Partei verklagen wegen nicht eingehaltenen Wahlprogramm?

19 Antworten

Du willst eine Partei verklagen - gegen wen konkret richtet sich denn die Klage? Die Partei als solches kannst Du wohl kaum als Gegner nennen.

Sind die Leute, die das Programm ausgearbeitet haben Deine Gegner oder ist es der Vorstand oder ist es der jeweilige Vorsitzende?

Du musst einen Schaden nachweisen. Wo steht, dass Ziel X bis zum yy.yy.20yy umgesetzt sein wird? In welcher Art wir das Ziel umgesetzt? Was genau wurde entgegen der verbindlichen Zusage gemacht?

Kein Gericht wird Dir stattgeben, wenn Du nur schwammig definierte Ziele bekämpfen willst. Mehr sind diese Angaben nämlich nicht. Absichtserklärungen.

Ich habe auch schon viele Ziele gehabt und viele verworfen und mich anders ausgerichtet. Das passiert auch bei politischen Parteien so und es muss auch so sein, dass manche Ziele über den Haufen geworfen werden, weil sich Rahmenbedingungen geändert haben.

Ragnar97 
Beitragsersteller
 27.05.2021, 10:13

Naja, schau dir erhöhte CO2-Emissionen bestimmter Automobilhersteller an. Meiner Auffassung entsteht hier auch kein direkter kausaler Schaden für mich, allerdings für die Umwelt und als Beeinflussung der Kaufentscheidung.

Könnte man dies nicht umdeuten in Beeinflussung der Wahlentscheidung?

sumpfbub  27.05.2021, 10:18
@Ragnar97

Du kannst deuten, was Du willst. Solange es Dir gelingt, einen Staatsanwalt zu finden, der das auch so deutet und einen Richter, der ähnlich denkt, hättest Du Chancen auf ein positives Urteil.

Deine Intention ist gut. Solche Prozesse, die wirklich etwas bewirken, sind wohl recht umfangreich, denn Du wirst gegen Lobbyisten ankämpfen, die viele Argumente und Erfahrung haben - und auch viel Geld in der Kasse.

Wem könnte man denn da arglistige Täuschung nachweisen, wenn sich alle notfalls darauf berufen können, genügend dumm zu sein, um sich tatsächlich einzubilden, daß ihre Wahlversprechen verwirklichungsfähig seien?

Hinzu kommt, daß im System selbst die Spitzfindigkeit eine viel höhere Priorität hat als die nüchterne Logik, wobei dann auch solche Formen der Spitzfindigkeit gelten, die Dinge im Instanzenweg bis zum St.Nimmerleinstag auszusitzen oder Kaugummiurteile zu fällen.

Natürlich sind Täuschungen mit dem Wahlprogramm in Verbindung mit manipulierenden Werbetricks, wie sie auch die moderne Werbung benutzt, um die natürlichen Entscheidungsfilter zu umgehen, etwas, daß der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit ernsthaften Schaden zufügt.

Eine Gesetzeserweiterung im Zivil- und Strafrecht, die solche Psychomanipulationen verbietet, die die freie Willensbildung durch die Sabotage an geistigen Filtern aushebelt (so wie Computer-Schadprogramme den Nutzerzweck des Rechners aushebeln) ist schon lange überfällig.

Doch das Dilemma steckt im System selbst, denn wo es die Gesetzesstrukturen festgeschrieben haben, daß die bereits manipulierten Wähler ihre Manipulateure frei wählen dürfen, welche dann die Gesetze so formen, daß die Manipulation gesetzeskonform ist, ist ein Teufelskreis, der in der Kurzsichtigkeit der Massen für die "Erhaltung der Demokratie und des Rechtsstaats" gehalten wird.

Ragnar97 
Beitragsersteller
 27.05.2021, 10:24

Danke, endlich eine differenzierte Antwort mit meinem Gedankengang. Natürlich entsteht kein kausaler Schaden. Allerdings sehe ich im Wahlprogramm und Aussagen vieler Parteien als Täuschung und Manipulation der Wählerschaft für ein besseres Ergebnis.

