SEK stürmte unsere Wg- Kann ich mich bei der Polizei beschweren, weil ich persönlich damit nichts zu tun hatte?
Hallo,
mir ist vor zwei Tagen etwas Schreckliches passiert, was mir nun Albträume und Angstzustände bereitet.
Das SEK hat um 6 Uhr morgens unsere Wg gestürmt und ich war perplex. Ich hab nie mit der Polizei etc. zu tun gehabt, dennoch wurde ich zwei Stunden in meinem eigenen Zimmer festgehalten und durfte mich nicht bewegen.
Das SEK war wohl wegen meines Mitbewohners da, der mal Dreck am Stecken hatte. Er leugnet es, mir ist es echt egal, was stimmt oder nicht. Das Problem ist, dass ich behandelt wurde wie eine Schwerverbrecherin. Sie waren nur wegen meines Mitbewohners da und sind auch zuerst in sein Zimmer gestürmt und waren überrascht, dass ich noch mein Zimmer in der Wohnung habe (Ich bin offiziell dort gemeldet und wenn die doch so gut beschatten, hätten sie es doch wissen müssen).
Ich wusste gar nicht, was los ist und als plötzlich jemand die Tür eingetreten hatte und Polizei rief, dachte ich, wir hätten Einbrecher in der Wohnung und werden nun alle umgebracht. Diesen Knall und diese Todesängste... Ich weiß nicht, wie ich das vergessen soll.
Ich musste meinen Bh und meine Unterhose ausziehen. Und zwei Stunden durfte ich nicht ans Handy und wurde durchgehend abwechselnd von jeweils einem männlichen Polizisten beobachtet.
Mein Zimmer wurde von nem Schäferhund durchschnüffelt, natürlich haben die nichts gefunden, weil ich mit Drogen nichts am Hut habe (bei meinem Mitbewohner wurde auch nichts gefunden).
Das war so aufregend, dass ich fast gekotzt hatte und seitdem körperliche Schmerzen habe und nicht mehr klar denken kann.
Mir fällt noch ein, als ich was trinken wollte, durfte ich nicht aufstehen und die Polizistin musste es mir aus dem Rucksack holen, ich durfte mich nicht rühren, nicht mal hinlegen.
Es war so erniedrigend, dass ich mich zwei Stunden nicht in meinem eigenen Zimmer bewegen durfte. Und dass abwechselnd ein männlicher Polizist in meinem Türrahmen stand und mich beobachtete. Ich unschuldiges Ding, das nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist, was sich auch sofort am Anfang herausstellte, als sie meinen Ausweis überprüften.
Die Wohnung war verwüstet und ich bin völlig fertig.
Soll ich es lieber sacken lassen, oder kann ich mich beschweren? Mein Freund meinte, die haben ja nur ihre Arbeit gemacht und es würde nichts bringen...
8 Antworten
Hallo,
zuerst:
Ich kann verstehen, dass dich die Situation aufgerüttelt hat, dafür hast du mein Mitleid.
Ich versuche dir erstmal zu erklären, wieso die Kollegen vorgegangen sind, wie sie nun mal vorgegangen sind.
Das SEK ist eine Spezialeinheit der deutschen Polizei, welche nur zu Einsätzen hinzugezogen wird, bei denen mit Widerstand zu rechnen ist. Wie du bestimmt mitbekommen hast, wurde ein Kollege erst Ende August bei einem Einsatz erschossen.
http://www.n-tv.de/politik/Polizist-stirbt-nach-Reichsbuerger-Einsatz-article18896676.html
Wenn also das SEK auftaucht, kannst man von einer gewissen "Relevanz" des Einsatzes ausgehen... eben aus diesem Grund sind die Kollegen manchmal etwas... "ruppig".... das liegt aber einfach nur daran, dass wir alle Familie haben und nachdem wir unsere Uniform ausgezogen haben, wieder gesund heim fahren wollen und diese Kollegen nun mal explizit dafür da sind, bei einer Gefahrensituation einzuschreiten.
Soweit der Hintergrund.
Rechtlich betrachtet halte ich - vorallem mit Hinblick auf die Eigensicherung - den Einsatz für in Ordnung, soweit ich es aus deinen Schilderungen entnehmen kann.
