KdU für längeren Krankenhausaufenthalt (ALG II)?

3 Antworten

Für dauerhaft hospitalisierte Menschen gibt es überhaupt kein ALG II - also auch kein Geld für Wohnen und Heizen!

SGB II § 7 Leistungsberechtigte

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist [...]. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,
1. wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2. wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.

Warum sollte ein 15-jähriger 40 Jahre lang ALG II erhalten, wenn er "vorraussichtlich" bis zum Rentenantritt in einer Einrichtung gepflegt wird?

Ein Erkrankter oder ein Verletzter wird aber in der Regel nicht sechs Monate lang behandelt. Also werden die Sachverständigen in ihrem Gutachten in der Regel schreiben: "Voraussichtliche Behandlungsdauer: 1 Tag" oder vielleicht "3 Monate".

Wenn aber jetzt schon absehbar ist, dass es länger als 6 Monate dauert - etwa bei einem Koma-Patienten wie M. Schumacher -, ist eine Dauer von 1 Jahr oder länger wohl kaum auszuschließen. Oder gibt es Diagnosen, die zutreffend von einer Dauer von 7 oder 8 Monaten ausgehen können?

Was spricht dann dagegen, das Inventar der Wohnung eines Singles für 100,- € im Monat zu lagern, anstatt eine Wohnung für 400,- € zu finanzieren (die wer Anderer sicher gut gebrauchen und finanzieren könnte)?

Und wenn der Genesene oder Rehabilitierende wieder entlassen wird, kann er ja eine neue Wohnung anmieten - oder sogar die alte wieder übernehmen, wenn er einen Zwischenmieter gefunden hat.

Bei all dem hilft bekanntlich die Gemeinde. Alleine schon das Ordnungsamt muss dafür sorgen, dass niemand gegen seinen Willen obdachlos wird. Und vielleicht wird es sogar eine schönere Wohnung, mit Südbalkon? Wer weiß, was die Gemeinde (und deren sozialer Wohnungsbau) oder der Markt so alles auf Lager hat ;-).

Und wenn Flüchlinge, Asylsuchende und Wirtschaftsmigranten in Pensionen untergebracht und von der Gemeinde unterstützt werden, wird dieses Schicksal sicher auch nicht an wohnungslosen Genesenen oder Rehabilitierenden vorbeigehen ;-).

Gruß aus Berlin, Gerd

Regina3 
Beitragsersteller
 12.02.2022, 03:54

Danke Dir erstmal für Deine lange Antwort. Da es hier nicht um körperliche Erkrankungen geht, sondern um die Psyche ist so eine Dauer schwer einzuschätzen. Nach dem Konzept der Klinik sind 3 Monate vorgesehen. Wenn es läuft, wie geplant, dann passt das auch grob so. Jetzt kann aber auch "etwas hochkommen" und alles ist noch schlimmer als vor dem Start dort ...

Es geht um einen Single. Der kann - so krank ohnehin nicht - nicht einfach mal die Wohnung auflösen und die Möbel einlagern. Das könnte er von der Klinik aus nicht organisieren. Und körperlich schafft er das eh nicht - kann keine Treppen mehr gehen, quasi nicht mehr stehen, nur noch wenige Meter laufen. Und er hat auch niemand, der das alles für ihn tun könnte ...

Dann hat er einen "Alt-Mietvertrag"/Großstadt. Würde heute mindestens doppelt so viel kosten. Eher 2,5-fach. Und er muss da leben wegen den Ärzten/Spezialisten. Vom Land aus käme er da nicht hin. Sein Vermieter hätte bestimmt schnell neue "Kunden". Für ihn wäre die Wohnung dann weg. Und auch nicht mehr zahlbar.

Die Wartelisten in der Stadt sind lang. Und alleinerziehende Mamis mit 2-3 Kindern kommen (berechtigt) zuerst dran ... Aber auch deswegen darf er die Wohnung auf keinen Fall verlieren ...

Und abklären/regeln muss er das vor dem Aufenthalt - schreibt angeblich sogar die Klinik vor als Aufnahmebedingung - also dass die Finanzen geklärt sind ... Sonst könne er sich nicht ausreichend auf die Behandlung konzentrieren, sich nicht genug einlassen, wenn diese Fragen stetig stressen ...

