Auf welcher gesetzlichen / rechtlichen Grundlage ergibt sich der Grundsatz, dass gegen Tote nicht ermittelt wird / werden darf?


17.07.2021, 16:27

17.07.2021, 16:32

7 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Es gab (und gibt durchaus auch immer noch) unterschiedliche Rechtsauffassungen, ob gegen Tote weiter ermittelt werden kann. Es gibt keinen Paragraphen, der das ausdrücklich vorschreibt - das ist aufgrund einer Reihe von unterschiedlichen Vorschriften zu interpretieren.

Nach neuerer überwiegender Rechtsauffassung gilt:

  • Ein Gericht darf sachlich nur dann über einen Vorwurf befinden, wenn die Person, der gegenüber dieser erhoben wird, lebt (sog. "Befassungsverbot"). Mit dem Tod des Beschuldigten ist deshalb ein gegen diesen geführtes Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO einzustellen - BGH StB 10/14

Das Verfahren endet nicht automatisch - es muß förmlich eingestellt werden.

Mit "Befassungsverbot" werden solche Prozeßhindernisse bezeichnet, die in jedem Fall dem Erlaß eines Sachurteils entgegenstehen und zu einer Einstellung des Verfahrens führen würden.

Der Tod des Beschuldigten wird heute als Grund für ein Befassungsverbot angesehen. Oft wird aber noch im Umfeld des Verstorbenen ermittelt, was häufig dann fälschlicherweise in den Medien der Sphäre des Beschuldigten zugesprochen wird - ist auch nicht immer ganz einfach zu erkennen...

D. h. nicht, daß nicht doch in der Sache selbst weiterermittelt werden kann, um die "Wahrheit" herauszufinden - nur eben nicht mehr gegen den Beschuldigten selbst.

kleine Anmerkung - weil auch Medienberichte erwähnt wurden

Bei Zeitungs-(Medien-)berichten im Bereich Recht und Steuern ist immer Vorsicht geboten - hier werden meist nicht die korrekten Fachbegriffe verwendet und es werden auch nicht die entsprechenden Auslegungen der Rechtsbegriffe beachtet, sondern sie werden meist umgangssprachlich verwendet, was zu erheblichen Verständnisproblemen führen kann.

Der Horrorsatz eines jeden Rechtsanwaltes und Steuerberaters ist der Satz des Mandanten:

"Ich habe in der Zeitung gelesen..."

In vielen Fällen kann man den Mandanten nicht davon abbringen, daß das, was da steht, so nicht richtig ist...

pustblume2007 
Beitragsersteller
 17.07.2021, 16:36

Super. Grandios. Ich schätze Deine Antworten!!

(wobei 170 abs2 stpo nur wegen der Unmöglichkeit der Inkenntnissetzung des Beklagten einschlägig ist, oder?)

Aus welcher Grundlage ergibt sich deine Behauptung, dass gegen Tote nicht ermittelt wird / werden darf?
pustblume2007 
Beitragsersteller
 17.07.2021, 15:12

auf der grundlage : google.

habe seiten gefunden, aus denen hervorgeht, dass die staatsanwaltschaft erklärte, sie könne / dürfe nicht gegen tote ermitteln, daher einstellung des ermittlungsverfahrens etc.

Wenn sich herausstellt, dass der Tote der Mörder war. Dann wird auf Grundlage dieser Erkenntnis das Verfahren eingestellt, sofern der Sachverhalt klar ist.

Solange nicht klar ist, wen die Schuld für eine Straftat trifft, sind auch Tote noch Teil der Ermittlungen.

Das Tote nicht bestraft werden können, ist dir aber hoffentlich klar, oder?

pustblume2007 
Beitragsersteller
 17.07.2021, 15:37
Das Tote nicht bestraft werden können, ist dir aber hoffentlich klar, oder?

Joah...is soweit klar 😂

Danke!

https://www.lawblog.de/archives/2016/06/23/gegen-verstorbene-wird-nicht-verhandelt/

Musste ein bisschen suchen, habe es aber finden können.

Ermittelt werden darf und kann selbstverständlich, verhandelt werden aber nicht.

Zur Einordnung: Im NSU-Prozess wurde auch immer gegen die beiden Uwes ermittelt.

pustblume2007 
Beitragsersteller
 17.07.2021, 15:10

okay danke. es geht aber um die rechtmäßigkeit eines ermittlungsverfahrens gegen tote

michi57319  17.07.2021, 15:44
@pustblume2007

Was soll daran nicht rechtmäßig sein! Sollte ein Toter Verbrechen begangen haben, wird selbstverständlich ermittelt, in welchem Rahmen und mit welchen Opfern das einhergegangen ist.

Bei den Eltern des Piloten der German Wings Maschine wurde sogar eine Hausdurchsuchung angeordnet. Zur Erinnerung: Dieser nahm viele Menschen mit in den Tod.

Die Unschuldsvermutung gilt übrigens ebenso für Tote. Bis zum Beweis des Gegenteils.

Das erfordert also geradezu Ermittlungen, wenn ausreichende Verdachtsmomente vorhanden sind.

pustblume2007 
Beitragsersteller
 17.07.2021, 16:07
@michi57319

 super, super, tausend Dank. Auf den Artikel mit dem Lubitz bin ich auch gestoßen. Allerdings stoße ich auch immer wieder auf den vermeintlichen Grundsatz, gegen tote können nicht ermittelt werden. Leider finde ich den Artikel nicht mehr, in dem die Staatsanwalt durch die Presse hat verlauten lassen, sie könne und dürfe nicht gegen tote ermitteln. Anscheinend ist dem nicht so. Vielen Dank.