Warum haben Bauarbeiter früher manche Baustellen alleine bewältigt und heute rücken immer riesige Teams an?


30.05.2021, 23:59

Symbolbild. (Genauso eine Raupe hatte mein Opa.)

2 Antworten

Andere Zeiten, andere Vorschriften, andere Materialien und geringere Ansprüche an Ausführung, Arbeitsschutz und vieles mehr. Die Baustellen dauerten in der Regel auch viel länger als heute. Unfälle sind viel häufiger vorgekommen und die Handwerker wurden oft für alle Arbeiten eingesetzt, wenn heute z.T. Spezialisten verlangt werden. Selbst eine Toilette war meist nicht vorhanden und auch kein Bauwagen für die Pausen. Statt Gerüst wurden oft nur Leitern verwendet, oder nur 2 Böcke mit einer alten Bohle drauf. Es wurde auch viel getrunken und gelegentlich mal ein ganzer Tag vergammelt, also nicht an der Baustelle sondern in der Kneipe verbracht. Auch das sollte dein Opa noch kennen.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung
Hessen001 
Beitragsersteller
 31.05.2021, 00:54
Es wurde auch viel getrunken und gelegentlich mal ein ganzer Tag vergammelt, also nicht an der Baustelle sondern in der Kneipe verbracht.

Das hat mein Opa zu hundert Prozent nicht gemacht. Im Gegenteil. Während Kollegen oft Feierabendbier getrunken haben, hatte er einen Nebenjob in einem Sägewerk.

Harry512  01.06.2021, 18:55
@Hessen001

Morgens in der Frühstückspause fuhr einer los; 1 Kasten Bier für jeweils 2 Mann. Von 10 Bauarbeitern hatte im Schnitt nur einer den Führerschein, meist der Kran-, bzw. Baggerfahrer, der auch den Firmenbus fahren durfte. Meistens war der abends noch fahrtüchtig. Schwarzarbeit war in den 70ern die Norm, aber da ging auch nix ohne Bier. Bier gab es immer und überall. Wenn der Chef zur Baustelle gab, brachte er meist was für die Getränkekasse mit. Überstunden wurden vom Chef ebenfalls schwarz bezahlt; Freitags gab es die Lohntüten. In der Regel waren es 2 Lohntüten; eine mit dem offiziellen Lohn (für Frau und Familie) und die zweite mit den Überstunden (gegen den Durst), oft ohne Wissen der Frau. Schwarzarbeit nach der Arbeit wurde von den Chefs meist gedudet; er verkaufte seinen Leuten das Baumaterial und wollte in den "goldenen Zeiten der Bauwirtschaft" nix mit den vielen Kleinaufträgen der Privatleute zu tun haben. Viele machten sich damals selbständig, frei nach dem Motto: "Jeder, der sich eine Schubkarre und 4 Schaufeln leisten kann, wird Bauunternehmer".
Ich weiß nicht, was dein Opa gemacht hat, aber viele haben damals auch ihr Geld zusammengehalten und Häuser gebaut. Aber die meisten haben das nicht so gemacht. Die Baupreise stiegen Anfang der 70er bis ca. 1980 teilweise um mehr als 10% im Jahr, und die Löhne stiegen ebenfalls schnell. Die Inflation war hoch. Die Wartezeiten beim Hausbau waren unverhältnismässig lang. Viele Firmen gingen pleite, weil sie die Aufträge aus Zeitgründen nicht erledigen konnten. Facharbeiter machten sich selbständig, und Baufirmen stellten Massen an ungelernten Arbeitern ein. Da waren schwarzarbeitende Fachleute willkommen.

Hessen001 
Beitragsersteller
 01.06.2021, 22:21
@Harry512

Mein Opa hatte bereits als er in der Lehre war das Haus für seine Eltern gebaut, 1957. Das ist das Haus, indem wir noch heute leben.

Aber Bier wurde bei meinem Opa bei der Arbeit nicht getrunken. Da hat er großen Wert darauf gelegt.

Vielleicht liegt es daran, dass die Gewerbe an ihre Konzessionen gebunden sind und nicht jede Firma mehrere Konzessionen hat. Früher hat man sich darum weniger gekümmert, weil Arbeit für alle da war. Dazu kommt noch bei größeren Projekten, dass die Arbeiten einzeln nach Gewerbe ausgeschrieben werden und dann auch einzeln vergeben werden.