Bei einer GmbH kann man sich bei solcher Falschaussagen an die j.P. selbst wenden. Wieso sollte dies nicht bei einer Partei genauso gehen?

Wie in den anderen Antworten schon kommentiert:

Ein Automobilkonzern verspricht bestimmte Abgaswerte. Diese werden nicht eingehalten. Es entsteht kein kausaler Schaden, allerdings hat dies meine Kauf/Wahlentscheidung beeinflusst. Oder Persil, sie dürfen nicht mehr damit werben, dass weiße T-Shirts durch einmaliges waschen weiß werden.

Wieso können Parteien diesbezüglich nicht strenger gesehen werden.

Dxmklvw  27.05.2021, 10:44
@Ragnar97

Die Notwendigkeit, bei politischen Entscheidungen eine Mehrheit zu finden, die solche Entscheidungen trägt, ist offensichtlich, so daß schon deshalb Wahlprogramme auch im günstigsten Fall nur unverbindliche Absichtserklärungen sein können, unabhängig davon, wie hoch der Anteil giftiger Meinungsmanipulation auch sein mag.

Aus solchen und auch weiteren Gründen meine ich, daß der richtige Ansatz an ganz anderer Stelle liegen muß, nämlich beim scharfem Blick auf moderene Werbepsychologie, die man durchaus auch als vorsätzliche Körperverletzung betrachten kann, wenn dabei gezielt Schwächen der menschlichen Psyche mißbraucht werden, um die freie Entscheidung zu manipulieren, wodurch gleichzeitig auch die Vernunft der Menschen nachhaltig beschädigt wird.

Ich denke, primär sollte an solchen Dingen angesetzt werden (ein medizinisches/psychologisches Thema), um so eine haltbare Basis für ein juristisches Thema zu schaffen. Dies ließe sich dann begleitend auch auf die Politik ausweiten.

Sofern es gelingt, genügend Menschen passender Bauart (Kleider machen Leute) dafür zu interessieren, könnte sich daraus tatsächlich ein großer Mehrwert für die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit ergeben, und es ist berechtigt vorstellbar, daß sich dann auch Pseudodemokratien stark in die Richtung echter Demokratien entwickeln können.

Der Kampf um die Umsetzung wäre allerdings sehr hart, weil die entschlossenen Gegner nicht nur die gegenwärtigen Politiker sind, sondern in noch viel stärkerem Maß die Mächtigen der Wirtschaft und des Finanzwesens, und daneben auch die Religionen.

Ragnar97 
Beitragsersteller
 27.05.2021, 10:56
@Dxmklvw

Okay da muss ich zugeben, sofern keine politische Mehrheit einer Partei gebildet wird, werden sich immer wieder Schlupflöcher finden, sodass diese nicht für schriftliche Wahlversprechen angeprangert werden können. Bei einem Koalitionsvertrag könnte dies wiederum anders aussehen.

Passend dazu habe ich vor kurzem eine Debatte gelesen, in der es um die bewiesenen Lügen von Donald Trump ging. Auch ihm konnte keiner was, wenn er gelogen hatte (Siehe Wahlbetrug). Genau so kann der AfD keiner was, wenn sie sagt, dass der Klimawandel nicht menschengemacht ist.

Da wurde thematisiert, dass offensichtliche Lügen (bei schwerwiegenden Folgen wie Meinungsmache) viel härter angegangen werden müssen, weil sie im Zeitalter des Internets kinderleicht verbreitet und aufgenommen werden. Passend zu dieser Debatte würde ich mir eine Verordnung wünschen, die gewisse Wahlversprechen im schriftlichen Wahlkatalog unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit einschränkt, wenn diese utopisch und unerreicht scheinen.

