Begriff der Zinsen wird u.a. von diesen "regelmäßig wiederkehrenden Leistungen" erfasst. Diese Vorschrift bildet einen Schutzzweck für den Schuldner der es verhindert, dass sich die Einzelforderungen zu hohen Beträgen ansammeln und schließlich einen Betrag erreichen, dessen Aufbringung in einer Summe dem Schuldner immer schwerer fällt (vgl. BGHZ 31, 329; BGHZ 80, 357; BGHZ 98, 174). Es soll also verhindert werden, dass die Verbindlichkeiten zu einer für den Schuldner erdrückenden Höhe anwachsen können. Auch rechtfertigt sich diese Vorschrift daraus, dass es bei regelmäßig wiederkehrenden Leistungen oft sehr schwer ist, sichere Feststellungen für eine Zeit zu treffen, die bis zu 30 Jahre zurückliegt.

Ob eine Leistung als regelmäßig wiederkehrende Leistung einzustufen ist, ist danach zu bewerten, ob es sich um nur eine Schuld handelt, deren Erfüllung nur zeitlich gestreckt wird, oder ob mehrere Ansprüche vorliegen, die in gleichartiger Weise gerade durch den Zeitablauf immer wieder neu und selbständig entstehen. Folglich gilt dies z.B. nicht für titulierte Verzugszinsen als Nebenforderungen beim Verbraucherdarlehen, (vgl. § 497 Abs. 3). Es gilt die 30-Jahre-Frist aus § 197 Abs. 1 BGB.

MosqitoKiller 
Beitragsersteller
 13.08.2013, 10:19

Das heißt also tatsächlich, ich müsste die laufenden Zinsen separat alle 3 Jahre titulieren?

Für mich ist das wie bereits geschrieben unlogisch. Zwar ist Deine Erklärung einleuchtend, ich verstehe aber nicht, warum die laufenden Zinsen dann ausdrücklich auf einem Vollstreckungsbescheid bei den titulierten Forderungen mit draufstehen. Das ist doch ein schwerwiegendes Dokument, das kann dort an der Stelle doch nicht nur rein informativ stehen...

WillLoman  13.08.2013, 11:19
@MosqitoKiller

Die laufenden Zinsen werden auf dem VB mit aufgeführt, da diese tituliert sind. Jedoch sind die Zinsen deshalb noch nicht rechtskräftig festgestellt, woraus sich auch die unterschiedlichen Verjährungsfristen ergeben. Lediglich rechtskräftig festgestellte Forderungen unterliegen der Verjährungsfrist von 30 Jahren (vgl. 197 Abs. 1 S. 3 BGB). Darunter fallen die Zinsen eben nicht und unterliegen demgemäß der regelmäßigen Verjährungsfrist.

WillLoman  13.08.2013, 11:28
@WillLoman

Entschuldigung, ich habe Deinen ersten Satz versehentlich überlesen.

Tituliert sind die Zinsen und das bleiben sie auch. Lediglich der Anspruch darauf kann verjähren. Die Verjährung kann jedoch gehemmt werden (vgl. §§ 203 – 209 BGB) oder gar neu beginnen (vgl. § 212 BGB).

Ausweislich Deiner hervoragenden Antworten hier bei GF - auch in rechtlichen Belangen - führe ich hierzu vorerst nicht weiter aus, da momentan nicht bekannt ist, ob dies nötig ist. Solltest Du jedoch Rückfragen haben, melde Dich bitte gerne wieder.

MosqitoKiller 
Beitragsersteller
 13.08.2013, 11:32
@WillLoman

Mich würde interessieren, was ich faktisch machen muss, damit die Verjährung gehemmt wird. Mir war das bisher nur über die Beantragung eines Vollstreckungstitels bzw. eine Klage bekannt, aber wenn dies hier nicht nötig ist, weil die Zinsen bereits tituliert sind, würde mich interessieren, wie ich die Verjährung hemme...

