Darf Polizei "lügen", um ihr Ziel zu erreichen?

4 Antworten

Hallo rango9,

grundsätzlich gilt, dass die Polizei nicht lügen darf.

Bei Vernehmungen darf die Polizei nicht lügen, da dieses nach folgenden Gesetz verboten ist.


§ 136a StPO (Verbotene Vernehmungsmethoden)

(1) Die Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung des Beschuldigten darf nicht beeinträchtigt werden durch Mißhandlung, durch Ermüdung, durch körperlichen Eingriff, durch Verabreichung von Mitteln, durch Quälerei, durch Täuschung oder durch Hypnose. Zwang darf nur angewandt werden, soweit das Strafverfahrensrecht dies zuläßt. Die Drohung mit einer nach seinen Vorschriften unzulässigen Maßnahme und das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils sind verboten.

(2) Maßnahmen, die das Erinnerungsvermögen oder die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten beeinträchtigen, sind nicht gestattet.

(3) Das Verbot der Absätze 1 und 2 gilt ohne Rücksicht auf die Einwilligung des Beschuldigten. Aussagen, die unter Verletzung dieses Verbots zustande gekommen sind, dürfen auch dann nicht verwertet werden, wenn der Beschuldigte der Verwertung zustimmt.


Im Fett dargestellten Absatz 1 steht drin, dass der Beschuldigte nicht durch Täuschung, sprich durch Angabe falscher Tatsachen zu einer Aussage bewegt werden darf.

Im Absatz 3 steht drinnen, was passiert, wenn ein Beschuldigter aufgrund der Täuschung eine Aussage macht: Die Aussage darf schlichtweg nicht verwertet werden.

Dann hast Du folgendes Beispiel angeführt:

Beispielsweise dürfen sie nicht zu jemandem, der einfach keine Ahnung hat, behaupten, dass sie ohne Durchsuchungsbefehl in die Wohnung dürfen, wenn der Bewohner sie nicht rein lassen will?>

Gehen die Beamten gegen den Willen und ohne dass ein Durchsuchungsbeschluss oder Gefahr im Verzug vorliegt in die Wohnung des Verdächtigen, begehen sie einen Hausfriedensbruch gem. § 123 StGB und können diesbezüglich auch angezeigt werden.

Allerdings ist es nicht schwer, einen Durchsuchungsbefehl vom Richter zu bekommen.

Der folgende Paragraph sagt aus, unter welchen Bedingungen die Hausdurchsuchung durchgeführt und angeordnet werden kann.


§ 102 StPO (Durchsuchung beim Verdächtigen)

Bei dem, welcher als Täter oder Teilnehmer einer Straftat oder der Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig ist, kann eine Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume sowie seiner Person und der ihm gehörenden Sachen sowohl zum Zweck seiner Ergreifung als auch dann vorgenommen werden, wenn zu vermuten ist, daß die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde.


Hier langt also schon der Verdacht, dass man an einer Straftat beteiligt ist und auch nur die Vermutung vorhanden ist, dass Beweismittel aufgefunden werden könnten.

Das die Durchsuchung außer bei Gefahr im Verzug von einem Richter angeordnet werden muss steht im folgenden Paragraphen drin.


§ 105 StPO (Anordnung der Durchsuchung; Ausführung)

(1) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Durchsuchungen nach § 103 Abs. 1 Satz 2 ordnet der Richter an; die Staatsanwaltschaft ist hierzu befugt, wenn Gefahr im Verzug ist.

Aber um auf Deine Frage zurück zu kommen.

Polizisten dürfen egal ob bei der Vernehmung oder bei der Durchführung polizeilicher Maßnahmen nicht einfach Behauptungen als Tatsachen hinstellen, obwohl diese gelogen sind.

Bei Vernehmungen führen Lügen dazu, dass die Aussagen nicht verwertbar sind und bei polizeilichen Maßnahmen ist es so, dass eine unrechtmäßige Maßnahme immer eine unrechtmäßige Maßnahme bleibt.

Schöne Grüße
TheGrow

Scylla94941  09.05.2014, 14:49
Allerdings ist es nicht schwer, einen Durchsuchungsbefehl vom Richter zu bekommen.

Das ist sogar ziemlich schwierig, wenn man bedenkt, dass Richter keine Befehle erteilen. ;)

TheGrow  09.05.2014, 15:11
@Scylla94941

Richtig, Richter lassen sich keine Befehle erteilen.

Aber ich habe bis jetzt nur sehr sehr sehr selten erlebt, dass er einen Antrag auf Hausdurchsuchung ablehnt. In der Regel vergehen von der Stellung des Antrages bis ihn der Polizist in den Händen hält keine Stunde.

Ein Anruf, kurze Begründung warum der Betroffene Verdächtig ist warum die Vermutung nahe liegt dass Beweismittel bei der Durchsuchung gefunden werden könnten langt. Der Durchsuchungsbefehl ist dann schnell ausgestellt.

Frage mich was daran um bei Deinen Worten:

Das ist sogar ziemlich schwierig>

sein soll.

Schönen Gruß
TheGrow

Scylla94941  09.05.2014, 15:23
@TheGrow

Es ging einzig und allein um deine Wortwahl, denn soetwas wie einen "Durchsuchungsbefehl" gibt es schlichtweg nicht. Bei diesem Wort verdreht jeder, der sich ein bisschen mit der Materie beschäftigt hat, die Augen. Es war ja nicht böse gemeint, allerdings passt dieser Begriff einfach nicht zu deinen (ansonsten durchaus richtigen) Ausführungen.

TheGrow  09.05.2014, 15:52
@Scylla94941

lol, stimmt, bin ich ehrlich gesagt gar nicht drüber gestolpert.

