Pflicht-Überstunden werden immer abgezogen, auch wenn man im Urlaub war, ist das zulässig?
Nach meinem Arbeitsvertrag habe ich eine 38,5 Stundenwoche. Ebenfalls sind 6:40 Überstunden mit dem Gehalt abgegolten. Ziel ist es, auf eine 40 Stundenwoche zu kommen, da ich zwar tariflich angestellt bin, aber mehr Gehalt bekomme (aber unter der Beitragsbemessungsgrenze). Damit habe ich jetzt auch kein Problem.
Allerdings werden Urlaubstage nur mit 7,7 Stunden berechnet. Und am Ende des Monats werden immer diese 6:40 Stunden vom Gleitzeitkonto (auf dem nur die Überstunden auflaufen) abgezogen, egal ob die jetzt da sind oder nicht. Und das sind die nicht, wenn ich in einem Monat mal länger Urlaub nehme, denn dann kann ich diese Stunden kaum sinnvoll erwirtschaften. Ich werde also quasi für Urlaub bestraft, indem ich diese Überstunden nacharbeiten muss (das darf man dann im folgenden Monat machen).
Ist das rechtlich zulässig? Wie gehe ich am Besten dagegen vor?
7 Antworten
Das Problem ist weit verbreitet:
Der Arbeitnehmer wird mit der vereinbarten Arbeitszeit X eingestellt, arbeitet aber regelmäßig mit der Arbeitszeit X+; beim Urlaubsentgelt und bei Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und bei Feiertagen zahlt der Arbeitgeber aber nur für die Arbeitszeit X - und spart Geld gegenüber einem Arbeitnehmer, der mit einer Arbeitszeit X+ eingestellt ist.
Das Vorgehen Deines Arbeitgebers ist nicht rechtskonform!
Zwar bestimmen sowohl das Bundesurlaubsgesetz BUrlG in § 11 "Urlaubsentgelt" wie auch das Entgeltfortzahlungsgesetz EntgFG in § 4 "Höhe des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts" Abs 1a, dass bei der Berechnung des vom Arbeitgeber zu zahlenden Entgelts nicht das Geld zu berücksichtigen ist, das für Überstunden gezahlt wurde.
Das gilt aber nicht für Überstunden, sofern sie regelmäßig geleistet wurden: In diesem Fall muss das Entgelt für Überstunden bei der Berechnung des Urlaubsentgelts und der Entgeltfortzahlung bei Krankheit und an Feiertagen berücksichtigt werden!
Dazu gibt es einige Gerichtsurteile bis zum Bundesarbeitsgericht: BAG-Urteil vom 21. November 2001 - Az.: 5 AZR 457/00 (siehe die Pressemitteilung des BAG auf: http://archiv.jura.uni-saarland.de/Entscheidungen/Bundesgerichte/BAG/BAG77-01.html ).
Im Übrigen verfährt Dein Arbeitgeber ja auch noch doppelt falsch:
Zum Einen bezahlt er (z.B beim Urlaubsentgelt) nur die vereinbarten Stunden und nicht die regelmäßig geleisteten Überstunden - und außerdem zieht er zum Anderen dann auch noch die nicht geleisteten Überstunden vom Gleitzeitkonto ab!?!? Das ist doppelter Betrug!
Du kannst selbstverständlich mit Hinweis auf diese Rechtsprechung den Arbeitgeber zur Berücksichtigung Deiner regelmäßig geleisteten Überstunden auffordern; das ist natürlich auch eine Frage Deines "Standigs" gegenüber Deinem Arbeitgeber und in wieweit Du zu einer Auseinandersetzung mit ihm bereit bist; und leider sind viel zu oft "Recht haben" und "Recht bekommen" zwei völlig verschiedene Dinge ...
Ich muss fairerweise sagen, das das so abgesprochen war, ich bin mit meinem Wunschgehalt eingestellt worden und sollte dafür 40h/Woche arbeiten (wie meine direkten Kollegen auch). Das ist ja auch in Ordnung so, das wusste ich ja vorher.
Richtig: Dagegen ist nichts einzuwenden.
Das ändert aber nichts daran, dass der Arbeitgeber Deine tatsächlich regelmäßig geleistete Stundenzahl bei Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung berücksichtigen muss - und nicht nur die vertraglich vereinbarte!
Du willst ja kein Bohay, deshalb ist es besser, wie Du ja sagts, erstmal die Sache freundlich anzugehen.
Ich würde das auf einer Kopie meiner Gehaltsabrechung vermerken, wie es Deiner Meinung nach sein muss und schicke es per Hauspost an die Personalabteilung mit dem Vermerk:
Hier haben sie sich verrechnet, bitte korrigieren.
So lässt Du ihnen ihr "Gesicht" und gibst ihnen die Möglichkeit es als Versehen darzustellen.
Das hat Dein AG ja clever hinbekommen (Ironie aus)
Statt die wöchentliche Arbeitszeit gleich mit 40 Stunden festzuschreiben, drückt er "Pflichtüberstunden" rein.
Bei Urlaub, Krankheit und Feiertagen bezahlt er dann nur nach den vereinbarten 38,5 Std./Woche und "vergisst" die restlichen Stunden.
Rechtlich ist das überhaupt nicht in Ordnung. Mal abgesehen davon, dass durch Urlaub keine Minusstunden entstehen können, gilt hier das Lohnausfallprinzip(wie auch im Entgeltfortzahlungsgesetz bei Krankheit und/oder Feiertag das Entgeltausfallprinzip gilt).