Dieser Sachverhalt ist mir komplett neu...

Danke für das Lob...

WillLoman  13.08.2013, 15:59
@MosqitoKiller

Vorab:

Sollte der Schuldner Zahlung leisten, die nicht für eine bestimmte Anrechnung bestimmt sind und für die gesamte Forderung nicht hinreichen, so gilt gem. § 367 Abs. 1 BGB die Rangfolge: Kosten vor Zinsen vor Hauptforderung. Folglich werden - nach den Kosten - die Zinsen vorrangig bedient.

Zur Verjährung der Zinsen kannst Du z.B. mit dem Schuldner vereinbaren, dass er mit Blick auf die Zinsen auf die Einrede der Verjährung eben dieser verzichtet.

Ist dies nicht möglich oder weigert sich der Schuldner, diese Vereinbarung mit Dir zu treffen, - ihm wäre es nicht verübeln - so würde die Verjährungsfrist der Zinsen neu zu laufen beginnen, wenn der Schuldner hinsichtlich der Zinsen durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise ein Schuldanerkenntnis abgeben würde (vgl. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

Ferner beginnt die Verjährung erneut, wenn Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt würden (vgl. § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB), wobei aber unbedingt § 212 Abs. 2 und 3 BGB zu beachten sind. Theroetisch könnte man nun alle drei Jahre Vollstreckungshandlungen vornehmen, um die Frist immer wieder erneut beginnen zu lassen.

Zudem könntest Du die Zinsen für den Zeitraum X selber im Mahnverfahren titulieren lassen, sodass auch für die Zinsen die Verjährungsfrist von 30 Jahren gilt, da diese sodann rechtskräftig festgestellt sind.

Sollten Dir keinerlei Möglichkeiten, wie die Vornahme von Vollstreckungsmaßnahmen, gegeben sein, kann u.U, auch eine Feststellungsklage zulässig sein, was aber an strenge Vorgaben geknüpft ist (vgl. BGHZ 93, 287).

MosqitoKiller 
Beitragsersteller
 13.08.2013, 17:01
@WillLoman

Das ist ja fatal, ich bin schockiert, ehrlich, ich weiß gerade gar nicht, was ich sagen soll...

Bei mir sind das alles alte Forderungen über insgesamt mehrere Zehntausend Euro, die ich alle nicht beitreiben kann, weil die Schuldner regelmäßig die EV (auch wenn es neuerdings anders heißt) abgeben. Derzeit frage ich in unregelmäßigen Abständen von grob 3 Jahren beim Amtsgericht nach und lasse mir sagen, dass die Schuldner bereits in den letzten 3 Jahren eine EV abgegeben haben und lege es wieder zu den Akten. Vollstreckungsmaßnahmen um die Verjährung zu hemmen sind also sinnlos. Nach dem was Du schreibst, bliebe mir dann - wenn ich das richtig verstanden habe - tatsächlich nur, die Zinsen alle 3 Jahre zu titulieren...

Das ist für mich - pauschal gesagt - der größte Blödsinn, denn ich je gehört habe. Bei freiwilligen Darlehensverträgen wird, ohne dass überhaupt ein Titel besteht, die Verjährung allein durch Nicht-Zahlung für 10 Jahre gehemmt, und bei einem durch Nicht-Zahlung aufoktruierten titulierten Zwangs-Darlehen verjähren die Zinsen nach 3 Jahren, und bleibt ansonsten praktisch zinslos. Diese Logik soll mal jemand verstehen...

