Jahresgespräch im Job steht an, aber innerlich gekündigt. Ehrlich sein oder lügen?
Ich habe vor knapp einem Jahr aus einer ungekündigten Festanstellung heraus (Veranstaltungsbereich) nach 10 Jahren den Job gewechselt, in eine Unternehmensberatung. Habe mir davon frischen Wind und persönliche Weiterentwicklung erhofft, stelle jetzt aber doch fest, dass diese Branche so gar nicht meins ist. Bin zunehmend unmotiviert, die Aufgaben machen keinen Spaß, mir fehlt Menschlichkeit und alles ist zu umsatzgetrieben.
Unglücklicherweise stehen diese Woche die Jahresgespräche zwischen Chef und allen Mitarbeitern an, für die man vorab Ziele usw. definieren soll.
Da ich mich bereits aktiv neu bewerbe, aber noch nichts fest habe, stell ich mir die Frage wie ich in das Gespräch gehen soll. Ehrlich ansprechen und riskieren direkt gekündigt zu werden, oder so tun als wäre nichts (was mir sehr schwer fällt)?
Hab ein relativ gutes/normales Verhältnis zu meinem Chef, er erwartet aber von all seinen Mitarbeitern generell Höchstleistungen, im täglichen Geschäft.
Vielleicht hat ja hier jemand Erfahrungswerte oder neue Gedanken für mich.
Grüße.
4 Antworten
Solang du noch nichts anderes hast, solltest du in diesem Gespräch und in diesem Job so weitermachen als würdest du ihn auch weiterführen wollen. Zumindest, wenn du es dir nicht leisten kannst, drei Monate Sperre beim ALG1 zu bekommen, was nicht nur bei einer Eigenkündigung oder einem Aufhebungsvertrag, sondern auch immer dann eintreten kann, wenn du "schuldhaft" die Beendigung des Arbeitsverhältnisses "herbeigeführt" hast. Darunter können also auch verhaltens- oder personenbedingte, arbeitgeberseitige Kündigungen fallen...
Zudem sind Jahresgespräche ja nicht nur reine Zielvereinbarungsgespräche. Vielmehr geht es dabei auch darum, dass man sich darüber austauscht, was gut war und was nicht so gut - auf beiden Seiten! Du kannst dieses Gespräch also durchaus auch dazu nutzen, die Punkte anzusprechen (am besten direkt mit konkreten Lösungsvorschlägen!), die dir diesen Job so verleiden.
Letztendlich ist es dafür sehr gut, wenn du noch mal ohne Verklärung zurückdenkst an das, was dich dazu gebracht hat, nach 10 Jahren Job und Branche zu wechseln. Was war es, was dich im alten Job unzufrieden gemacht hat? Was waren die Hoffnungen und Erwartungen, die dich in so eine komplett andere Branche getrieben haben? Und woran liegt es, dass diese Hoffnungen und Erwartungen nicht erfüllt wurden?
Ich halte es für äußerst unwahrscheinlich, dass dir bei diesem Wechsel nicht bewusst war, welcher Leistungsdruck in der Unternehmensberatung herrscht. Du warst ja damals kein unerfahrener, junger Mensch, der direkt aus der Schule oder Ausbildung kam. Und dass die Unternehmensberatung ein Feld im Verwaltungs- / BWL-Bereich ist, wo Höchstleistungen bis hin zur "Selbstzerstörung" gefordert werden, ist uns, die wir in diesem Feld tätig sind, doch auch bekannt, oder ;)?
Somit musst du dir doch damals etwas davon erhofft und versprochen haben, was dich gereizt hat, was dir als so lohnens- und erstrebenswert erschien, dass du dafür einen sicheren Job, in dem du sehr erfahren warst, aufgegeben und dich auf dieses Abenteuer eingelassen hast. Und das wiederum sollte es dir doch ermöglichen, genau zu analysieren, woran es lag und liegt, dass diese Erwartungen nicht erfüllt wurden.
Und genau das wären Punkte, wo du dieses Gespräch als letzten Versuch sehen solltest, doch noch etwas so zu ändern, dass sich deine Erwartungen doch noch erfüllen. Solltest du mit diesen Vorschlägen dann auf Granit beißen, ist das auch eine positive Erkenntnis! Nämlich die, dass es tatsächlich an der Zeit ist, weiterzuziehen und dass du dir dabei dann hinterher keine Vorwürfe im Sinne von "Hätte ich doch mal..." machen musst!
Du solltest ansprechen dass die Umstellung eine grosse Herausforderung ist und welche Aufgaben Dir mehr liegen als andere. Vielleicht hast Du auch eine Idee mit welchen Veränderungen Du zufriedener wärst. Keinesfalls solltest Du Deinem aktuellen Frust freien Lauf lassen. Vielleicht hat auch Dein Chef die eine oder andere Idee wie er Dich besser einsetzen könnte.
Dass Du aktiv auf Jobsuche bist ist vollkommen in Ordnung, nur ist das nichts was in diesem Gespräch eine Rolle spielen sollte. Stell Dir vor dem Gespräch die Frage was in diesem Unternehmen die beste Entwicklung für Dich wäre.
Solltest Du am Tag danach einen Job finden der Dir besser gefällt, dann ist das eben so.
Ehrlich ansprechen und riskieren direkt gekündigt zu werden, oder so tun als wäre nichts (was mir sehr schwer fällt)?
Naja, bei der entsprechenden Unternehmensgröße wird man dich nicht ohne weiteres auf die Straße setzen.
Letztendlich würde mir aber auch keinen Grund einfallen, warum man sowas ansprechen sollte. Wenn du der Meinung bist, man könnte dich irgendwo anders einsetzen, wo es Dir mehr Spaß macht, kann man das machen, aber wenn die gesamte Branche nicht dein Fall ist und Du auf jeden Fall weg willst, würde ich das nicht ansprechen.
Ich war man in einer ähnlichen Situation, d.h. hatte innerlich schon gekündigt. Ich war allerdings schon in der richtigen Branche, nur in der falschen Abteilung. Dort habe ich das offen mim Personalgespräch angesprochen, wurde woanders eingesetzt und bekam auch mehr Geld.
Es kommt immer darauf an, was Du dir konkret erwartest.
.....so tun als wäre nichts, und bei Zeit einfach kündigen.