Wieso hat die Polizei kein Martinshorn wie die Feuerwehr und meistens der Rettungsdienst?

10 Antworten

Ja was soll man da sagen. Es ist schon viel Gesagt also fasse ich das nochmal etwas zusammen:

  1. In der Wahrnehmung sind Drucklufthörner wohl besser (größerer Frequenzbereich, macht mehr Eindruck wirkt Brachialer)
  2. Drucklufthörner verursachen mehr Hektik meist wird die Reaktion der Autofahrer schlechter wenn man die große tröte einschält ;D
  3. Presslufthörner sind sehr Teuer und wesentlich aufwändiger zu verbauen.
  4. Die Beschaffung: Bei Polizeifahrzeugen schreibt das Land oder der Bund eine große Anzahl von Fahrzeugen aus und die werden dann auch bestellt. Im Rettungsdienst ist das schon wesentlich dezentralisierter da ist im Landkreis ein zuständiger der vorgaben macht und zusätzlich dürfen die einzelnen Dienstleister des Rettungsdienstes (DRK, ASB usw) selber noch was entscheiden. In der Feuerwehr ist es noch krasser, da kann jede Gemeinde im Einzelfall entscheiden welches Fahrzeug ein Drucklufthorn haben soll.

Hallo Driverm451,

alles hat seine Vor- und Nachteile. Auch im Bereich der Sondersignalanlagen.

Pressluftfanfaren der Fa. Max B. Martin oder auch der Fa. Fiamm sind quasi Trompeten (darin liegt auch der Ursprung der Fa. Martin), durch die in einem Kompressor erzeugte Druckluft gepresst wird. Ein original "Martinhorn" liegt momentan so bei ca. 1.500 EUR, das der Fa. Fiamm bei rund 500 EUR.

Daneben gibt es dann elektronisch erzeuge Signale, die über einen Lautsprecher ausgegeben werden sowie Relaisschaltungen, die dann im Grunde genommen abwechselnd zwei verschiedene Autohupen ansteuern (z.B. Bosch Starktonhörner).
Starktonhörner sind mit Abstand die günstigste Alternative, die bekommt man in der Regel für unter 100 EUR... allerdings sind die zum einen je nach Einbauort deutlich leiser als alles andere und fallen zum anderen im Straßenverkehr nicht auf, da sie wie normale Autohupen klingen.

Die elektronischen Signale werden meist in sogenannte "Blaulichtbalken" verbaut - und genau die werden heute fast immer auf Streifenwagen verwendet. Diese Blaulichtbalken können nämlich noch weitaus mehr, als "nur" Blaulicht und Signalhorn:

  • Verschiedenartige Signale: Mit den Balkenanlagen lassen sich verschiedene Signale abspielen. In Deutschland wird z.B. häufig zwischen dem Stadt- und dem Landsignal unterschieden. Das Stadtsignal strahlt aufgrund seiner Frequenz weniger nach vorne und mehr zu den Seiten hin ab, was im dichten Innenstadtverkehr mit vielen Seitenstraßen von Vorteil ist. Das Landsignal strahl hingegen weniger zu den Seiten und mehr nach vorne ab, so dass bei höheren Geschwindigkeiten auf geraden Landstraßen der vorausfahrende Verkehr früher gewarnt wird und der Querverkehr aufgrund weniger Seitenstraßen zu vernachlässigen ist. In der Vergangenheit wurden zudem ja auch schon mal zusätzliche Signale z.B. als Aufforderung zum Anhalten ausprobiert.
  • Sprachdurchsage: Über den Lautsprecher, über den auch das Signalhorn ausgesendet wird, lassen sich Sprachdurchsagen tätigen ("Bitte halten Sie die Kreuzung frei" oder auch bei Evakuierungen etc.)
  • Matrix/Display: In die Balken lassen sich Displays integrieren, die mit individuellen Texten wie "Halt - Polizei", "Bitte folgen", "Achtung - Unfall" oder auch Richtungspfeile für die Verkehrslenkung programmiert werden können.
  • Beleuchtung: In die Balken können zusätzliche Scheinwerfer eingebaut werden. Z.B. Arbeitsscheinwerfer, um die Fläche um den Streifenwagen herum ausleuchten zu können, zusätzliche Blinker zur Einsatzstellenabsicherung usw. Und natürlich ist auch das Blaulicht integriert...

"Blaulichtbalken" können je nach Ausstattung und Hersteller zwar durchaus 3.000 bis 5.000 EUR kosten. Allerdings sind diese insgesamt sowohl günstiger als auch wesentlich einfacher auf- und abzubauen bzw. anzuschließen, als wenn man Presslufthorn (mit Kompressor etc.), Durchsageeinrichtung mit Lautsprecher, Display und ggfs. zusätzliche Verkehrswarnanlagen, Scheinwerfer etc. einzeln kaufen und installieren würde.

Zudem entstehen weniger Bohrlöcher für die Verkabelung als bei Einzelbauteilen - ein Aspekt, der vor allem bei Streifenwagen zum Tragen kommt, die ja in der Regel schon nach recht kurzer Zeit ausgemustert und weiterverkauft werden (Werterhalt)

Und von der Wahrnehmbarkeit... nunja, da scheiden sich die Geister. Rein messtechnisch soll es angeblich kaum Unterschiede in der Lautstärke einer Pressluftfanfare und eines elektronisch erzeugten Tons geben. Gefühlt ist Pressluft aber wesentlich lauter, was wohl mit der Abstimmung der Töne bzw. Frequenzen zusammenhängt. Die Fa. Martin hält ein Patent für das tremolierende Geräusch, welches ihre Hörner erzeugen.