Die Unterwäsche musstest du in Beisein einer KollegIN ausziehen, wie ich deinen Kommentaren entnehmen konnte. Damit ist dem Grundsatz der "Gleichgeschlechtlichkeit" genüge getan. Auch hier für dich zur besseren Verständnis eine Hintergrundinformation: Gerade Drogen, aber auch Gegenstände, die als Waffen missbraucht werden können, werden oft in der Unterwäsche, mitunter auch in den Körperöffnungen versteckt. Konkrete Beispiele von mir: Drogen in kleinem Verschlussbeutel auf der Eichel unter der Penisvorhaut, Rasiermesserklingen in einem BH, Feuerzeug im Anus... eine Leibesvisitation hat also ganz allgemein nicht das Ziel der Demütigung, sondern unserer Eigensicherung...
Dass du nicht ans Handy darfst ist logisch. Solange nicht abgeklärt ist, dass du NICHTS mit den Drogengeschäften deines Mitbewohners zu tun hast, können dich die Kollegen nicht telefonieren lassen - sonst könntest du ggf. Mittäter informieren, welche Beweismittel (eben z.B. Drogen) verschwinden lassen könnten. Oft führt eine Durchsuchung zu weiteren, sogenannten "Folgedurchsuchungen", wenn bei der "Ursprungsdurchsuchung" Hinweise auf weitere relevante Wohnungen etc. aufgefunden werden.
Dass überhaupt bei dir durchsucht werden durfte ist durch den §103 StPO abgedeckt:
§ 103 StPODurchsuchung bei anderen Personen
(1) Bei anderen Personen sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des Beschuldigten oder zur Verfolgung von Spuren einer Straftat oder zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände und nur dann zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, daß die gesuchte Person, Spur oder Sache sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet
Im konkreten Fall kann aus polizeilicher Erfahrung angenommen werden, dass Drogengeld oder direkt ein Drogenvorrat, auch OHNE dem Wissen des WG-Mitbewohners in dessen Zimmer versteckt wird. Auch hier ein persönliches Beispiel: Wir haben mal bei einem 15(!!!) Jährigen durchsucht, der in der Schule mit Gras gedealt hat. Er hatte das Zeugs daheim unterm Bett von seiner dementen Oma versteckt!!!!! (Gut, dass wir bei ihr auch durchsucht haben;))
Das mit dem Trinken ist etwas komisch. Ich bin mir sicher, die Kollegen hatten ihre Gründe, aber wenn du um dir was zum Trinken zu holen, nicht das Zimmer verlassen hättest müssen, hätte ich persönlich dir das nicht verboten... außer natürlich sie haben die Befürchtung, dass in den Getränkeflaschen ihnen zu diese Zeitpunkt unbekannte Substanzen beigemischt sind... in die Küche hätte ich dich aber auch nicht gelassen, um dir z.B. ein Glas Leitungswasser zu holen - da liegen meistens Messer rum und so....
Ich unschuldiges Ding, das nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist, was sich auch sofort am Anfang herausstellte, als sie meinen Ausweis überprüften.
Du wirst sicher verstehen, dass das keine Grundlage für unsere Arbeit sein kann, da jeder Straftäter irgendwann mal "ein unschuldiges Ding war, welches nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist". Ich glaub dir das, keine Frage, aber die Kollegen können dennoch nicht wissen, ob du nicht mit in der Sache steckst. Und nicht vergessen: Es war das SEK! Also wurde vom Gericht und den Hauptsachbearbeitern ein Gefahrenpotenzial bejaht!
Dennoch haben dich die Kollegen ja scheinbar auch nicht als "Verbrecher" behandelt? Du wurdest z.B. nicht gefesselt (also Handschellen angelegt) oder auf die zuständige Polizeidienststelle verbracht... das heißt sie haben durchaus registriert, dass du "sauber" bist... aber haben trotzdem ihren Job gemäß den Eigensicherungsrichtlinien durchgezogen (wofür ich, wenn ich einer der Polizisten vor Ort gewesen wäre, sehr dankbar wäre!)
Und noch ein Detail, weils mir gerade einfällt: Sie waren um 0600 bei euch?
§ 104 StPODurchsuchung von Räumen zur Nachtzeit
(1) Zur Nachtzeit dürfen die Wohnung, die Geschäftsräume und das befriedete Besitztum nur bei Verfolgung auf frischer Tat oder bei Gefahr im Verzug oder dann durchsucht werden, wenn es sich um die Wiederergreifung eines entwichenen Gefangenen handelt.
(3) Die Nachtzeit umfaßt in dem Zeitraum vom ersten April bis dreißigsten September die Stunden von neun Uhr abends bis vier Uhr morgens und in dem Zeitraum vom ersten Oktober bis einunddreißigsten März die Stunden von neun Uhr abends bis sechs Uhr morgens.
