Ist jede Reanimation eine pflichtveranstaltung?
Hallo 🙋♀️
Ich arbeite seit mehreren Jahren als Krankenschwester auf einer internistischen Intensivstation..
Und in letzter Zeit frage ich mich immer häufiger, wo diese Therapieeskalation noch hinführen soll ..
In meinen Augen gibt es Patienten, die rein ethisch betrachtet weder reanimiert noch beatmet werden sollten. Wobei diese Entscheidung ja immer noch dem Arzt obliegt. Ich würde aber trotzdem gerne wissen wie es sich verhält, wenn meine ethischen Bedenken so groß sind& ich eigentlich denke, dass der Patient in Keinster Weise von einer cpr profitieren würde, ob ich mich in einer Notfallsituation auch dazu entscheiden könnte, mich nicht an der rea zu beteiligen?
unterlassene Hilfeleistung? Arbeitsverweigerung?
Wie ist das dann?
10 Antworten
So einen Fall, wo Patienten auch durch solche Interventionen nicht mehr leben können, habe ich erlebt. Die Frage, die du stellst, ist eine, bei der sich die Bereiche Ethik und Machbarkeit, Wirtschaftlichkeit, Recht und Menschlichkeit in Grenzbereichen bewegen.
Ich denke darüber oft nach seit einem solchen Fall in meiner Verwandtschaft. Eine Großtante, mit 93 schon hochbetagt und schon sehr hinfällig, hatte den allergrößten Teil ihres Weges schon hinter sich. Während eines Krankenhausaufenthalt als Notfall - sie war nicht mehr bei Bewusstsein - stellte man eine Hirnblutung fest, der dann plötzlich das volle Programm mit Schädelöffnung, OP und Intensivstation folgte - obwohl ihr einziger Sohn dafür war, ihr einen ruhigen Abschied ohne Schmerzen auf natürlichem Wege zu ermöglichen. Aber nein, das Krankenhaus entschied sich für diese Maximallösun - als ob sich dadurch für diese alte Frau etwas zum Besseren wenden würde.
Es dürfte nicht nur für Ärzte ein Gratwandel sein, abzuwägen, wo das Wirtschaftlichkeitsgebot ihrer Klinik zurückzustehen hat, um ansonsten hinfälligen, über 90jährigen Hochbetagten einen sanften Tod zu ermöglichen. Traurig, wenn auch sie alle technischen Möglichkeiten noch anwenden müssen, obwohl das Leben ohnehin fast zuende ist.
Ethische Entscheidungen werden dann zum Luxus, wenn es um viel Geld geht: OPs und Reanimation als Leistungen dürfen rechtlich unstrittig erbracht werden und Krankenversicherungen kommen dafür auf, Punkt.
Ethik hin oder her - was zählt, ist die Bilanz. Dass das aber hier auch in einem Fall geschah, wo keine Organentnahme mehr angezeigt gewesen wäre, schockiert mich: der lukrativste aller Gründe für eine Reanimation um jeden Preis ist ja schließlich die Organentnahme bei potentiellen Spendern - aber das wäre mal wieder ein neues Thema.
Aus diesem Grund kläre ich gerade mit Hilfe der DGHS eine Vorsorgevollmacht, die diesen Horror für mich ausschließt.
In deinem Fall ist es rechtlich so, dass du diese Tätigkeit weisungsgebunden ausführen musst. Aber in dem Maß, wie sich dir diese Frage stellt, wird klar, dass du dich besser beruflich umorientieren solltest - es würde mit der Zeit zu hart, wenn du nicht voll hinter diesen Weisungen stehen kannst - Patienten müssen das erwarten können. Danke, dass du dieses Thema angesprochen hast!
Ich wünsche dir weiterhin viel Kraft!
Richtig - es sei denn, man beugt vor. Ich will daher der DGHS beitreten, damit nichts Unerwünschtes geschieht.
Dies ist einer der ausgewogeneren Beiträge zum Thema, auch von der Art der Formulierungen. Vielen Dank dafür.
