Was ist mit "wirtschaftlicher Vorteil" in § 107 BGB gemeint?

4 Antworten

Es heißt rechtlicher Vorteil. 

Die Formulierung ist etwas schwer verständlich, daher einfacher:

Eine Willenserklärung, durch die dem Minderjährigen nur Vorteile entstehen, ist auch ohne Einwilligung der Eltern gültig.

Beispiel:

Der Minderjährige bekommt von Opa / Oma / Onkel / Tante / sonstigen erwachsenen Bekannten und Verwandten ein Geschenk, z.B. einen 10€-Schein. Die Übergabe ist eine (konkludente) Willenserklärung des Schenkenden: "Ich möchte dir den Schein geben."

Die Annahme des Scheins ist eine (wiederum konkludente) Willenserklärung des Beschenkten: "Ich nehme das Geschenk an."

2 übereinstimmende Willenserklärungen -> es ist ein Vertrag entstanden.

In diesem Fall ein Schenkungsvertrag.

Jetzt wissen wir aber auch, daß Verträge mit Minderjährigen nach BGB §108 eigentlich "schwebend unwirksam" sind, bis ein gesetzlicher Vertreter (also ein Elternteil) zustimmt.

Greift dieser § hier? Können also die Eltern sagen: "Nein, Du darfst das Geschenk nicht annehmen, gib den Schein zurück!"

Nein!

Denn in diesem Beispiel entsteht dem Minderjährigen nur ein Vorteil (Geld), aber keine Nachteile oder Verpflichtungen (das Geschenk ist ja an keine Bedingung geknüpft).

Die Willenserklärung des Minderjährigen ist also gültig, und somit auch die Schenkung.

Ein weiteres Beispiel wäre z.B. eine Erbschaft (so lange die Erbmasse keine Schulden beinhaltet)

Gegenbeispiel:

Der Minderjährige schließt einen Abo-Vertrag ab, z.B. "Jede Woche 5 neue superdoofe Quäk-Klingeltöne für dein Handy für nur 9,99€".

Hier hat der Minderjährige nicht nur einen Vorteil (5 x Quäk), sondern auch eine Verpflichtung ("zahle 9,99€")

Daher: Willenserklärung gilt nur mit Einwilligung, der Vertrag ist schwebend unwirksam. Erfolgt keine Genehmigung binnen 2 Wochen, dann gilt die Genehmigung als verweigert und der Vertrag somit als nichtig.

Der sog. "Taschengeldparagraph" (BGB §110) ist hier übrigens nicht anwendbar, da der Minderjährige nur über finanzielle Mittel frei verfügen darf, die ihm überlassen worden sind (Vergangenheit!), nicht aber über die Mittel, die ihm in Zukunft überlassen werden.

Hm. In §107 BGB ist ausschließlich von einem "rechtlichen Vorteil" die Rede. 

ancrion 
Beitragsersteller
 12.10.2015, 17:07

stimmt dann hab ich mich verlesen danke


Macaoblau  12.10.2015, 17:08
@ancrion

Aber nicht in §107 BGB. :-((

ancrion 
Beitragsersteller
 12.10.2015, 17:09
@Macaoblau

ja stimmt aber was wäre dann zb ein wirtschaftlicher vorteil ?

Macaoblau  12.10.2015, 17:21
@ancrion

Ein wirtschaftlicher Vorteil wäre z.B. ein günstig abgeschlossener Kaufvertrag. Der Minderjährige kauft ein neues i-Phone für 50 Euro und hätte die Möglichkeit, es für 500 Euro wieder zu verkaufen. Aber genau dieser Fall wird durch §107 BGB ausgeschlossen aufgrund der Gegenleistung (Zahlung von 50 Euro), die der Minderjährige zu erbringen hätte. 

Genau lesen - da steht rechtlicher Vorteil! Damit ist gemeint, dass man zwar z.B. Eigentum erwirbt (rechtlicher Vorteil), aber keine Gegenleistung (rechtlicher Nachteil) erbringen muss.