Falls es wirklich so ist, wie Du schreibst, dass das mit dem Zweck so geregelt ist, damit dem Schuldner die Schulden nicht über den Kopf wachsen, ist das ja noch fataler. Der Schutz des Schuldners ist in Deutschland ohnehin meiner Meinung nach bereits zu hoch, so lasch wie Privatinsolvenzen gehandhabt werden. Aber dafür muss der Schuldner wenigstens theoretisch noch was tun (Wohlverhaltensphase etc.). Hier wäre es ja jetzt so, dass dem Schuldner ohne dass er dafür einen Finger krumm macht, jedes Jahr mindestens 5 % in den A.sch geschoben werden, nur damit sein Schulden nicht größer werden. Das kann nur ein Fehler und eine Lücke im Gesetz sein sein, ich kann mir nicht vorstellen, dass das so gewollt ist...

WillLoman  14.08.2013, 09:25
@MosqitoKiller

Ja, der Zweck der Vorschrift, dass regelmäßig wiederkehrende Leistungen im Rahmen der regelmäßigen Verjährungsfrist verjähren, ist eben der, die Gefahr des Aufsummens zu verhindern (in höchstrichterlicher Rechtsprechung anerkannt, so z.B. nachzulesen in NJW-RR 2008, 1235).

Was die Vollstreckungshandlungen angeht, liegt hier wohl ein Mißverständnis vor. Entsprechende Handlungen beziehen sich nicht nur lediglich auf die Vollstreckung des Titels, sondern können in einer Vielzahl an Handlungen gesehen werden. So werden Vollstreckungshandlungen als "alle das Vollstreckungsverfahren fördernden Maßnahmen" bezeichnet (vgl. Palandt, 64. Aufl., Heinrichs zu § 212 BGB, Rn. 10), auch höchstrichterlich festgestellt in BGHZ 93, 287; darin wird zu den Vollstreckungsmaßnahmen weiter ausgeführt. Demgemäß kann es eine Vielzahl an Handlungen geben, die die Verjährung neu beginnen lassen kann. Auch kann dies "im Rahmen des Verfahrens auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, §§ 899 ff ZPO, die Terminsanberaumung, die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung, die Anordnung der Haft und die Verhaftung des Schuldners" sein (vgl. Staudinger, BGB - Neubearbeitung 2009, Frank Peters / Florian Jacoby zu § 212 BGB, Rn. 45).

Ergebnisbetrachtet solltest Du daher Deine bisher vollzogenen Handlungen überprüfen (lassen), ob diese die Verjährung u.U. erneut ins Laufen gebracht haben. Auch sollten vielleicht zukünftige Maßnahmen für die Zukunft taktisch ausgerichtet werden, um die Verjährung der Zinsen zu verhindern.

Herzlichen Dank übrigens für den Stern.

MosqitoKiller 
Beitragsersteller
 14.08.2013, 09:59
@WillLoman

Den hast Du Dir mehr als redlich verdient, vielen Dank für die äußerst hilfreichen Antworten...

Trotzdem möchte ich nochmal nachhaken: Es gibt also keine festen Regeln, welche Vollstreckungsmaßnahmen die Verjährung hemmen oder gar neu beginnen lassen, bzw. gibt es so viele, dass man das selbst als erfahrener Laie gar nicht selbst prüfen kann, sondern im Einzelfall prüfen lassen muss?

Ich kann es noch immer nicht fassen...

P.S.: Hab gerade meinen Anwalt angerufen und ihn gefragt. Der war auch erstmal ratlos und wollte diese Auskunft nach Recherche natürlich auch nicht umsonst geben. Er meinte aber, wenn man alle 3 Jahre das Vermögensverzeichnis anfordert, würde das als Vollstreckungsversuch gelten. In diesem Sinne müsste die telefonische Nachfrage beim Amtsgericht meiner Meinung nach ja auch als Vollstreckungsversuch geltend (natürlich sofern sie nachweisbar ist)...

WillLoman  14.08.2013, 12:52
@MosqitoKiller

Sehr gerne.

Mir ist kein Katalog o.ä. bekannt, dem verjährungshemmende Vollstreckungsmaßnahmen zu entnehmen wären. Es verbleibt demgemäß dabei, wie bereits von Dir ausgeführt, den Einzelfall zu prüfen. Ob eine telefonische Anforderung des Vermögensverzeichnisses bei dem zuständigen Amtsgericht als verjährungshemmende Vollstreckungsmaßnahme einzustufen ist, vermag ich hier aus der Ferne nicht zu beurteilen, ich bedaure.

