Freiwilliges Praktikum wurde verlängert?
Hallo,
Folgende Situation:
Ich habe eine abgeschlossene Berufsausbildung, war danach erstmal arbeitssuchend.
Nach ein paar Monaten Suche habe ich bei einem mittelgroßem Unternehmen eine Stelle gefunden. Eigentlich war es ausgeschrieben als eine normale Stelle in der junior Position, aber nachdem ich mich beworben hatte, wurde mir umgehend vorgeschlagen ich solle ein freiwilliges Praktikum beginnen.
Da es in der Branche sehr üblich ist, erstmal mit einem langen Praktikum in einer Firma ins Berufsleben zu starten, habe ich eingewilligt.
Der erste Vertrag ging ein halbes Jahr. Jeden Monat sollte ein Feedbackgespräch abgehalten werden, 3 Monate vor dem Vertragsende ein Gespräch indem dann gesagt wird wie es für mich im Unternehmen weitergeht.
Das Gespräch kam - und mir wurde eine Verlängerung des Praktikums vorgeschlagen, dass ich auch annahm. Noch einmal 6 Monate.
Dieses mal gab es schon weniger Feedback, hatte ich mich eigentlich schon sehr gut eingearbeitet und konnte alle Tickets genau so abarbeiten wie alle anderen.
Nun war ja die Sache mit COVID-19 und mein letztes Feedbackgespräch zwecks Übernahme oder nicht fiel genau in die Zeit, was zur folge hatte, dass es einen Skype-Call mit meiner Abteilungsleiterin gab. Sie teilte mir mit, dass sie meinem Chef vorgeschlagen hat mich zu übernehmen und mir eine Junior Position zu geben und das dann befristet für ein Jahr.
Das war vor einem Monat ( immer noch recht spät, wenn man bedenkt, dass mein Vertrag ende Mai schon ausläuft) aber mit der Begründung sie haben es sonst nicht unterbringen können.
Gestern habe ich dann endlich nach mehrmaligen Nachfragen den Vertrag per Mail zugeschickt bekommen. Es war ein Verlängerungsvertrag als Praktikant bis zum 05.2021. Sofort habe ich meiner Abteilungsleiterin geschrieben und wollte fragen, ob das so stimmt - vllt. gab es ja Kommunikationsschwierigkeiten.
Sie teilte mir dann mit, dass sie es dem Chef vorgeschlagen hatte, es aber ausdrücklich von ganz oben gewollt war, mir weiterhin eine Praktikumsstelle auf Mindestlohnbasis zu geben.
Ist dies rechtens? Gibt es i wo ein Gesetz, dass Vorschreibt wie lange ein Praktikum dauern darf? Wie wird ein Praktikum definiert?
Da ich schon seit Beginn selbstständig arbeite (da ich den Beruf ja schon gelernt habe) , nicht mehr Kontakt und Feedback bekomme wie jeder andere in meiner Abteilung (und das schon seit Monaten) scheint mir das kein klassisches Praktikum mehr zu sein. Kann ich irgendwas dagegen unternehmen?
Sry für das Textmonster & schonmal Danke für alle Antworten!
4 Antworten
scheint mir das kein klassisches Praktikum mehr zu sein
Das ist richtig.
Für die Frage, ob es sich um ein Praktikums- oder um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es nicht darauf an, wie dieses Verhältnis vertraglich definiert wurde, sondern es kommt auf seine konkrete Durchführung an.
Wenn - was mit zu den Voraussetzungen zur Einstufung als "Praktikum" zählt - nicht der Ausbildungszweck im Vordergrund steht, sondern Du "ganz normal" arbeitest, dann handelt es sich nicht um ein Praktikum, sondern um ein reguläres Arbeitsverhältnis.
