Kann Unternehmen einen Bewerber wegen falschen Lebenslauf verklagen?
Ein Großkonzern hat mit einer Bewerberin einen Anstellungsvertrag für eine Vertriebsposition geschlossen. Vertragsbeginn ist 01.02.2020.
NACH Vertragsunterzeichnung wollte der Arbeitgeber über einen Dienstleister einen ausführlichen Background-Check (Hintergrundüberprüfung) durchführen.
Die Bewerberin hat die Unterlagen des Background-Check-Dienstleisters nicht ausgefüllt und dem zukünftigen Arbeitgeber daraufhin mitgeteilt, dass der eingereichte Lebenslauf nicht der Wahrheit entspricht.
(Zeugnisse oder andere Urkunden wurden nicht eingereicht, die Bewerberin hat sich nur mit einem falschen Lebenslauf und Anschreiben beworben.)
Gleichzeitig hat die Bewerberin angeboten, noch vor Vertragsbeginn, einen Aufhebungsvertrag zu schließen, falls eine Zusammenarbeit jetzt nicht mehr gewünscht ist.
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1) Kann das Unternehmen die Bewerberin nun auf Schadenersatz (z.B. Kosten des Bewerbungsverfahren) oder etwas anderes verklagen?
2) Kann das Unternehmen die Bewerberin, die zukünftige Position antreten lassen und sie dann einfach nicht wie vereinbart bezahlen, obwohl vor Antritt schon bekannt war, dass der Lebenslauf falsch ist?
3 Antworten
Eine Frage, die gar nicht so einfach zu beantworten ist.
Dieserhalb habe ich einige Verfahren, unter anderem vor dem Landesarbeitsgericht Stuttgart geführt. Ich füge nachher mal ganz ausnahmsweise einen Link bei. Den Artikel hatte ich damals geschrieben.
Schwerpunktmäßig geht es hier um die Frage, ob bei falschen Angaben im Lebenslauf eine Anfechtung des Arbeitsverhältnisses und/oder eine außerordentliche Kündigung möglich ist. Hier kann unter dem Strich nur festgehalten werden, dass es drauf ankommt. Nicht jede Veränderung im Lebenslauf führt zwingend und automatisch zu einem Recht, das Arbeitsverhältnis anzufechten oder gar außerordentlich zu kündigen. Zwischen der Tatsache die verschleiert werden soll und der Einstellung muss ein Ursachen Zusammenhang bestehen. Es wird also sicherlich anders gewürdigt werden, ob ein Zeitraum nur verkürzt angegeben oder hin weggelassen wurde oder etwa ein Abschluss angegeben, der überhaupt nicht besteht. Im ersteren Falle, ist eine sogenannte Kausalität zu der Einstellung nicht zwingend.
Vereinfacht gesagt kommt es also auf die Details an und damit, unter welchem Aspekt der Lebenslauf falsch war.
Die Frage nach einem möglichen Anspruch auf Schadensersatz ist daher schwer zu beantworten. Jedenfalls wird dies für den Arbeitgeber so oder so nicht einfach. In der Probezeit können Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit einer verkürzten Frist kündigen. In diesem Falle entstehen keinerlei Ansprüche auf Schadensersatz. Ein möglicher Anspruch auf Schadensersatz müsste hier also auch unter dem Aspekt angedacht werden, dass in der Probezeit eine Lösung von dem Arbeitsverhältnis ohnehin kurzfristig möglich ist. Darüber hinaus wäre im Detail zu klären ob eine vorsätzliche Schädigungsabsicht bestand. Ich gehe mal davon aus, dass dem nicht so war. Dem Arbeitgeber dürfte es damit zumindest nicht einfach fallen ein Schaden geltend zu machen.
Die 2. Frage richtet sich nach Vertragsrecht. Die Rechte und Pflichten ergeben sich aus dem Arbeitsvertrag. Der Arbeitgeber kann die Verpflichtung den Lohn zu zahlen nicht abändern, auch nicht wegen falscher Angaben im Lebenslauf. Er hat die Möglichkeit zu kündigen, nicht aber von sich aus den Vertrag abzuändern. Die Kündigungsmöglichkeit bzw. die Möglichkeit den Arbeitsvertrag anzufechten ist im übrigen zeitlich sehr limitiert.
Ihre Antwort hat meine Fragen beantwortet, dafür Danke. Allerdings geht es hier nicht schwerpunktmäßig um die Frage, ob bei falschen Angaben im Lebenslauf eine Anfechtung des Arbeitsverhältnisses und/oder eine außerordentliche Kündigung möglich ist. Zumal ja auch seitens des Bewerbers ein Aufhebungsvertrag angeboten wurde.
Vielmehr geht es hier um die Frage des Schadensersatz, welche Sie ja auch beantwortet haben. Wenn allerdings in der Probezeit für den AG schon kein Anspruch auf Schadensersatz besteht, dann im eingangs geschilderten Szenario ja erst recht nicht. Immerhin wurde bis jetzt nur ein Arbeitsvertrag geschlossen und die Stelle noch nicht angetreten, da das Startdatum erst im Februar ist.