Bei der Feuerwehr werden übrigens aufgrund der o.g. Vorteile auch häufig Blaulichtbalken mit elektronischem Signal verbaut, durchaus auch auf Großfahrzeugen. Da aber viele Feuerwehren von den Pressluftsignalen mit ihrem gefühlt prägnanteren und wirkungsvolleren Ton überzeugt sind, werden hier häufig Blaulichtbalken mit zusätzlichem Martinhorn verbaut. Ist letztendlich eine Kostenfrage - aber Feuerwehrfahrzeuge haben ja in aller Regel auch eine deutlich längere Nutzungsdauer (mehrere Jahrzehnte...) als Streifenwagen (oft 2 bis 3 Jahre).

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
drweskott  16.06.2019, 11:33

sehr gute antwort, aber: die tonbildung beim martin-horn erfolgt nicht wie bei einer trompete, sondern eher ähnlich wie bei einer schalmei.....

26Sammy112  17.06.2019, 09:47
@drweskott

Richtig... aber ich befürchte, dass heutzutage 90% der Menschen nicht (mehr) wissen, was eine Schalmei ist :-)
Und tatsächlich liegt der Ursprung des Unternehmens Max B. Martin ja in der Herstellung von Kavallerietrompeten und Jagdhörnern.

26Sammy112  19.07.2018, 11:24

Vielleicht noch ergänzend:

[...] eine Kompressorhornanlage als Unterstützung wäre ja gerade im Stau oder bei roten Ampeln sinnvoll.

Nicht unbedingt. Denn das Problem ist hier oftmals nicht, dass die Einsatzfahrzeuge von den Verkehrsteilnehmern akustisch nicht wahrgenommen, also gehört werden - sondern dass diese a) entweder keine Möglichkeit haben, Platz zu machen oder b) nicht wissen, wie sie sich in dieser Situation richtig verhalten sollen.

Da hat der Blaulichtbalken dann sogar einen Vorteil: Über eine Sprachdurchsage kann man den Autofahrern unter Umständen noch Auffordern, Platz zu machen bzw. Tipps geben, wo sie sich jetzt am besten hinstellen sollen, damit das Einsatzfahrzeug passieren kann.

Eine RTK bietet viel mehr Möglichkeiten als ein reines Martin-Horn. https://www.hella.com/emergency/assets/media_global/857_KI_Moduluebersicht_RTK7_12V_HELLA_DE.pdf

Außerdem ist eine RTK mechanisch viel einfacher zu installieren. Beim Martin-Horn brauchst du einen Stromanschluss und dann müssen die Luftleitungen auch noch irgendwie verlegt werden.

Es gibt zwar die Möglichkeit auf eine RTK auch ein Martin-Horn zu bauen aber da wird es dann wieder eine Kostenfrage.

Hallo ;

Ich bin zwar kein Verantwortlicher, der über solche Sachen zu entscheiden hat, aber ich schätze, dass Du Dir die Antwort schon selbst gegeben hast.

Die Kompressoranlage ! 1.) Bei einem Benziner - sehr hoher Leistungsverlust des Motors  2.) Kompressor, Luftdruckvorratsbehälter und Hörner zusammen haben einen hohen Platzbedarf 3.) Natürlich die Kosten

Diese drei Argumente dürften bei den Verantwortlichen schon ausgereicht haben, um die Verkehrssicherheit hier hinten anzustellen, vermute ich mal, den über diese elektronischen Martinshörner habe ich mich schon zu meiner aktiven Zeit als Berufskraftfahrer im Schwerlasttransport aufgeregt, da man sie einfach nicht hören kann, z.B. bei geschlossenen Fenstern oder wenn man Radio hört in normaler Lautstärke etc..

  Viele Grüße  Udo

Nonameguzzi  19.07.2018, 12:26

Eine Pneumatische Fanfare arbeitet ohne Druckspeicher braucht 300W das sind 0.3kw oder halt 0.4ps eine Klimaanlage braucht mehr.

Der Kompressor des Horns wiegt gute 5 Kilo und ist ca 30x15x15cm groß

Hi,

Gibt es dafür einen bestimmten Grund?

Ich denke, das ist zum einen eine Kostenfrage - eine Signalanlage mit Kompressor von Max Martin ist schon teurer als eine 0815-Signalanlage mit E-Horn.

Zudem ist das ganze wartungsintensiver: der Kompressor will in regelmäßigen Abständen geölt werden, um sicher zu funktionieren.

LG

Nonameguzzi  19.07.2018, 12:23

Ich hab in meiner Feuerwehr jetzt Kompressoröl in die Jahresbestellung geschrieben zusammen mit einer Fettpresse für die Trommelbremsen.

Erster Kommentar dazu "ging doch auch die letzten 50 Jahre ohne"

SaniOnTheRoad  19.07.2018, 12:26
@Nonameguzzi

Naja, ich habe ehrlich gesagt auch noch keine Fehlfunktion wegen unzureichender Wartung gesehen (zumindest beim Kompressor) - liegt aber vielleicht auch daran, dass bei uns (Rettungsdienst) nur noch die Ersatzfahrzeuge Pressluft haben :-/

Nonameguzzi  19.07.2018, 12:27
@SaniOnTheRoad

Wir haben in der FW alle großfahrzeuge mit Druckluft und neubeschaffungen werden ab dieses Jahr alle mit Martinshorn getätigt.