Praktikant mit Autismus
Tagchen! Also, folgendes ist los: Heute kam eine Dame mit einem Mann (ca. 18 oder älter) für ein Vorstellungsgespräch in der Anwaltskanzlei in der ich arbeite vorbei. Uns wurde schon vor paar Wochen gesagt, dass er vorbeikommt und uns wurde auch bereits gesagt, dass er Autismus hat, alles kein Problem. Als der Chef ihn dann ins Büro begleitet hat, hat er nichts gesagt als ich mich vorgestellt habe. Immernoch gut, kann man ja nichts dran ändern, ist halt dann so. Die Tochter von meinem Chef hat mich bereits "vorgewarnt",dass er sehr sehr still ist und deswegen beim Botengang (ich würde ihn dann zum Amts- und Landesgericht usw. mitnehmen) höchstwahrscheinlich nichts sagen wird. Das Problem ist: ich bin eine sehr gesprächige Person und rede gerne mit neuen Leuten, also wie sollte ich mich verhalten? Wäre Smalltalk angebracht oder sollte ich es lieber lassen und einfach nur beim wichtigsten belassen, also ihm so den täglichen Botengang erklären? Ist vielleicht eine doofe Frage, aber mich würde es einfach interessieren, da ich ihn quasi für die nächsten 2 Wochen von Dienstag-Donnerstag beschäftigen muss, also, mit den Sachen die ich normalerweise tu. (Montags und Freitags übernimmt das die andere Azubi, da ich zu der Zeit in der Berufsschule bin.) Danke für eure Antworten!
6 Antworten
Hi,
ich hab selbst Asperger-Syndrom und finde Small-Talk schrecklich. Ich weiss nicht, was man damit anfangen soll und wie man reagieren soll. Eigentlich interessiert mich mein Gegenüber überhaupt nicht, zumindest nicht, wenn ich es gerade mal 5 Minuten kenne...und es ist einfach sehr schwer da ein Gespräch in Gang zu halten, auf das man überhaupt keine Lust hat. Beim Small-Talk fühl ich mich eigentlich immer überfordert und kann mir auch gar nichts merken, von dem was mein Gesprächspartner erzählt, weil ich eh nur damit beschäftigt bin, mich darauf zu konzentrieren mein Desinteresse nicht zu offensichtlich werden zu lassen.
Bei mir ist es so, dass sich das Gespräch dann recht schnell auf sachliche Ebenen verlagert, z.B. dass ich dann etwas über meine Spezialinteressen erzähle. Allerdings brauch ich dazu erstmal ein wenig Zeit. Am Anfang beobachte ich am liebsten erstmal nur und sag nur sehr ungern irgendwas.
Also wie du siehst, es ist nicht unmöglich mit einem Autisten zu reden, manchmal machen wir das auch ganz gerne, aber diesen typischen Small-Talk sollte man unterlassen. Versuch eher sachliche Themen zu finden und wenn er darauf nicht einsteigt, dann lass ihn lieber in Ruhe, weil es sonst wirklich stressig werden kann.
Also ein wenig Smalltalk wird nicht unbedingt schlecht sein, es klingt halt erst mal so, als würde er nicht wirklich reagieren können. Probier es doch mal mit ein paar höflichen Sätzen und so, aber überwiegend die geschäftlichen Sachen sagen. Wenn du dir echt unsicher bist und das Gefühl hast, dass die Situation für ihn vielleicht auch nicht leicht ist, dann kannst du ihn vielleicht einfach mal fragen, ob er denn keinen Smalltalk möchte und es nur bei den geschäftlichen Sachen belassen möchte. Schließlich ist die Situation (wahrscheinlich) auch neu für ihn. Also probier es erst mal so, sieh es so, dass es für ihn wahrscheinlich auch nicht einfach ist - und wenn du ein Problem oder eine Frage an ihn hast, dann frag ihn doch ganz freundlich. Das macht es bestimmt einfacher für alle :)
Das kommt darauf an... Weißt du, welche Art von Autismus er hat?
Das halte ich in dem Zusammenhang für eher irrelevant.
Leider nein, mir wurde nur im groben gesagt, dass er Autismus hat.
Smalltalk ist für viele Autisten eher schwierig.
Du kannst ihn zulabern, ob er reagiert, wirst du dann merken. Du könntest damit aber auch die Chance auf einen Overload erhöhen, je nach Autist. Das kommt alles auf den individuellen Autisten an.
Besser funktionieren Gespräche über feste Themen, die ihn interessieren.
Am besten fragst du ihn einfach mal selbst, ob er reden mag und worüber und ob es ihn stört, wenn du was erzählst.
Wenn er als sehr ruhig gilt, ist die Chance jedenfalls hoch, dass du mit ausgerechnet Smalltalk eher scheiterst.
Und lass erst mal Ironie weg und versuch, nicht zu viel auf der Metaebene zu senden.
Smalltalk würde ich lassen. Das setzt ihn nur unnötig unter Druck.
Rede mit ihm über die Arbeit, erkläre ihm den Sinn und Zweck seiner Aufgaben. Darüber kannst du bestimmt lange reden. Er muss nur zuhören und ggf. Rückfragen stellen.
Falls du merkst, dass er immer weniger auf dich reagiert, gönn ihm eine Gesprächspause. Du würdest schließlich auch ab und zu eine Pause brauchen, wenn du z.B. körperliche Schwerstarbeit leisten müsstest. Flüssige Gespräche, die kein konkretes Thema behandeln, sind für die meisten Autisten ähnlich hart wie stundenlanges Holzhacken für Nicht-Autisten.
Wichtig ist außerdem, dass du ihm seine Aufgaben mit eindeutiger Wortwahl beschreibst. Keine Redewendungen, keine Ironie, keine Sprache "zwischen den Zeilen".