Dein AG muss Dir im Urlaub die Urlaubstage so bezahlen, wie Du ohne Urlaub gearbeitet hättest und das sind 40 Stunden in der Woche.
Wenn Dein AG eine 40-Stunden-Woche möchte und entsprechend bezahlt, soll er das auch so in den Vertrag schreiben. Du hast ja schon im Schnitt 8 Std./Tag und die müssen auch bei Urlaub, Krankheit oder Feiertag bezahlt werden.
Dein AG muss Dir im Urlaub die Urlaubstage so bezahlen, wie Du ohne Urlaub gearbeitet hättest
Das gilt nach dem Gesetz ausdrücklich aber nicht für das Entgelt für Überstunden (das gilt ja sowohl für Urlaubsentgelt wie für Entgeltfortzahlung).
Die Ausnahme gilt nach dem Urteil des BAG für den Fall, dass die Überstunden regelmäßig anfallen.
In diesem Fall werden die Überstunden jeden Monat geleistet und daher sind sie zu bezahlen. Nichts anderes habe ich geschrieben.
Vielen Dank für die Antwort!
Mein AG ist im großen und ganzen ganz Ok. Aber in der Hinsicht bekommt er noch viel mehr "clever" hin:
Wie das die Überstunden, die nach dem Abzug über bleiben, auf einem Extrakonto landen, das dann aber nur für den folgenden Monat bleibt. Soll heißen, positive Überstunden müssen im Folgemonat abgefeiert werden. Bei negativen Überstunden passiert das nicht, die bleiben auf dem Gleitzeitkonto stehen...
Aber darüber reg ich mich nicht auf, ich hab meist eh nur 3-4 Stunden über vom Vormonat (nach Abzug) und die bekomme ich problemlos weg.
Und das erfährt man nur durch Try&Error, erzählt hat mir das von der Personalabteilung keiner. ;)
Das "Abfeiern" der Überstunden ist ja völlig in Ordnung. Freizeitausgleich sieht auch der Gesetzgeber vor Bezahlung.
Ich staune aber immer wieder, wie kreativ manche AG sind. Dass es "Pflichtüberstunden" gibt die schon im Gehalt eingerechnet sind (statt im Arbeitsvertrag die gewünschte Stundenzahl/Woche zu vereinbaren) und diese am Monatsanfang gleich als Minusstunden geführt werden, war mir neu.
Nicht neu ist aber die Abgeltung von Urlaub mit der vereinbarten Stundenzahl statt den tatsächlich gearbeiteten Stunden. Das habe ich schon öfter auch beim Entgeltfortzahlungsgesetz gehört.
Ich hab kein Problem mit dem Abfeiern. Ich finde es nur seltsam, das positive Stunden nach einem Monat verfallen, negative aber immer mitgeschleppt würden. Wenn ich also jetzt mal länger krank wäre, würde das richtig krass werden.
Berechtigte Fehltage wie Urlaub, Feiertage oder Krankheit müssen und dürfen nicht vor- oder nachgearbeitet werden. Das gilt auch für in dieser Zeit eingeplante Überstunden. Dies ergibt sich indirekt aus dem Bundesurlaubsgesetz und dem Entgeltfortzahlungsgesetz.
Ich empfehle erst mal den Betriebsrat zu konsultieren, sofern ihr einen habt. Der sollte diesem Treiben eigentlich Einhalt gebieten. Ansonsten musst Du selber vor das Arbeitsgericht ziehen.
Ein Tag ist ein Tag . Urlaubstage werden nicht stundenweise berechnet. Der Abzug der Gleitzeit, ist nicht rechtmäßig.
Das ist ja der Trick an der Sache. Urlaubstage werden mir nach dem "Tag" der im Arbeitsvertrag steht berechnet. Also eben diese 7,7 Stunden. Ohne Überstunden. Aber es wird erwartet und automatisch abgezogen das ich diese 6:40 Überstunden erwirtschafte, egal ob ich das kann oder nicht. Wenn ich also mal einen Monat nicht da (egal ob Urlaub oder was auch immer) wäre, müsste ich im nächsten Monat 13:20 Überstunden leisten, usw.
Mich regt nur auf, das ich für meinen Urlaub bestraft werde, indem ich mehr und länger arbeiten muss. Ich bin im September 3 Wochen im Urlaub und das darf ich dann im Oktober wieder reinarbeiten und da hakt es doch!
Urlaubstage werden nicht stundenweise berechnet.
Das ist falsch!
Selbstverständlich wird bei der Berechnung des Urlaubsentgelts der "Stundenwert" eines Urlaubstags berücksichtigt.
Lediglich für den Urlaubsanspruch spielt das keine Rolle!
Ja...ok da hast du recht. Urlaubstage waren ja auch gemeint.
Vielen Dank für die Antwort!
Ich muss fairerweise sagen, das das so abgesprochen war, ich bin mit meinem Wunschgehalt eingestellt worden und sollte dafür 40h/Woche arbeiten (wie meine direkten Kollegen auch). Das ist ja auch in Ordnung so, das wusste ich ja vorher.
Wobei es wirklich komisch ist warum das dann nicht so im Vertrag steht. Der Tarifvertrag gilt zwar für alle im Betrieb, aber meine Arbeit fällt da eigentlich nicht drunter, ich bin ITler und der Tarifvertrag gilt für Außendienstmitarbeiter.
Ich denke ich werde das nach meinem Urlaub mal anmerken, mit Hinweis auf die Gesetzeslage. Evtl. ändert sich dann was. Klagen will ich jetzt nicht unbedingt, eigentlich gefällt es mir hier ganz gut. ;)