Was das Dir gezahlte Entgelt in Höhe des Mindestlohns betrifft:
In der Regel wird ein Entgelt als sittenwidrig bezeichnet, wenn es mindestens zu 1/3 unter dem liegt, was üblicherweise (tariflich, regional, betrieblich) gezahlt wird. Liegt der Mindestlohn also nur bei höchstens 2/3 des Entgelts, das im Betrieb sonst für eine solche Tätigkeit gezahlt wird, wie Du sie ausübst, dann wäre das sittenwidrig und Du hättest (auch rückwirkend) Anspruch auf ein höheres Entgelt - in Ermangelung einer konkreten Vereinbarung in Höhe des üblicherweise vergleichbar im Betrieb gezahlten Entgelts.
Könnte ich also vor dem Chef damit argumentieren, dass es sich schon seit einiger Zeit nicht mehr um ein klassisches Praktikum handelt?
Selbstverständlich! Nach Deinen Schilderungen handelt es sich ganz einfach um ein reguläres Arbeitsverhältnis.
Ich vergaß, in meiner Antwort zu erwähnen, dass es zwar keine gesetzlichen Vorgaben für die Dauer eines Praktikums gibt, dass aber ganz allgemein bei einer Dauer über maximal 1 Jahr hinaus (und selbst das wäre schon fragwürdig) nicht mehr von einem Praktikum geredet werden kann!
Auf diesen (Beispiel)Seiten kannst Du Dich genauer über die Problematik informieren:
Du machst gute Arbeit.. das weiß deine cheffin aber ihre Bosse suchen einen blöden der für Lau arbeitet. Dreh den Spieß um... bedank dich fûr die Möglichkeit des Langzeitpraktikums aber du musst nun mit deinen Fähigkeiten ein Unterhalt erwirtschaften der dem Aufwand gerecht wirst. Wenn es in der Firma nicht geht, musst du leider das Haus verlassen.
Entweder die bieten dir dann was ordentliches an, oder die lassen dich gehen und du kannst dir was faires suchen. In beiden Fällen gewinnst du.
Lass dich nicht weiter ausnutzen.
Ja das stimmt. Sogar meine Kollegen, denen ich davon erzählt habe, haben mir dazu geraten. Nur gerade jetzt in der COVID-19 Zeit ist es noch schwerer als sonst in der Branche was zu finden und ich habe Angst, dass ich dann mit leeren Händen da stehe ^^
Und ich denke sie wissen das auch und setzen mich so unter Druck- deswegen habe ich gehofft dass ich sie vllt darauf hinweisen könnte, dass das nicht rechtens ist, was da abgezogen wird.
Generation Praktikum. Es gibt Hinweise auf den Anspruch eines Mindestlohns
https://www.meinpraktikum.de/ratgeber/bewerbung/praktikumsrecht
Ich bekomme seit Beginn meines Praktikums Mindestlohn. Meine Frage ist eher, ob es rechtens ist das Praktikum 3x zu verlängern und über zwei Jahre zu ziehen
Meine Frage ist eher, ob es rechtens ist das Praktikum 3x zu verlängern und über zwei Jahre zu ziehen
Nein - offensichtlich handelt es sich um die missbräuchliche Behauptung eines Praktikumsverhältnisses mit (zu) geringem Entgelt, was tatsächlich ein auf insgesamt 2 Jahres befristetes Arbeitsverhältnis ist (siehe dazu meine eigene Antwort).
Ich würde ein Unternehmen schlicht verlassen, das so mit mir umgeht. Beende das Praktikum gemäss der letzten Vereinbarung.
Notfalls ist selbst ein Praktikum woanders besser als weiterhin veräppelt zu werden. Nett ausgedrückt.
Danke für die informative Antwort.
Könnte ich also vor dem Chef damit argumentieren, dass es sich schon seit einiger Zeit nicht mehr um ein klassisches Praktikum handelt?
Das Durchschnittsgehalt in meiner Abteilung ist sowieso nicht arg hoch, trotzdem ein paar Euro mehr die Stunde als Mindestlohn. Ich denke es liegt ein paar Cent unter den genannten 1/3.