Dxmklvw  27.05.2021, 11:25
@Ragnar97

Gewisse Wahlversprechen im schriftlichen Wahlkatalog unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit einzuschränken halte ich dann für problematisch, wenn solchen Wahlversprechen eine zuvor erfolgte wirksame Indoktrination vorausgegangen ist, die Menschen (und auch Richter) dafür blind macht, was denn als utopisch und unerreichbar erscheint.

Selbst in der Wissenschaft gibt es zu denselben Dingen sehr oft genügend unterschiedliche Meinungen, so daß sich darunter auch immer eine befindet, durch die sich eine Hype bestätigt fühlt und sich dann auf Aussagen der "Wissenschaft" beruft.

Wo es am Ende reine Meinungssache wird, was denn Lüge und was Wahrheit ist, führt schnell zu Frontenverhärtungen. Und es sind ja vorrangig Meinungen, die es Parteien durch die Wählerentscheidungen ermöglichen, Regierungsmacht zu erlangen.

Dennoch ist es möglich, z.B. bei sehr vielen Internetinhalten klar zu erkennen, was Lüge ist. Man könnte auch Plattformbetreiber und Seitenersteller unmittelbar in die Haftung nehmen und mit drakonischen Strafen belegen, wenn sie Inhalte zulassen, die zweifelsfrei Lügen sind. Doch das wäre wohl im Regelfall auch das Ende der meisten sozialen Netzwerke, was in der Folge die Nutzer auf die Barrikaden treiben würde.

Vielleicht läßt sich die ganze Sache auch mit dem Umweltschutzgedanken vergleichen. Auch da waren/sind nicht die Gesetzesänderungen der Kern der Angelegenheit, sondern diese sind lediglich die weitere Folge des Umweltschutzgedankens, und auch dabei ist der Krieg der Meinungen ein besonders hervorstechendes Merkmal.

So sehe ich es auch in bezug auf Lüge, Täuschung, Indoktrination und psychische Manipulation. Solange derartiges nicht in genügend breitem Umfang als ebensolche Körperverletzung wahrgenommen wird wie z.B. körperliche Gewalt, fehlt ganz einfach die notwendige Geisteshaltung, um auch entsprechende Gesetze zu machen, die mehr sind nur als ein zahnloser Tiger.

In unserem Wahlsystem werden Menschen und Parteien gewählt, aber keine konkreten Sachinhalte. Würden stattdessen Sachinhalte gewählt, die klar definiert und logisch umsetzbar sind, dann wäre manches ganz anders, weil man dann Verantwortliche ebenso in die Haftung nehmen könnte wie ganz normale Arbeitnehmer, die das Gegenteil von dem tun, wofür sie eingestellt worden sind.

Es gibt für enttäuschte Erwartungen keine Anspruchsgrundlage. Es hat sich eingebürgert, dass beim Werben Lügen erlaubt sind. Müntefering fand Vorstellungen deiner Art als Unfairness vom Wähler.

Ich bin deiner Ansicht. Erwartungen sind einigermaßen messbar, auch das Maß der Bemühungen. Die Frage bliebe noch, wer klagen könnte.

Nein. Versuch macht kluch.

Welcher Schaden ist euch denn entstanden? Also welcher Real bezifferbare Schaden ist euch entstanden?

Zudem stellen die Wahlprogramme ja nur eine Absicht dar bzw. das Einsetzen für eine Absicht. Was genau daraus wird wird nie klar und eindeutig versprochen.

Es irritiert mich etwas, dass euer Prof. da 'unsicher' sein soll...

Ragnar97 
Beitragsersteller
 27.05.2021, 10:37

Nochmal, wie bereits in den anderen Antworten kommentiert.

Ich studiere Jura an einer renommierten Uni in NRW, ein Prof, der sein Werk versteht, möchte eine Klage nicht völlig ausschließen, bevor er sich intensiv mit der Materie beschäftigt hat.

Also bitte, bevor ihr hier von Allgemeinbildung spricht, schaut lieber mal auf euch.

