Meine Chefin hat mir letztes Jahr zu viel Urlaub genehmigt, darf sie mir das dieses Jahr als Minusstunden anrechnen?

5 Antworten

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Dieser Fall hat zwei Komponenten - eine rechtliche und eine menschliche.

A) Die rechtliche Komponente:

Grundsätzlich kann zuviel gewährter Urlaub (so wie auch eine aus anderen Gründen erfolgte Überzahlung) in einem laufenden Arbeits-/Ausbildungsverhältnis wegen Irrtums angefochten und zurückgefordert werden. Im vorliegenden Fall wurden offensichtlich Werktage mit Arbeitstagen verwechselt.

Konkret müsste hier zunächst geklärt werden, ob die Rückforderung des zuviel gewährten Urlaubs überhaupt rechtens ist. Es ist nämlich so, dass sich das Unternehmen aufgrund der Tatsache, dass es den Urlaub fälschlicher Weise genehmigt hat, auf jeden Fall ein Organisationsverschulden anrechnen lassen muss (==> siehe hierzu auch nachfolgenden Auszug aus dem Internet):

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Zu viel gewährter Urlaub im ungekündigten Arbeitsverhältnis

In dieser Konstellation hat der Arbeitnehmer mehr Urlaub erhalten, als ihm zusteht. Hier gelten die allgemeinen bereicherungsrechtlichen Grundsätze (§§ 812 ff. BGB), aufgrund derer der Arbeitgeber das zurückfordern kann, auf das der Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch hat.

Der Arbeitgeber kann hier zunächst die Urlaubsgewährung hinsichtlich der zu viel gewährten Urlaubstage "zurückfordern" und damit "beseitigen". Die Rückforderung kann darüber hinaus auch bzgl. des für die Dauer des unberechtigten Urlaubs gezahlten Urlaubsentgelts geltend gemacht werden. Wurde Urlaubsentgelt noch nicht bezahlt, kann dieses gekürzt ausbezahlt werden.

Allerdings kann der Arbeitnehmer den Rückforderungsansprüchen des Arbeitgebers mitunter Einwendungen entgegen halten. War dem Arbeitgeber bekannt, dass er dem Arbeitnehmer zu viel Urlaub gewährt, scheidet sein Rückforderungsanspruch aus, § 814 BGB. Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer entreichert ist, § 818 III BGB.

https://www.experto.de/recht/arbeitsrecht/zu-viel-urlaub-gewaehrt-welche-handlungsmoeglichkeiten-hat-der-arbeitgeber.html

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Darüber hinaus muss geklärt werden, ob eine (ausbildungs- und/oder eine tarifvertragliche) Ausschlussfrist existiert, die eine Rückforderung per se bereits unmöglich machen würde - will heißen, hier müsste die genaue zeitliche Lage des Urlaubs in Verbindung mit dem Zeitpunkt der Rückforderung geprüft werden.

Das letzte Wort über die Rechtmäßigkeit der Rückforderung hätte ohnehin das zuständige Arbeitsgericht - wenn man so weit gehen wollte. Anzuraten ist dies im Sinne der Fortführung der Ausbildung jedoch eher nicht.

Unabhängig davon gibt es

B) Die menschliche Komponente:

Wenn ich Geschäftsführer des Ausbildungsbetriebes wäre und diesen Fall auf den Tisch bekommen hätte, würde ich zu demjenigen, der den Urlaubsantrag genehmigt hat, sagen:

"Sind Sie noch zu retten? Sie wollen allen Ernstes einem Auszubildenden Ihren Fehler unterjubeln? Sie können froh darüber sein, dass ich Ihnen deswegen keine Abmahnung erteile! - Der Azubi kann seinen Urlaub behalten!"

Dies nur einmal zur Verdeutlichung der Sachlage. Da es sich jedoch hier um die "Chefin" selbst handelt, die offensichtlich nicht bereit ist, über ihren eigenen Schatten zu springen und ihren Fehler zuzugeben, gibt es im Prinzip nur zwei Möglichkeiten:

  1. Man geht gegen die Forderung an und hat den für den Rest der Ausbildung keinen guten Stand mehr
  2. Man akzeptiert die (unberechtigte) Rückforderung und denkt sich seinen Teil.

