Werkstudent: Urlaub nachträglich "auszahlen"?
Hallo liebe Community,
ich weiß, zum Thema "Urlaub für Werkstudenten" gibt es etliche Forenbeiträge, allerdings habe ich keine für mich passende bereits gestellte Frage gefunden. Ich hoffe ich habe nichts übersehen.
Nun zu meiner Frage:
Ich war vom 01.03.2015 bis 31.08.2016 bei einem relativ großen Telekommunikationsunternehmen parallel zu meinem Studium tätig. Davon waren die ersten 12 Monate als Werkstudent (auf Stundenbasis bezahlt) und die letzten 6 Monate als Bachelorand (monatlich feste Vergütung).
Ich habe erst jetzt bei einer neuen Stelle bei einem anderen Unternehmen festgestellt, dass ich auch als Werkstudent gesetzlich Anspruch auf bezahlten Urlaub habe, den ich mir natürlich jetzt auch nehme. Wenn ich das so überschlage, komme ich für die 1,5 Jahre bei meinem vorherigen Arbeitgeber bestimmt auf eine vierstellige Summe, die mein Urlaub "wert gewesen wäre". Aufgeklärt über mein Recht auf Urlaub hat mich dort niemand, es war auch sonst unter Werkstudenten nie ein Thema.
Habe ich jetzt nachträglich Chancen (also rechtliche Grundlagen), mir diesen Urlaub nachträglich auszahlen zu lassen? Falls nicht, kann ich auf "Kulanz" meines Arbeitgebers hoffen? Hat hierzu jemand Erfahrungen?
Danke für eure Hilfe! :)
2 Antworten
Habe ich jetzt nachträglich Chancen (also rechtliche Grundlagen), mir diesen Urlaub nachträglich auszahlen zu lassen?
Eindeutig (leider): Nein - was einen Rechtsanspruch betrifft.
Urlaub darf grundsätzlich nur dann ausgezahlt werden (Bundesurlaubsgesetz BUrlG § 7 "Zeitpunkt, Übertragbarkeit und Abgeltung des Urlaubs"), wenn er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (oder in Deinem Fall: des Praktikums) ganz oder teilweise nicht genommen werden konnte.
Dass Urlaub nicht genommen werden konnte, setzt voraus, dass es dafür dringende betriebliche oder persönliche (z.B. Erkrankung) Gründe gab, die die Gewährung von Urlaub nicht ermöglichten.
Dass Du Deinen Anspruch auf Urlaub nur deshalb "nicht wahrnehmen konntest", weil Dir einfach nicht bekannt war, dass Du überhaupt einen solchen Anspruch hattest, und Dein Arbeitgeber Dich nicht darüber aufgeklärt hat (wozu er - leider - auch nicht verpflichtet war), ändert zu Deinem Nachteil nichts an dieser restriktiven Bestimmung, wann Urlaub abgegolten werden darf.
Aber selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass es tatsächlich während der gesamten Praktikumszeit aus dringenden betrieblichen (oder persönlichen) Gründen keine Möglichkeit gegeben hätte, Urlaub zu nehmen, damit also grundsätzlich ein Anspruch auf Abgeltung bestünde, wäre dieser Anspruch inzwischen verwirkt, da ich mit Sicherheit davon ausgehe, dass es bei dem "relativ großen Telekommunikationsunternehmen" Regelungen zu vertraglichen Ausschlussfristen gibt (arbeitsvertraglich mindestens 3 Monate, tarifvertraglich mindestens 1 Monat, meist 6 Monate), nach deren Verstreichen die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen sind.
Sollte es aber - immer noch bei diesem unwahrscheinlichen Fall bleibend - entgegen meiner Annahme keine vertraglichen Regelungen zu Ausschlussfristen geben, könntest Du Deine Ansprüche im Rahmen der gesetzlichen Verjährungsfrist von 3 Jahren (Bürgerliches Gesetzbuch BGB § 195 "Regelmäßige Verjährungsfrist") noch bis zum 31.12.2018 (für 2015) bzw. bis zum 31.12.2019 (für 2016) geltend machen - müsstest dann allerdings den kaum möglichen Nachweis führen, dass Du den Urlaub für 2015 und 2016 während der gesamten Beschäftigungsdauer aus dringenden betrieblichen (oder persönlichen) Gründen nicht nehmen konntest.
Falls nicht, kann ich auf "Kulanz" meines Arbeitgebers hoffen?
Das wird Dir kein Außenstehender sagen können und wirst Du erst erfahren, wenn Du Deinen früheren Arbeitgeber ansprichst und vielleicht an seine Fairness appellierst immerhin kann man es als "Hintergehen" auffassen, wenn er einen Praktikanten in dem irrigen Glauben lässt, er habe keinen Urlaubsanspruch, ihn zum eigenen Vorteil also nicht über seinen Anspruch aufklärt.
Viel Glück dabei!
Ein Verhalten des früheren Arbeitgebers, das ich übrigens äußerst "schovel" finde - wie man hier im Münsterland auf Masematte für "gemein, hinterhältig, verächtlich, unredlich" usw. oft noch sagt.
Du haettest sowohl im Jahr 2015 wie auch im Jahr 2016 einen Anspruch auf den vollen Jahresurlaub gehabt, also jeweils mindestens 4 Wochen (ggf. abzueglich fuer die betreffenden Jahre von einem anderen Arbeitgeber erhaltenen Urlaub).
Allerdings duerfte dein Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2015 bereits am 31.3.2016 und der aus 2016 am 31.3.2017 verfallen sein.
Hallo Familiengerd,
vielen Dank für Deine ausführliche Antwort. Ich habe es fast befürchtet, werde aber mein Glück dennoch probieren.
Danke und viele Grüße!