Zur Antwort:

Ich habe schon in der Frage den Schadenersatz in Klammern gesetzt, weil natürlich kein kausaler Schaden vorliegt. Auch ist natürlich ein etwas abstrakter Blick auf die Frage notwendig.

Ich ziele darauf ab, dass ein Unternehmen keine Werbeversprechen geben darf, die nicht eingehalten werden.

Wenn ein Hotel als ruhig bezeichnet wird und hunderte Kinder rumschreien, habe ich einen Anspruch auf Preissenkung. Wenn ein Automobilkonzern niedrige Co2 Emissionen verspricht und diese nicht einhält, hat dies meine Kaufentscheidung nachhaltig beeinflussen können. Wenn Persil nach einem Waschgang saubere, weiße T-Shirts verspricht und Flecken nachweislich nicht rausgehen, kann ich mein Geld zurückfordern. Der Anspruch gilt jeweils der j.P.

Wenn wir uns unter Einbehalt dieser Eventualitäten Wahlprogramme anschauen, sehe ich Täuschung für mehr Wählerstimmen, was sich z.B. auch entgeltlich in den Taschen der Abgeordneten nieder lässt.

Natürlich (Wie in der Ursprungsfrage schon geschrieben) hängt von der Umsetzung eines Wahlprogramms sehr viel von der Zustimmung der anderen Parteien ab.

Aber wenn nachweislich bestimmte Ziele nicht oder ungenügend angegangen wurden, sehe ich die Möglichkeit, dies mit der Nichteinhaltung von Werbeversprechen seitens Unternehmen gleichsetzbar.

Oder konkreter: Es entsteht nach der Wahl ein Koalitionsvertrag. Grundsätzlich müssen sich alle Vertragspartner an den Vertrag halten. Wenn eine der Parteien oder alle Parteien bestimmten Zielen nicht nachkommen, nicht wegen Ablehnung sondern der Versuch zur Umsetzung nicht gestartet wird, sehe ich potential für einen Klageweg.

TheWiseLady  27.05.2021, 11:57
@Ragnar97

Na dann hoffe ich sie lehren euch an dieser renommierten Uni auch das Formulieren von relevanten Aussagen. Zwischen "möchte etwas nicht ausschließen" und "unsicher" gibt es schon einen Unterschied. Wobei die Formulierung "möchte eine Klage nicht ausschließen" auch ein bisschen dürftig ist. Dir geht es ja vermutlich nicht darum ob du in der Lage bist eine Klage einzureichen, sondern wie die Erfolgschancen dieses Unterfangens wären....

Kleidchen2  27.05.2021, 10:01

Upps, das war ja wortgleich. Hab ich nicht gesehen.

TheWiseLady  27.05.2021, 09:50

Der Prof scheint kein besonders guter Prof zu sein, wenn er da echt "unsicher" ist...

BeviBaby  27.05.2021, 09:51
@TheWiseLady

Na gut, es kommt aber natürlich auch drauf an. Wenn er Genderwissenschaften unterrichtet oder so, dann ist das vielleicht weniger schlimm. Sollte er jedoch Jurist sein, dann wäre das ein ziemliches Armutszeugnis.

KerberoZ  27.05.2021, 09:53
@TheWiseLady

Er könnte seinen Professor in sonst etwas gemacht haben. Nicht jeder Prof, muss zwangsweise Anwalt sein. Sind auch nur Menschen.

BeviBaby  27.05.2021, 09:54
@KerberoZ

Einerseits stimmt das, andererseits ist SOWAS halt auch irgendwie ein Stück weit Allgemeinbildung.

KerberoZ  27.05.2021, 09:58
@BeviBaby

Also die Möglichkeit, eine Partei aufgrund eines unzureichend eingehaltenen Wahlprogrammes zu verklagen klingt für mich nach sehr spezifischem Wissen.
Nicht alles, was man selbst schon weiß, ist Allgemeinwissen.