Warum haben Bauarbeiter früher manche Baustellen alleine bewältigt und heute rücken immer riesige Teams an?
Also bei meinem Opa (geb. 1939) war es in den späten 50ern bis in die 80er eigentlich so, dass er sehr oft an Baustellen alleine gearbeitet hat, bzw. mal maximal einen Helfer dabei hatte.
Natürlich hat er auch oft in einem großen Team gearbeitet, aber oft auch alleine.
Da hieß es dann z.B. da und da müssen irgendwelche Rohre verlegt werden, da und da muss irgendwas ausgehoben werden oder da und da muss irgendwas abgerissen werden und dann ist mein Opa mit seinem Tieflader los, hatte die Laderaupe mit Baggerschaufel hintendrauf und ggf. Rohre oder sonstiges und hat das dann alleine oder mit einem Helfer alles gemacht. Und am Schluss kam dann ein Polier und hat alles nochmal abgenommen.
Alte Bauernhäuser sarniert hat mein Opa zum Beispiel oft alleine. Da hatte er seine Raupe zum Abreißen, hat den Schutt weggefahren - Baumaterialien wurden ihm ggf. angeliefert und dann hat er da oft alleine gebaut. Gibt's auch noch viele Bilder davon. So hat er zum Beispiel sehr viele Bauernhäuser in einem Dorf hier im Auftrag der Firma alleine saniert. Abgerissen, gemauert, verputzt, Rohre verlegt. Und sowas wie Fliesen legen oder streichen hat er dann noch schwarz gemacht - aber mit Erlaubnis des Chefs. Das einzige, was er nicht gemacht hat, war der Dachstuhl und das Dach decken.
Heute kommen Bauarbeiter ja oft schon bei ganz kleinen Arbeiten mit einem riesigen Team. Bei uns wird z.B. gerade die Straße neu gemacht. Da macht das eine diese Firma, das andere eine andere Firma und jeden Tag sind dutzende Leute zu gange. - Mein Opa hätte das früher alles alleine mit seiner Raupe gemacht.
Aber woran liegt das?
Gibt es da heute andere Vorschriften und Gesetze?
Gab es in den 50ern/60ern einfach so viel zum Wiederaufbauen, dass man die Bauarbeiter einfach so aufteilen musste, weil gar nicht genug da waren?
Symbolbild. (Genauso eine Raupe hatte mein Opa.)
2 Antworten
Andere Zeiten, andere Vorschriften, andere Materialien und geringere Ansprüche an Ausführung, Arbeitsschutz und vieles mehr. Die Baustellen dauerten in der Regel auch viel länger als heute. Unfälle sind viel häufiger vorgekommen und die Handwerker wurden oft für alle Arbeiten eingesetzt, wenn heute z.T. Spezialisten verlangt werden. Selbst eine Toilette war meist nicht vorhanden und auch kein Bauwagen für die Pausen. Statt Gerüst wurden oft nur Leitern verwendet, oder nur 2 Böcke mit einer alten Bohle drauf. Es wurde auch viel getrunken und gelegentlich mal ein ganzer Tag vergammelt, also nicht an der Baustelle sondern in der Kneipe verbracht. Auch das sollte dein Opa noch kennen.
Morgens in der Frühstückspause fuhr einer los; 1 Kasten Bier für jeweils 2 Mann. Von 10 Bauarbeitern hatte im Schnitt nur einer den Führerschein, meist der Kran-, bzw. Baggerfahrer, der auch den Firmenbus fahren durfte. Meistens war der abends noch fahrtüchtig. Schwarzarbeit war in den 70ern die Norm, aber da ging auch nix ohne Bier. Bier gab es immer und überall. Wenn der Chef zur Baustelle gab, brachte er meist was für die Getränkekasse mit. Überstunden wurden vom Chef ebenfalls schwarz bezahlt; Freitags gab es die Lohntüten. In der Regel waren es 2 Lohntüten; eine mit dem offiziellen Lohn (für Frau und Familie) und die zweite mit den Überstunden (gegen den Durst), oft ohne Wissen der Frau. Schwarzarbeit nach der Arbeit wurde von den Chefs meist gedudet; er verkaufte seinen Leuten das Baumaterial und wollte in den "goldenen Zeiten der Bauwirtschaft" nix mit den vielen Kleinaufträgen der Privatleute zu tun haben. Viele machten sich damals selbständig, frei nach dem Motto: "Jeder, der sich eine Schubkarre und 4 Schaufeln leisten kann, wird Bauunternehmer".
Ich weiß nicht, was dein Opa gemacht hat, aber viele haben damals auch ihr Geld zusammengehalten und Häuser gebaut. Aber die meisten haben das nicht so gemacht. Die Baupreise stiegen Anfang der 70er bis ca. 1980 teilweise um mehr als 10% im Jahr, und die Löhne stiegen ebenfalls schnell. Die Inflation war hoch. Die Wartezeiten beim Hausbau waren unverhältnismässig lang. Viele Firmen gingen pleite, weil sie die Aufträge aus Zeitgründen nicht erledigen konnten. Facharbeiter machten sich selbständig, und Baufirmen stellten Massen an ungelernten Arbeitern ein. Da waren schwarzarbeitende Fachleute willkommen.
Mein Opa hatte bereits als er in der Lehre war das Haus für seine Eltern gebaut, 1957. Das ist das Haus, indem wir noch heute leben.
Aber Bier wurde bei meinem Opa bei der Arbeit nicht getrunken. Da hat er großen Wert darauf gelegt.
Vielleicht liegt es daran, dass die Gewerbe an ihre Konzessionen gebunden sind und nicht jede Firma mehrere Konzessionen hat. Früher hat man sich darum weniger gekümmert, weil Arbeit für alle da war. Dazu kommt noch bei größeren Projekten, dass die Arbeiten einzeln nach Gewerbe ausgeschrieben werden und dann auch einzeln vergeben werden.
Das hat mein Opa zu hundert Prozent nicht gemacht. Im Gegenteil. Während Kollegen oft Feierabendbier getrunken haben, hatte er einen Nebenjob in einem Sägewerk.