Ist die Androhung von Selbstmord strafbar?
Man nehme folgende Situation. Eine Frau droht ihrem Ex-Freund mit Selbstmord, wenn dieser sich nicht von seiner neuen Freundin trennt. Ist das Nötigung? Wenn ja, dann macht sie sich doch strafbar oder?
13 Antworten
Nein, weder ist das Erpressung noch Nötigung nur bringt es Dritte in eine ziemliche Zwickmühle, denn ruft der weder Arzt noch Polizei zur Hilfe ist dieser nämlich ggf. nach § 323c StGB zu belangen !
Des Weiteren muss ich anmerken, dass die Drohung mit Selbstmord durchaus schon als "Drohung mit einem empfindlichem Übel" i.S.d. Vorschrift gesehen wurde (so das OLG Hamm im Beschluss vom 24.04.1995 - 2 Ss 365/95).
Zum Beschluss des OLG Hamm kann ich hier wenig sagen, müsste ich mir mal anschauen. Was die mangelnde Einschlägigkeit des § 323c anbetrifft so hängt das letztlich (und insofern trifft meine Antwort nicht uneingeschränkt zu) natürlich stark von den Umständen ab, eine pauschale Drohung reicht in der Tat nicht aus !
Vielleicht habe ich meine Zweifel an einer Strafbarkeit nach § 323c StGB nicht klar genug ausgedrückt, aber sie sollten klar werden, wenn man sich die Voraussetzungen für die Tatsituiation, die die Vorschrift fordert, anschaut: Gefordert wird das Vorliegen eines Unglücksfalles. Ganz davon zu schweigen, ob ein Suizid überhaupt einen Unglücksfall im Sinne der Vorschrift darstellen kann und ob es zumutbar und erfoderlich ist, einen (freiwilligen) Suizidenten zu retten, wird es zumindest dann an der Kenntnis eines Unglücksfalls fehlen, wenn die Drohung - wie so oft - mittels Fernkommunikationsmitteln geäußert wird, denn eine Strafbarkeit kann dem Gesetzeswortlaut nach erst ab dem Augenblick der Verwirklichung der Suiziddrohung bestehen.
(Ein bisschen unsauber der letzte Satz, aber der Gedanke sollte deutlich werden.)
Doch die Zweifel sind schon deutlich geworden. Aber, ein Suizidversuch stellt einen Unglücksfall dar und bleibt wie geschrieben letztlich eine Betrachtung des Einzelfalls !
Wir sprechen hier aber nicht über die Durchführung, sondern die Drohung mit einem Suizid, das ist der Knackpunkt. Wenn man nichts vom Suizid mitbekommt, wird man in der Regel auch nicht nach § 323c StGB strafbar sein können.
Zur Einordnung eines freien Suizidversuchs als Unglücksfall möchte ich drei gängige Kommentare zitieren:
"Hingegen ist der ausschließlich den Suizidenten bedrohende Selbsttötungsversuch nicht als Unglücksfall anzusehen, wenn er auf Grund freier, unbeeinflusster Entscheidung erfolgt; diese ist in der Weise zu respektieren, dass eine unterlassene Verhinderung der Selbsttötung straflos bleibt und zwar auch dann, wenn der Lebensmüde die Herrschaft über den von ihm freiverantwortlich veranlassten Geschehensablauf verloren hat." (Schönke/Schröder, § 323c Rn. 7)
"Jedoch wird man mindestens die Lage nicht als Unglücksfall werten können, in der eine frei verantwortliche Selbsttötung unmittelbar droht." (Lackner/Kühl, § 323c Rn. 2)
"Vor diesem Hintergrund ist es nicht überzeugend, jede unternommene Selbsttötung – namentlich auch die freiverantwortliche Selbsttötung – als Unglücksfall anzusehen." (MüKo StGB, § 323c Rn. 59)
Übrigens: Falls du noch an der Entscheidung des OLG Hamm interessiert sein solltest, schreib mir einfach.
Das ist ja alles schön und gut aber sieh es mal etwas praktischer. Bei einem Suizid der auf einer infaustisch terminalen Erkrankung basiert, dürfte die Einordnung als frei verantwortlich etc. kein Problem darstellen, bei einem Suizid basierend auf Liebeskummer hingegen schon. Ferner und da gebe ich Dir durchaus recht ist das bloße Androhen sicher kein Unglücksfall nur kann sich das schnell ändern. Will sagen, es kann unter Umständen eine Sache von Sekunden sein, bis Tabletten eingenommen sind und daher ist Dritten immer anzuraten Hilfe zu holen. Mit den Definitionen aus Kommentaren ist das immer so eine Sache. Ich betreibe die Juristerei jetzt schon einige Jahre in der Praxis und in Fällen wie diesen, ist es letztlich weniger die juristische als die tatsächliche Komponente, die Probleme bereitet !