Keine Frage, dass solche Überlegungen auch einmal auftauchen können. Nur, dann sollte man so verantwortungsvoll sein, sich auf eine andere Station versetzen zu lassen oder gleich eine Auszeit zu nehmen.
Ich kann dich verstehen. Es ist manchmal sehr schwierig. Aber eine Reanimation ist erstmal eine Tätigkeit wie jede andere auch, die du nicht verweigern kannst. Jede medizinische Handlung bedarf einer medizinischen Indikation und der Einwilligung eines Patienten.
Als Pflegefachkraft darf ich solche Entscheidungen nicht treffen. Aber, was ich natürlich darf, ist Fragen zu stellen, an Arzt/Oberarzt etc. Ist es medizinisch wirklich sinnvoll, bei dem 95 Jahre alten Menschen eine CPR durchzuführen? Was ist mit der 30 Jahre alten Frau - die ist jung, hat kleine Kinder, klammert sich an das Leben - hat aber Krebs im Endstadium? Oft kann man die Dinge gar nicht so schwarz-weiß sehen. Fragen nach Therapiebegrenzung sollte man aber natürlich nicht in der Akutsituation stellen, sondern vorher, in einem ruhigen Augenblick. Wichtig ist hier auch der Tonfall - wer gleich mit Vorwürfen anfängt, der erntet automatisch Abwehr.
Was ist mit Fachleuten von außerhalb? Gibt es ein Ethikkomitee? In der Klinik, in der ich arbeite, haben wir damit gute Erfahrungen gesammelt. Das kann übrigens von jedem angefordert werden - Arzt, Pflege, Physio - egal. Es sind Empfehlungen, die aber oft befolgt werden. Oder gibt es einen palliativmedizinischen Dienst? Ich arbeite in so einem und berate tatsächlich als Pflegekraft auch Ärzte (auch auf Intensiv!). Das funktioniert aber nur, weil ich als neutrale Person von außen dazu komme.
Vermutlich gibt es keine Supervision für euch. Vielleicht gibt es die Möglichkeit, mit klinikeigenen Psychologen oder Seelsorgern zu reden? Und zusätzlich zu allem solltest du wirklich mal überlegen - kann und will ich in dem Umfeld weiter arbeiten?
liebe Julispang,
dien Bedenken kann ich gut verstehen.
doch es ist nicht deine Verantwortung wie vielfach hier beschrieben.
- Patientenverfügung 2. die Entscheidung des Arztes
das ist verdamm! schwer dies zu akzeptieren, aber du musst.
Du musst - das macht dich in deinem Gewissen nicht frei.
Nimm eine Auszeit und arbeite auf einer anderen Station !
Alles gute Dir !
ich bins noch einmal oder sollte ich lieber schweigen ? wenn diese Reanimationen nur - um der Übung gemacht werden - dann sind sie ethisch sehr sehr fraglich !
1) Ein Patient auf der Intensivstation hat nicht mal eben einen Herzstillstand, damit jemand Reanimation üben kann. Es sei denn ein krimineller Krankenpfleger wie Neils Högel wäre am Werk und würde dem Patienten pflichtwidrig ein falsches Medikament geben, damit der Täter dann zeigen kann, wie gut er reanimieren kann.
2) Wenn tatsächlich ein klinischer Tod eintritt, ohne befördert worden zu sein, dann wird auf der Intensivstation reanimiert, auch wenn kein Übungsbedarf besteht, eben um dem Patienten das Leben zu retten. Voraussetzungen sind:
- es gibt keine Patientenverfügung, die dem entgegensteht
- es macht medizinisch Sinn
- es gibt eine, wenn auch kleine Erfolgschance
Reanimationen rein zu Übungszwecken wären natürlich nicht nur ethisch fragwürdig, sondern kriminell. Aber so etwas kommt ja wohl hoffentlich auch nicht häufiger vor.
ich brauche keine Unterrichtstunde da ich selbst erfahrene Fachkraft von Intensivstastion bin !