Damit haben sie genau den rechtlichen Rahmen ausgeschöpft. Du kannst also davon ausgehen, dass die Aktion von langer Hand geplant war:-)
Und dass deine Wohnung verwüstet war... :-/ Ja, wir bleiben nie zum Aufräumen... das ist sche**e, ich weiß, aber es ist halt so. Wenn aber was kaputt gegangen ist, hast du Anspruch auf Regress (siehe weiter unten)!!!
Gut, jetzt haben wir die Hintergründe und die rechtliche Gesichtspunkte beleuchtet, kommen wir zu dir:
Ich kann mich zwar nicht in dich hineinversetzen, aber denke ich kann mir trotzdem einigermaßen vorstellen, wie es dir geht. Gerade als unbescholtener Bürger ist Kontakt mit der Polizei meistens "aufregend" (im negativem Sinn). Das fängt ja schon bei einer allgemeinem Verkehrskontrolle an, wenn der Verkehrsteilnehmer - der sich nichts zu Schulden kommen hat lassen - auf einmal Scheibenwischer und Blinker verwechselt, nicht mehr schaft das Fenster runterzulassen weil er den Knopf nicht findet und anschließend beim Aushändigen des Führerscheins so zittert, dass er es nicht schafft, den Führerschein aus dem Geldbeutel zu kriegen...
... und das was du erlebt hast, ist halt einfach mal ein paar Hausnummern höher!
Daher, mach dir erstmal bewusst: Die Polizisten wollten nichts von dir! Du hast mit der Sache nichts zu tun! Alles ist gut!
Du frägst, ob du dich über die Kollegen beschweren kannst:
Klare Antwort: Ja, das kannst du immer.
Wie ich oben dargelegt habe, halte ich alle Maßnahmen für rechtlich (und auch menschlich) für in Ordnung, dennoch hast du die Möglichkeit eine Beschwerde bei dem jeweiligen Dienstvorgesetzten (die für dich zuständige Polizeidienststelle) einzureichen. Nach meinem Dafürhalten wird in diesem Fall nichts dabei rauskommen, weil ich wie erwähnt keinen Verstoß feststellen kann, aber ggf. würde es deinem Seelenheil gut tun.
Was ich aber für viel wichtiger halte:
Du schreibst: "Das war so aufregend, dass ich fast gekotzt hatte und seitdem körperliche Schmerzen habe und nicht mehr klar denken kann."
Das darf nicht sein! Klar, rechtlich war die Durchsuchung und deine Behandlung in Ordnung, dennoch darf und kann es einfach nicht sein, dass du als Unschuldige, die nur "zur falschen Zeit am falschen Ort" warst, Schäden aus der Aktion mit nimmst. Formell wäre das eine "Körperverletzung im Amt" (geht auch psychisch), jedoch haben die Kollegen einen Rechtfertigungsgrund (Ausübung ihrer hoheitlichen Tätigkeit), daher liegt die Straftat nicht vor. Auf Grund des Rechtfertigunggrundes liegt von dir diesbezüglich auch kein zivilrechtlicher Anspruch auf Schmerzensgeld vor (das ist jetzt alles sehr sehr rechtstheoretisch und führt zu weit, wenns dich interessiert können wir das per PM klären). Dennoch hättest du vermutlich einen Anspruch auf Behandlungskosten, wenn du z.B. zu einem Psychologen oder Arzt gehen würdest. Und zumindest zu deinem Hausarzt solltest du gehen, allein schon, damit der Vorfall und deine psychische wie physische Verfassung dokumentiert ist.
Unterm Strich bieten sich dir einige Möglichkeiten und ich will dir von keiner abraten, das musst du für dich selber entscheiden:
1. Du kannst dir einen Anwalt nehmen um ggf. Zivilrechtliche Ansprüche durchzusetzen.
2. Du kannst eine Beschwerde über die Kollegen einreichen
3. Du kannst einen Arzt aufsuchen (mach das unbedingt!)
4. Du kannst das ganze "sacken lassen"
5. Und dazu würde ich dir raten: Schreib einen Brief an die Polizei, in der du genau deine Gefühle die du hier beschrieben hast erklärst. Dass du dich zu unrecht als Straftäter behandelt fühltest, dass du Schmerzen hast, dass du dich gedemütigt gefühlt hast und so weiter. Und wenn du jetzt noch in der Brief reinschreibst, dass dieser Brief nicht als Anschuldigung gegenüber den Kollegen zu verstehen ist, sondern du einfach nur mitteilen möchtest, wie es dir geht und dass es dir seitdem schlecht geht und du jetzt nachfragen möchtest, was du tun kannst oder sollst.... dann bin ich mir auch sicher, bekommst du eine sehr nette Antwort, in der dir ggf. weitergeholfen, auf jeden Fall aber "moralisch rehabilitiert" wirst....