Interessant wäre jedoch noch zu wissen, ob der AG auch hinsichtlich der ihm entstandenen Mehrkosten hinsichtlich des Einstellungsprozesses, keinen Anspruch auf Schadensersatz hat.
Immerhin hat der AG sich aufgrund eines falschen Lebenslauf für einen Bewerber entschieden, für den er sich sonst nicht entschieden hätte. Dadurch wurde allen anderen Bewerbern abgesagt, in die man vorher Zeit und Geld investiert hat.
Zum Beispiel in dem man deren Reisekosten zum Vorstellungsgespräch erstattet. Des Weiteren bleibt die Stelle länger unbesetzt. Auch beginnt die Stellenausschreibung wieder von vorn und es muss erneut viel Zeit in Vorausauswahl und Bewerbungsgespräche investiert werden. Auch diese Reisekosten müssen wieder erstattet werden. Und so weiter und sofort. Durch all diese Dinge kommen ja schnell ein paar Tausend Euro zusammen, die der AG verliert.
(Meiner Meinung nach aufgrund von Eigenverschulden, denn er hätte die Angaben ja auch vor einem Vertragsangebot überprüfen können und somit diesen Kostenapparat vermeiden können, aber darum geht es hier ja nicht zwingend.)
Sondern es geht darum, dass wenn ich Sie richtig verstehe, hat der AG auch hier keinen Anspruch auf Schadensersatz?
Grundsätzlich wären diese Dinge alle möglich.
Praktisch stellt sich kaum eine Firma mit einem Bewerber dieser Art hin. Er ist es ihr meist nicht wert, dass man um ihn soviel Aufhebens macht.
- Ja.
- Er hat 1 Jahr Zeit den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten.
Lügen = Pflichtverletzung und nicht erlaubt.
Wenn der AG jetzt die Stelle nicht besetzt hat und ihm deswegen Aufträge entgehen, so ist die Dame Schadenersatzpflichtig.
"Nur gelogen" ist drollig......im Verhältnis zwischen AG und (potentiellen) AN ist das gleich nach körperlicher Gewalt oder Eigentumsdelikten das schlimmste,was man machen kann als AN.
Lügen = Pflichtverletzung und nicht erlaubt.
Wohl kaum.
Wenn im Bewerbungsverfahren gelogen wird, kann es sich (noch) nicht um eine - arbeitsvertragliche - Pflichtverletzung handeln, weil es überhaupt noch keinen Arbeitsvertrag gibt!
das schlimmste,was man machen kann als AN
Es gibt Lügen im Bewerbungsverfahren, die erlaubt sind!
Ich rede nicht von arbeitsrechtlicher Pflichtverletzung, sondern von culpa in contrahendo, welche in dieser Konstellation eben einen Schadenersatz auslöst.
Ein gefälschter Lebenslauf gehört ganz sicher nicht dazu.
culpa in contrahendo
Wow!
Wenn Du schon mit solchen - für einen juristischen Laien unverständlichen - Fachbegriffen "um Dich schmeißt", solltest Du wissen, dass auch die "culpa in contrahendo" auf Schuldverhältnisse - wenn auch auf erst noch vorvertragliche - anzuwenden ist; davon kann aber bei einer Bewerbung überhaupt noch keine Rede sein!
Ein Großkonzern hat mit einer Bewerberin einen Anstellungsvertrag für eine Vertriebsposition geschlossen
Das ist kein Schuldverhältnis ?
Das ist kein Schuldverhältnis ?
Sorry, ich war auf die Formulierung" Bewerberin" und "Bewerbungsverfahren" fokussiert und habe das leider glatt überlesen.
In diesem Fall hast Du selbstverständlich Recht!
Mein Fehler - tut mir leid!
Er hat 1 Jahr Zeit den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten.
Das ist missverständlich.
Ein Arbeitsvertrag kann zwar (unter bestimmten Umständen) im Zeitraum von 1 Jahr angefochten werden, dass muss aber innerhalb von 2 Wochen nach Kenntnis der Anfechtungsgründe geschehen.
Diese Aussage gilt für Irrtümer, nicht für arglistige Täuschung. (§ 124 BGB)
arglistige Täuschung
Hier ist nur von "nicht der Wahrheit entspricht" die Rede; ob es sich um eine "arglistige Täuschung" handelt, wäre erst noch zu klären.
Eine Lügen fällt völlig unproblematisch unter diesen Begriff.
Von einem ausdrücklichen "Lügen" ist in der Frage aber nicht die Rede.
Falsches anschreiben und Lebenslauf. Also stehen Unwahrheiten drin.
Warum "ja" zu 1? Es wurde nur gelogen und keine Urkunde gefälscht. Ein Lebenslauf ist keine Urkunde. Lügen ist erlaubt. Wenn der Arbeitgeber vor Zusendung des Anstellungsvertrags nicht abklärt, ob der Lebenslauf stimmt, ist es doch seine eigene Schuld. Wo hätte er da denn deiner Meinung nach Spielraum für eine erfolgreiche Klage bei einem Arbeitsverhältnis, welches noch nicht begonnen hat?