Diese deine letzte Äußerung, in der du dich als Insider (Fachkraft einer Intensivstation) offenbarst, und insbesondere der Zusatz: ‚oder sollte ich lieber schweigen?’ lässt mich annehmen, dass so etwas Unethisches wie ‚Übungsreanimation’ durchaus stattfindet.
Was natürlich Sinn macht – stelle ich mir vor - denn dank der eingeleiteten Maßnahmen bleiben alle Organe durchblutet und können so im Sinne einer maximal lukrativen Verwertbarkeit noch lange entnommen werden: eine Goldgrube in zweierlei Hinsicht: zum einen am Transplantationsmarkt, wo Organe viel Geld bringen, zum anderen zur kostendeckenden Auslastung der Klinik, wo ja endlich - im Gegensatz zu den sonstigen mageren Fallpauschalen - juristisch unstrittig kostenintensivste Interventionen klaglos von den Kassen übernommen werden (müssen).
Alles dreht sich in Wahrheit nur um Kosten und Ertrag, während im Vordergrund medizinische Motivation aufscheinen soll; ethische Erwägungen – und christliche erst recht! – werden so komplett in den Hintergrund gedrängt. Knallhart!
Im April 2018 drang eine Studie der Investmentgesellschaft Goldman-Sachs an die Öffentlichkeit, nach der gesunde Menschen schlecht fürs Pharmageschäft seien. https://www.infosperber.ch/gesundheit/goldman-sachs-pharma-lohnt-es-sich-menschen-zu-heilen .
Vor dem Hintergrund dieser unethischen und a priori schockierenden Maxime ist eine vergleichbare Motivation zu ‚Übungsreanimationsmaßnahmen’ für mich gar nicht so abwegig!
Schockierend ist sie für mich allein schon deshalb nicht, da mir schon lange klar ist, dass die symptombezogene Behandlung mit symptomunterdrückenden Pharmaka ohne Einbeziehung der Ursachen nie zur Heilung führen kann, führen soll.
Heilung - nie wurde die Motivation zum menschengemäßen Umgang mit Kranken deutlicher als bei diesem kleinen sprachlichen Vergleich der Begriffe für ‚heil’ und ‚heilig’, die in mehreren europäischen Sprachen sowohl romanischen als auch germanischen Ursprungs nicht nur gleiche Wortstämme, sondern sogar auch eine überwiegend gleiche Lautung offenbaren:
heil – heilig (deutsch);
whole (im Sinne von ganz, intakt) – holy (englisch)
sain, -e – saint, -e (französisch)
sano, -a – santo, -a (italienisch, spanisch)
são, sã – santo, -a (portugiesisch)
Selbst wenn bei Notinterventionen nach Unfällen medikamentöse Symptomunterdrückung Leben retten kann, ist es da nur der (lebensrettende) Zweck, der die Mittel heiligt (denn Symptomunterdrückung bedeutet nicht Heilung).
Im Falle von ‚Übungsreanimationsmaßnahmen’ wäre da der Tatbestand der Körperverletzung erfüllt, da der –ethisch noch vertretbare- Tatauslöser dann nicht ein Unfall, sondern der Missbrauch eines noch lebendigen Körpers zu Übungszwecken und möglicherweise auch in Organvermarktungsabsicht darstellt und damit völlig unethisch wäre.
Bei Kranken, die keinen rechtlichen Beistand (wie die DGHS), keine Vorsorgevollmacht und keine Angehörigen haben, sind da Tür und Tor für Missbrauch geöffnet, der –ohne wache Köpfe, die mitdenken – weder öffentlich noch verfolgt werden!
unterlassene Hilfeleistung? Arbeitsverweigerung?
Ja. Es obliegt NICHT deiner Entscheidung, ob der Mensch weiterleben kann bzw muss.
Im Gegensatz zu einem Tier ist der Mensch in der Lage, seine Wünsche diesbezüglich schriftlich niederzulegen.
Patientenverfuegungen? Dieses Thema und alle begleitenden dazu, werden uns noch lange beschaeftigen. Missbrauch und Kommerz reichen sich hier die Haende