Ich hoffe mal ich hab alle Fragen von dir aufgegriffen, entschuldige diesen Roman als Antwort, aber auf eine so komplexe Frage wollte ich nicht einfach abgekürzt antworten. Wenn du noch was wissen willst, frag einfach:)
Ich möchte dir auf jeden Fall nochmal mein Mitgefühl ausdrücken und dir versichern, dass es nicht im Sinne der Exekutive war, dich zu schädigen!
Ich wünsche dir auf jeden Fall alles Gute, viel Kraft um das Erlebte zu verarbeiten und einen guten Rutsch in das Jahr 2017
Beste Grüße
Sehr gerne. Wobei die Frage ist, ob die Antwort der Wahnsinn ist, oder ich wahnsinnig bin;)
Aber tu mir gleich einen Gefallen: Ich kann mich nicht erinnern, dir das "Sie" angeboten zu haben, bleiben wir bitte beim "Du". Solange ich nicht in Uniform vor dir stehe, ist es so doch viel vertrauter:)
Gerne, ich hoffe ich konnte dir helfen, das mit dem Brief halte ich für eine gute Idee...
Ansonsten biete ich dir auch hier nochmal die Möglichkeit an, mir eine private Nachricht zu senden, wenn du noch was wissen willst:)
Alles Gute!
Das ist schon oft passiert, auch mit toten Hunden und schusslöcher in Herd und Schrank ! Die Verantwortlichen sollten besser recherchieren !
Also, wegen mal ..........Dreck anstecken hatte ......., stürmt das SEK bestimmt keine Wohnung.
Da muss schon was akutes und schwerwiegendes vorliegen.
Und du wohnst nun mal in dieser WG.
Bei einer Hausdurchsuchung lassen die keinen aus und das zu recht.
Dein schönes Gesicht hilft dir da nicht weiter.
Auch beschweren wird keinen Erfolg haben.
Bleibt dir nur: ziehe aus dieser WG aus.
Danke für deine Antwort!!!! Du hast recht und ich bin mir auch sicher, dass viel mehr dahinter steckt!!!!! Leider kann ich es nicht aus ihm herauskitzeln. Ausziehen wurde mir auch schon empfohlen und werde ich schnell veranlassen.
Sie haben nur ihre Arbeit gemacht und wenn das SEK schon anrückt, dann hat dein Mitbewohner etwas mehr als ein bisschen Dreck am Stecken.
Denn sonst wäre die Kripo gekommen und es wäre etwas harmloser ausgefallen.
Dass so eine Situation nicht schön ist, kann ich mir denken. So etwas belastet einen, aber eine Beschwerde einzulegen wird nichts bringen. Die Menschen haben nur ihren Job gemacht.
Versuche, den Schrecken zu verdauen, falls das nicht geht, suche dir professionelle Hilfe.
Vielen Dank für deine Antwort!!!
Wenn das SEK anrückt, geht es nicht nur um den Konsum von ein paar Krümeln Hasch. Da bestand der Verdacht, die Hoffnung einen Boss des Drogenhandels zu erwischen. Das wird dir dein Mitbewohner auch grade auf die Nase binden.
Die Beamten müssen natürlich erst mal davon ausgehen, daß alle in der verdächtigen Wohnung angetroffenen Personen, an dem Sachverhalt beteiligt sein können.
Sollten sich die Beamten dir gegenüber vorschriftswidrig verhalten haben, kannst du eine Dienstaufsichtsbeschwerde einreichen.
Das solltest du aber mit einem Rechtsanwalt besprechen, was durch Gesetze gedeckt ist und wo sie evtl. Grenzen überschritten haben.
Wahnsinn! Ich bin sprachlos und hab auf so eine professionelle Nachricht gewartet, die endlich wirklich mal was aussagt, was wichtig ist. Ich bin echt glücklich und dankbar!!! Besser hätten Sie es nicht schreiben können, es steht wirklich alles drin, was wichtig für mich ist! Das mit dem Brief ist eine tolle Idee. Ich will ja kein Schmerzensgeld, ich wusste nicht wohin mit meinen Gedanken und wollte einfach wieder klar kommen und Antworten auf meine Fragezeichen haben,
also nochmal vielen Dank für Ihre Mühe, ich lese mir die Antwort sicherlich nochmal durch!
Bin jetzt sehr erleichtert, dass mich jemand ernst genommen hat und mich auch mal versteht!
Viele Grüße