Fazit: Ich persönlich würde die Variante 2) wählen, würde jedoch für den Rest der Ausbildung nur noch "Dienst nach Vorschrift" machen und mich ausschließlich um meine Ausbildungsziele kümmern.

Ich wünsche Dir die Fähigkeit, eine weise Entscheidung zu treffen!

Gruß

@Nightstick

Entweder rackerst du die Stunden ab, oder ihr einigt euch, dass es von diesem Jahresurlaub abgezogen wird. Ja das Recht hat sie auch wenn sie zu "Unrecht" mehr genehmigt hat. Du bist da auch in der Pflicht darauf zu achten, dass die Tagesanzahl stimmt ;)

Familiengerd  16.05.2018, 09:01
dass es von diesem Jahresurlaub abgezogen wird.

Nein!

Es ist schlicht und einfach nicht erlaubt, zu viel genommenen Urlaub aus dem vorigen Jahr mit dem Urlaubsanspruch im aktuellen Jahr zu verrechnen.

Der Anspruch im aktuellen Jahr bleibt uneingeschränkt bestehen!

verreisterNutzer  16.05.2018, 21:24
@Familiengerd

So kenne ich das auch, und so wurde es zumindest in den Unternehmen, in denen ich tätig war, gehandhabt.

Die Anzahl der Fälle, in denen zuviel Urlaub gewährt wurde, hielt sich absolut in Grenzen. Passierte es doch einmal, hat das die Personalabteilung auf ihre Kappe genommen, und nicht vom Arbeitnehmer zurückgefordert.

Familiengerd  16.05.2018, 21:45
@verreisterNutzer

In der Regel bleibt dem Arbeitgeber in solchen Fällen auch nichts Anderes übrig.

Zuviel genehmigter Urlaub ist Unternehmensrisiko . Eine Aufrechnung darf nur gemacht werden, wenn es vorher vereinbart wurde, und zwar am besten schriftlich.

Die Anzahl der Tage die im Vertrag stehen bezieht sich auf Dein Arbeitsverhältnis. Und wenn das 5 TAge die Woche beträgt, dann auf 5 Tage. Urlaub auf 6 Tage und Arbeit auf 5 Tage ist ein Widerspruch und nicht rechtens.

Ist im Bundesurlaubsgesetz verankert.

Wenn Deine Chefin den Urlaub genehmigt hat, obwohl sie wusste, dass du nicht soviel Urlaub hast, ist eine Rückforderung nicht möglich.

nuehm 
Beitragsersteller
 15.05.2018, 23:11

Sie wusste es zwar aber sie hat es halt selbst nicht gemerkt, dass ich zu viel Urlaub beantragt habe. Meinst du, die Rückforderung ist auch dann nicht möglich?

Asturias  15.05.2018, 23:16
@nuehm

Schlussendlich ist eine Einigung am besten. Sie könnte es einklagen. Du hast Dich aus Ihrer Sicht ungerechtfertigt bereichert. Dann nimm halt dieses Jahr eine Woche weniger Urlaub. DAnn passt es wieder.

Einige Menschen können sich einigen ! Irrtum war beiderseits !

Manche treffen sich in der Mitte = 20 Stunden im Quartal mehr schaffen !

Geht nur in human geführten Betrieben .

In aller Kürze: Zuviel gewährter Urlaub kann nicht zurückgefordert werden.

Auch sind 24 Tage Urlaub selbst bei einer 5-Tage-Woche nicht gerade übermäßig viel. Wenn dir nun deine Chefin für 4 Tage Urlaub 40 Minusstunden anrechnet, würde das bedeuten, dass du 10 Stunden am Tag arbeitest. Das ist nach dem Arbeitszeitgesetz eigentlich ein Unding.

Wenn in deinem Arbeitsvertrag 24 Tage Urlaub drinstehen, dann müssen dir auch 24 Tage genehmigt werden. Wenn allerdings ein Verweis auf das Bundesurlaubsgesetz mit drin steht, stehen dir tatsächlich nur 20 Tage zu.

Mach deiner Chefin einfach den praktikablen Vorschlag, 20 Stunden abzuarbeiten, und dann soll die Sache vergessen sein. Ist ein gutes Entgegenkommen von dir.

Am besten suchst du dir auf Dauer aber einen Job, in dem du anständig bezahlt wirst und einen anständigen Urlaub bekommst.