GerdausBerlin  12.02.2022, 04:11
@Regina3

"Nach dem Konzept der Klinik sind 3 Monate vorgesehen. Wenn es läuft, wie geplant, dann passt das auch grob so. Jetzt kann aber auch "etwas hochkommen" und alles ist noch schlimmer als vor dem Start dort ..."

Wenn im Zuge der Behandlung "etwas hochkommen" tut, dann war das ja nicht "vorraussichtlich", also dauert der Aufenthalt "voraussichtlich für weniger als sechs Monate"!

Aber: ALG II ist nicht dazu da, jahrelang eine Wohnung in der Nähe des Lieblings-Arztes zu finanzieren.

Zudem: Wenn jetzt schon für nach der Behandlung keine Erwerbsfähigkeit zu erhoffen ist, wäre ein Wechsel zum SGB XII angezeigt.

Dann wäre das Sozialamt zuständig, und das ist nicht auf Vermittlung spezialisiert wie das Jobcenter, sondern auf Verständnis und Versorgung Unvermittelbarer.

Aber auch das Jobcenter könnte sich dazu durchringen, im konkreten Einzelfall von der 6-Monats-Regel abzuweichen, um den Heilungsprozess nicht zu gefährden.

Doch nur, damit die geliebten Bücher im geliebten Regal stehen bleiben, werden eher nicht jahrelange Wohn- bzw. Nicht-dort-Wohn-Kosten übernommen.

Ist man länger als 6 Monate in einer stationären Einrichtung, ist das Jobcenter gemäß Paragraph 7 Absatz 4 SGB 2 nicht in der Pflicht Leistungen weiter zu bewilligen.

Wie immer sind Einzelfallprüfungen Voraussetzung.

Regina3 
Beitragsersteller
 12.02.2022, 02:36

Das bedeutet, wenn es jemandem eh schon schlecht geht - Körper UND Psyche - dann kommt er evtl. nach der Klinik raus und sitzt auf der Straße? Obwohl er zuvor lange Jahre immer alles gemacht hat, was verlangt wurde? Und jemand, der krank ist, hat es ja eh schon schwer. Wie soll der sich dann - von der Klinik aus - gegen ein Jobcenter wehren?

Oder ist da dann einfach ein anderes Amt zuständig? Sozialamt zum Beispiel? Weil Jobcenter - ja, länger als 6 Monate krank - ist ja auch nicht mehr wirklich arbeitsfähig dann ...

Comp4ny  12.02.2022, 02:58
@Regina3

Jemand der in solch schlechter körperlicher Verfassung ist, für den ist das Jobcenter nicht mehr zuständig und wie du schon richtig vermutet, wäre dann ihr die richtige Anlaufstelle entweder das Grundsicherungsamt oder halt im Zweifelsfall Erwerbsminderungsrente.

Wie gesagt im Regelfall nach genannten Paragraphen, wäre die Frage mit Nein zu beantworten. Allerdings gibt es durchaus die Möglichkeit auch länger als 6 Monate das Jobcenter dazu zu verpflichten die Miete in voller Höhe weiter zu bezahlen lassen.

Ist halt immer eine Einzelfallprüfung notwendig

Regina3 
Beitragsersteller
 12.02.2022, 03:26
@Comp4ny

"richtige Anlaufstelle entweder das Grundsicherungsamt oder halt im Zweifelsfall Erwerbsminderungsrente."

Die Rente geht nicht - es wurde so gut wie nicht eingezahlt, da Jobs immer auf Honorarbasis waren. Krankheit seit der Zeit des Schulabschlusses, bzw. sogar früher ...

Also Grundsicherung/Sozialamt als letzte Möglichkeit?

Comp4ny  12.02.2022, 03:53
@Regina3
Also Grundsicherung/Sozialamt als letzte Möglichkeit?

Unter Umständen ja

Regina3 
Beitragsersteller
 12.02.2022, 04:00
@Comp4ny

Also erst das Jobcenter anschreiben, wie es bei denen aussieht (falls) und wenn die ablehnen zum Sozialamt? Oder versuchen die evtl. auch, abzulehnen?

nein das übernimmt das jc nicht für so lange zeiträume

Regina3 
Beitragsersteller
 13.02.2022, 20:42

Also kann jemand, der die Wohnung weiterhin dringend braucht, dann so einen Krankenhausaufenthalt nicht machen? Ist das so richtig?