Wieviel Mitglieder benötigt die Gewerkschaft in einem Betrieb
Hallo, unser Betrieb ist zur Zeit ohne Tarifbindung und auch aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten. Die dadurch deutlich geringeren Entgelte bekommen insbesondere die jüngeren Kollegen zu spüren. Wir haben einen Betriebsrat, welcher aber in Sachen Werbung für Gewerkschaft sich dahin einläßt, das er dies nicht darf. Bei konkreten Nachfragen wird man ans Büro der Gewerkschaft verwiesen, dort bekommt man nur vage Auskünfte bis hin zu Antworten wie: "Geh in die Gewerkschaft, dann bekommst Du richtig Auskunft."
Ich selbst bin vor Jahren ausgetreten, da ich weder Unterstützung bekommen hatte, als es Probleme mit Arbeitsverträgen gab, noch bei Problemen am Arbeitsplatz. Damals bekam ich immer nur die Aussage, man könne einen Anwalt empfehlen und gleichzeitig das Angebot zur Unterstützung um meinen eventuellen Prozess als Musterprozess zu verwenden. Um mit nen Anwalt für mich selbst zu verhandeln, reicht mir meine Rechtsschutzversicherung. Meine Hoffnung im Rahmen der Gewerkschaft geschützt zu sein erfüllte sich nicht. Ich trat aus und regelte alles selbst und hatte keine Nachteile erfahren. Jetzt geht es jedoch um Tarifverträge und da sagt die Gewerkschaft, es müssten 40-50 % aller Arbeitnehmer in der Gewerkschaft sein, damit sie Tätig werden darf. Diese Zahlen konnte ich jedoch auf keiner Weise bei Recherchen bestätigen. Ich würde auch in die Gewerkschaft eintreten, nur nach den bisherigen Aussagen, würde ich daher dennoch ausser Beitrag zu zahlen nichts davon haben.
Wie ist da die Rechtsgrundlage: Müssen tatsächlich mehr als 40% der Arbeitnehmer Gewerkschafter sein, damit die Gewerschaft für Ihre Mitglieder was tun kann?
Darf ein Betriebsrat tatsächliche KEINE Unterstützung und Werbung für die Gewerkschaft machen?
Muss ich tatsächlich bei Problemen gegenüber dem Arbeitgeber im zweifel namentlich alles ausser Beratung alleine regeln?
Von den Antworten wird auch meine Entscheidung für eine erneute Mitgliedschaft in der Gewerkschaft abhängen.
Über sachdienliche Antworten wäre ich dankbar.
Sepp
1 Antwort
Hallo, ich bin sehr enttäuscht und traurig über das, was Sie bzgl. der Gewerkschaft erlebt haben und hier schildern! Das ist nicht die Gewerkschaft, wie ich sie auch kenne! Die Gewerkschaft ist eine Kampforganisation der Arbeiter und Angestellten für deren Rechte, für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen, für Frieden, gegen Faschismus und Rassismus, für die Gleichberechtigung der Frauen, gegen Sozial- und Demokratieabbau und gegen politische Strafverfolgung. Was Sie erlebt haben, ist ein zur Bürrokratie pervertierter Stellvertreter-Haufen der Arbeitgeber! Wenn Sie Mitglied der Gewerkschaft sind, haben Sie grundsätzlich den Anspruch, Rechtsrat in allen Arbeitsrechtsangelegenheiten zu bekommen, von Mobbing bis zur Kündigung und von Lohn biw zur Arbeitszeit. Zu diesem Zweck sind bei der Gewerkschaft viele Rechtssekretäre tätig; wo die aber in den einzelnen Regionen dann konkret sitzen, weiss ich auch nicht genau. Ein Rechtssekretär ist praktisch einem Fachanwalt für Arbeitsrecht gleichzusetzen, oder gar noch besser, weil er noch mehr Erfahrung hat und näher dran ist, am Schauplatz, also sozial und organisatorisch. Er arbeitet für die Rat- und Hilfesuchenden ja nicht auf marktwirtschaftlicher, entgeltlicher Basis, sondern auf der einer Solidaritätsorganisation. Ich persönlich lege im Alltag allergrössten Wert auf Solidarität und deshalb schreibe ich Ihnen hier auch! Wie Sie mit diesen Typen am sinnvollsten umgehen, oder bessser, wie Sie sie umgehen, weiss ich jetzt auch nicht. Ich bin leider gewerblich sselbständig und kann deshalb in keeine Gewerkschaft eintreten, auch wenn ich keine Angestellten o.