Der Rat, bei einer ernsthaften Selbstmorddrohung Hilfe zu holen, ist wohl nicht juristischer Natur, denn es wäre unerheblich, ob jemand am Telefon die Pillen schluckt oder erst danach, solange der andere Teil davon nichts weiß (das ist auch die Stelle sein, an der ich nicht unerhebliche Beweisbarkeitsprobleme erahne). Aber auch wenn man einen Suizid unmittelbar miterlebt, ist man dem Gesetzeswortlaut nach wohl nicht verpflichtet, einzuschreiten, bevor er begangen wurde.
Das es auch eine andere Meinung zur Einordnung des Suizids als Unglücksfall, der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit gibt, ist mir durchaus bewusst. Die vielen (und teilweise widersprüchlichen) Entscheidungen des BGH zu diesem Thema sprechen eine deutliche Sprache. Dieser Standpunkt bekommt aber (und das habe ich hoffentlich darstellen können) nicht ohne Grund und mit in den letzten Jahr(zehnt)en wachsender Intensität Konkurrenz.
Zu guter Letzt möchte ich anmerken, dass für mich Liebeskummer keinen die freie Willensbildung ausschließenden Zustand darstellt.
Im Rahmen von Suiziden muss man immer stark nach den Ursachen unterscheiden und an dieser Stelle setzen z.B. auch die PsychKG`s der Länder an. Das Problem ist letztlich, dass sich diese Fälle juristisch nicht adäquat lösen lassen und die vom BGH entwickelten Grundsätze gerade in Bezug auf den Übergang der "Tatherrschaft" (Stichwort, Durchschneiden des Stricks) im Rahmen des § 13 StGB sind m.E. auch kaum nachzuvollziehen.
In den USA wird Selbstmorddrohung mit dem Tode bestraft...... Scherz beiseite, es hat nichts mit Nötigung zu tun, das ist eher ein Fall für den Psychologen und wer sich von solchen Aussagen einschüchtern lässt, kann sich gleich daneben setzen.
Und außerdem hat sie schon einen Versuch hinter sich...es ist also gar nicht so abwegig..
Aber es ist doch irgendwo Erpressung. Es ist da doch ziemlich schwer sich zu entscheiden.
kann dazu führen, das sie in die Psychiatrie eingewiesen wird, weil sie dadurch eine Gefahr für sich und andere darstellt.
Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Und meistens ist die Androhung doch heiße Luft und dient nur dazu, Aufmerksamkeit zu erringen.
Sie hat es leider schon versucht...
Mit Selbstmord Reaktionen erpressen? Das ist arm. Ich würde mich da nicht verantwortlich fühlen. Sie sollte dringend in Therapie.
Nach etwas Recherche bin ich zum Schluss gekommen, dass die Frau sich u.U. sehr wohl strafbar gemacht haben könnte. Man muss sich vor Augen führen, dass auch die Androhung eines Suizids geeignet ist, eine Person in eine intensive Zwangslage zu versetzen. Es wird aber stets auf den Einzelfall ankommen, konkret darauf, ob es vom Bedrohten zu erwarten wäre, der Drohung in besonnener Selbstbehauptung standzuhalten.
Jedenfalls in Fällen der unmittelbaren und ernsthaften Selbstmorddrohung wird eine Strafbarkeit anzunehmen sein, des Weiteren könnte sie auch naheliegen, wenn die drohende Person zwar nicht unmittelbar, aber ernsthaft mit dem Selbstmord droht. Dies könnte m.E. bspw. dann der Fall sein, wenn die betreffende Person bereits als selbstmordgefährdet gilt.
Ich verweise auf den BGH (NStZ 1982, 286) sowie das OLG Hamm (NStZ 1995, 547), weiterhin auf die Rezeption im entsprechenden Schrifttum (z.B. Münchener Kommentar zum StGB, Band 3, § 240 Rn. 151).
Zuletzt möchte ich noch anmerken, dass die Androhung von Suizid nur dann strafbar ist, wenn sie genutzt wird, um eine Handlung, Duldung oder Unterlassung zu erreichen. Die bloße Selbstmorddrohung ("Morgen springe ich vom Kirchturm.") ist nicht strafbar.
§ 323c StGB wird bei einer bloßen Selbstmorddrohung wohl kaum verwirklicht sein können.