Streiche: Durchsuchungsbefehl

Setze: Durchsuchungsbeschluss

rango9 
Beitragsersteller
 09.05.2014, 12:47

Wow, Vielen Dank für die super ausführliche Antwort!

das mit der durchsuchung war nur ein beispiel ,was mir gerade eingefallen ist.

hinterher ist mir sogar noch was besseres eingefallen... ein tatsächlicher fall, den ich mal hatte:

polizei hatte mich angehalten und wollte eine anzeige schrieben. dabei fragte mich der polizist, ob ich was zu sienen vorwürfen sagen möchte. ich sagte nur "nö" und darauf hin meinte er, dass mir das schweigen ja nur zum nachteil gelegt wird und nur zu einer schlimmeren strafe führt. also machte ich doch eine aussage.

im nachhinein sprach ich mit meinem anwalt und der sagte mir, dass es totaler blödsinn ist, den er mir da erzählt hat und ich es genau anders herum, mit meiner aussage vor ort, schlimmer gemacht habe

Als nicht-Jurist bin ich der Meinung, dass die Grenzen da fließend sind. Darf ein Polizist eine Behauptung aufstellen, um einem Verdächtigen Worte/Geständnisse zu entlocken, die er sonst nicht geäußert hätte? - Das wird sicher oft genug so gemacht und gehört vielleicht sogar zur Ausbildung bei Polizisten.

Ein Polizist hat mir mal erzählt, ich hätte rote Augen, um mir die Zustimmung zu einem Drogentest zu entlocken, der dann negativ ausfiel. - Inzwischen weiß ich, dass man keinem Drogentest zustimmen muss und dass rote Augen alleine kein Argument sind.

Still  09.05.2014, 07:58

Dein Beispiel zeigt, dass du nicht genau hinhörst. Er nannte das Indiz für den Test, der dir angeboten, also optional, wurde. Wenn du abgelehnt hättest, wäre die Konsequenz eine Blutprobe gewesen.

TheGrow  09.05.2014, 10:12
@Still

Sehr gute Antwort

Daumen hoch von mir

RubberDuck1972  09.05.2014, 13:55
@Still

Das Indiz war aber gelogen. Leider konnte ich mir in dem Moment nicht selbst in die Augen schauen. Aber als ich zu hause war. Ein Anwalt sagte, dass rote Augen nicht ausreichen. Selbst wenn die Behauptung mit den roten Augen gestimmt hätte.

Still  09.05.2014, 14:27
@RubberDuck1972

Und warum hast du dem Test zugestimmt? Und wenn du schon beim Anwalt warst, warum dann keine Dienstaufsichtsbeschwerde?

RubberDuck1972  09.05.2014, 22:38
@Still

Weil ich etwas überrumpelt war. Man wird nicht jeden Tag von der Polizei angehalten. Zeit hatte ich auch an dem Abend.

Es war keine offizielle Konsultation beim Anwalt, eher eine Unterhaltung. Ich kann den Test nicht rückgängig machen, außerdem war er negativ. Und ich habe andere Hobbys, als mich wegen einer Verkehrskontrolle gleich beim Polizeichef zu beschweren (lieber gebe ich auch gutefrage.net gut gemeinte Tipps). Es ist ja auch weiter nichts passiert.

Still  10.05.2014, 07:10
@RubberDuck1972

Warum dann deine Aufregung und der Wunsch, zukünftig nicht mehr kooperieren zu wollen? Ein Test ist wie ein Probierstück beim Metzger: Besser mal Kosten, bevor man viel Geld für etwas ausgibt, was man nicht will ; - )

RubberDuck1972  11.05.2014, 00:43
@Still

Unpassender Vergleich. Beim Metzger werde nämlich nicht ich vom Metzger getestet, sondern sein Probehäppchen von mir. - Bei deinem Vergleich wäre aber der Polizist der Metzger und ich das Probehäppchen. Schließlich bin ja ich getestet worden und nicht ein Stück Wurst.

Ich muss auch keinen Bluttest bezahlen, wenn dabei nichts verwertbares heraus kommt. Also was hätte ich davon, außer dass meine Zeit vergeudet wurde?

Die Polizei darf in einer Vernehmung nicht täuschen, z.B. Behaupten, man habe Fingerabdrücke am Tatort gefunden, oder jemand anderes habe die Tat bereits gestanden. (also das, was man immer zu hauf im TV sieht) dein Zitat scheint aber etwas anderes zu meinen, nämlich dass eine Person etwas strafbares machen soll, um der Polizei zu helfen.

Artus01  09.05.2014, 12:45
Die Polizei darf in einer Vernehmung nicht täuschen, z.B. Behaupten, man habe Fingerabdrücke am Tatort gefunden<

Die Behauptung das Fingerabdrücke am Tatort gefunden wurden muss keine Täuschung sein, an fast allen Tatorten werden Fingerabdrücke gefunden. Das die meisten Befragten nicht merken das eben nicht behauptet wurde das es sich um seine Fingerabdrücke handelt ist sein Problem.

PatrickLassan  09.05.2014, 08:06
Die Polizei darf in einer Vernehmung nicht täuschen

Das trifft auf Deutschland zu, in den USA ist es erlaubt.

Still  09.05.2014, 09:46
@PatrickLassan

Wir sind uns doch wohl einig, dass sich die Frage auf den deutschen Sprachraum bezieht. Es gibt sogar Länder, in denen Folter statthaft sein soll!

Das ist die Freiheit der Schriftsteller und mittelmäßiger Journalisten. D I E Polizei macht gar nichts ! Wenn dann höchstens ein fragender Polizeibeamter.