Zugleich möchte ich zu meinen Ausführungen der Möglichkeiten, die Verjährung der Zinsen zu verhindern, ergänzend darauf hinweisen, dass mangels Rechtsschutzbedürfnis eine erneute Titulierung der Zinsen als unzulässig verworfen werden könne. Es würde immerhin eine titulierte Forderung erneut tituliert. Jedoch ist hier fraglich, ob der Mahnbescheid mangels Prüfung durch das Gericht und bei Unkenntnis des Schuldners - kein Widerspruch - nicht doch erlassen wird und in einem VB mündet ;)

Es verbliebe demnach bei den Vollstreckungsmaßnahmen sowie einer möglicherweise im Raume stehenden Feststellungsklage.

ja, nach 3 Jahren.

Alles was tituliert ist (auch die Zinsen bis zur Titulierung als Nebenforderung) muss gezahlt werden.

Allerdings verzinst sich die Gesamtforderung ja weiter.

Jedoch müsste für die Zinsen hierauf ein neuer Vollstreckungstitel vorhanden sein, ansonsten sind alle nicht titulierten Zinsen die vor dem 01.01.2010 entstanden sind verjährt. Zinsen aus dem Jahr 2010 verjähren am 01.01.2014.

MosqitoKiller 
Beitragsersteller
 12.08.2013, 21:42

Jedoch müsste für die Zinsen hierauf ein neuer Vollstreckungstitel vorhanden sein, ansonsten sind alle nicht titulierten Zinsen die vor dem 01.01.2010 entstanden sind verjährt. Zinsen aus dem Jahr 2010 verjähren am 01.01.2014.

Sind denn diese Zinsen nicht in den Titel inbegriffen? Immerhin lautet der Titel ja z.B. auf die Hauptforderung "zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins auf die Hauptforderung ab xx.xx.xxxx". Für mich ist das komplett unlogisch, dass auch die nachfolgend anfallenden Zinsen da drauf stehen, aber nicht Bestanteil des Titels sein sollen...

kevin1905  12.08.2013, 23:50
@MosqitoKiller

Wenn ich einen Titel über eine Summe X habe und dazu kommen weiter Zinsen Y, so ist Y nicht tituliert und unterliegt damit der normalen Regelverjährung.

Wenn nicht wäre es für manche Schuldner quasi unmöglich jemals ihre Schuldzurück zu zahlen, womit m.M.n. ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vorläge.

Würde das stimmen, müßte sich auch jede Bank nach 3 Jahren ihre Zinsforderung auf ein Darlehen titulieren lassen. Bei Verträgen mit 20jähriger Laufzeit wäre das sehr ärgerlich ;-)

Das ist natürlcih Unsinn. Besteht die Hauptforderung zurecht, können auch die Zinsen zurecht gefordert werden. Notfalls auch für 30 Jahre.

MosqitoKiller 
Beitragsersteller
 12.08.2013, 21:38

Würde das stimmen, müßte sich auch jede Bank nach 3 Jahren ihre Zinsforderung auf ein Darlehen titulieren lassen

Das muss sie auch. aber dieser Fall wird nicht eintreten, da bis dahin längst der Vertrag gekündigt und die Gesamtforderung inkl. Zinsen tituliert ist...

Besteht die Hauptforderung zurecht, können auch die Zinsen zurecht gefordert werden. Notfalls auch für 30 Jahre.

Auch die Zinsen, die nach der Titulierung entstehen?

MosqitoKiller 
Beitragsersteller
 12.08.2013, 22:10
@skyfly71

Das gilt aber nur für Darlehensverträge, aber nicht für Zinsen auf titulierte Forderungen...