ä. habe und ausschliesslich mich selbst ausbeute - deshalb habe ich aber keine eigenen konkreten Erfahrungen mit und in der Gewerkschaft! Bei der Gewerkschaft werden diejenigen KollegInnen, die nicht oder noch nicht Mitglied sind, ebenso solidarisch behandelt, konstruktiv, wie die Mitglieder, sonst wäre das ja nur eine einzige marktwirtschaftliche Schei...! Ganz sicher kann der Betriebsrat auch Werbung für die Gewerkschaft machen, er will es aber nicht, weil ihm der Arbeitgeber einen warmen Stuhl und Posten gibt und den will er ja nicht selbst "wegrationalisieren", indem jetzt die Gewerkschaft an Bord kommt und erstmal eine anständige Lohnpolitik und Arbeitskampf einführt. Im Gegenzug sorgt dieser ebenfalls pervertierte Betriebsrat dafür, dass die Lohnforderungen und anderen Arbeitsbedingungen sehr zugunsten des Arbeitgebers gedeckelt sind. Diese Burschen, von Karl Marx als Lumpenproletarier bezeichnet, gehören weggefegt. Es gibt Unternehmen, in denen arbeiten Gewerkschaft und Betriebsrat sehr effektiv zugunsten der lohnabhängig Beschäftigten zusammen und befruchten sich gegenseitig. Es gibt auch sehr viele Betriebsräte in Deutschland, die sehr fortschrittlich und kämpferisch für die Rechte der ArbeiterInnen eingestellt sind und ein allerhöchst löbliche Arbeit leisten. Da hat aber der Arbeitgeber dann auch sehr wenig Freude dran. Dass das bei Ihnen alles anders ist, tut mir sehr leid. Im Extremfall wären Sie der Erste, der sich kämpferisch organisieren möchte, wobei ich mir ziemlich sicher bin, dass etliche andere mitziehen würden, wwenn man sie hinter dem Ofen vorholt. Die trauen sich nur nicht und fürchten jeweils, sie seien der Einzige ... Aber irgendjemand muss mal den Anfang machen - und wieso nicht Sie? Richtig ist schon, dass es eines gewissen, beachtlichen Prozentanteils von Arbeitnehmern bedarf, die in der Gewerkschaft sind, damit diese sinnvoll als Tarifpartner auftreten kann. Stellen Sie sich vor, ein Betrieb hat 100 ArbeitnehmerInnen und 2 davon sind in der Gewerkschaft und streiken - da lacht sich der Arbeitgeber fast tot; also daas macht keinen Sinn. Ob der Prozentsatz, der nötig ist, nun bei 20, 30 oder 50 Prozent liegt, der nötig ist, hängt sicher vom Betrieb ab und wie die Gewerkschaftsmitglieder auf die Teile des Betriebes verteilt sind. Dies alles können die erfaahrenen Gewerkschafter aber nur heraausfinden, wenn sie sich mit Ihnen konstruktiv beschäftigen und mit Ihren Problemen auseinandersetzen. Eine gesetzliche Regelung gibt es dafür nicht, da grundrechtlich die Koalitionsfreiheit garantiert ist. Irgendwie Sinn sollte ein Arbeitskampf aber schon haben, sonst sind die Gewerkschafter zum Schluss nur enttäuscht und schmeissen gar noch hin ... Dafür gibt es bei der Gewerkschaft viele sehr erfahrene KollegInnen. Aber auch selbst wenn Sie alle gemeinsam zum Schluss kommen, wir sind für einen Arbeitskampf zu schwach, zu wenige, gibt es andere sehr effektive Möglichkeiten, wie Ihnen die Gewerkschaft helfen kann, wie sie Sie unterstützen kann. Es ist durchaus denkbar, eine Gewerkschaftsgruppe von Null an im Betrieb neu aufzubauen. Sie müssten sich aber auch dafür einsetzen, dafür stark machen. Das ist politische Arbeit, sehr hart, die Gewerkschaft wird Sie dabei unterstützen! Und wenn die sich aus ihren Sesseln nicht erheben, dann kämpfen Sie dafür, dann sagen Sie denen, was ich Ihnen hier ...
... geschrieben habe. Vielleicht können Sie sie ja wachrütteln durch Provokation! Im Grunde können Sie aber nur selbst für Ihre Rechte kämpfen, im Bunde mit möglichst vieelen anderen KollegInnen und der Gewerkschaft im Rücken. Werben Sie doch dafür, in die Gewerkschaft einzutreten, gemeinsam dem Arbeitgeber etwas entgegenzusetzen, die KollegInnen aus anderen Betrieben um Unterstützung bitten. Ich wünsche Ihnen viel Kraft und solidarische KollegInnen und auch ein wenig Glück dazu! Alless Gute! Viele Grüsse