Frage an Pflegeeltern, Sorgerecht?
Hallo, wenn man ein Pflegekind hat, ist es wahr, dass das Sorgerecht bei den leiblichen Eltern bleibt und nicht bei den Pflegeeltern? Was bedeutet das im Alltag? In Bezug auf Medikamente, Reisen, Ohrringe stechen, Schulwahl, ... Was sind die schlimmsten Einschränkungen, die man dadurch hat?
Vielen Dank für eure Antworten
5 Antworten
Pflegeeltern haben nie das Sorgerecht. Manchmal haben es die leiblichen Eltern, manchmal gibt es einen Vormund. Alltagsentscheidungen können die Pflegeeltern ohne Rücksprache entscheiden. Alles was darüber hinaus geht muss derjenige entscheiden der das Sorgerecht hat. Bei deinen Beispielen würde ich das so sehen:
Medikamente: Hausmittel entscheiden die Pflegeeltern, massivere Medikation der Sorgeberechtigte (z.b. Ritalin)
Reisen: entscheiden die Pflegeeltern, informieren aber den Sorgeberechtigten. Ins Ausland holt man sich lieber die Zustimmung
Ohrringe stechen, Schulwahl: kann einzig der Sorgeberechtigte entscheiden.
Dann hattest du Glück, dies entspricht nicht dem geltenden Recht und ich kenne keinen Fall in dem das so gehandhabt wird. Es gibt aber natürlich sorgeberechtigte Eltern die den Pflegeeltern freie Hand lassen.
Eine Einzelvormundschaft ist IMMER der Amtsvormundschaft vorzuziehen, das ist geltendes Recht. Ich weiß sehr wohl, dass viele Jugendämter an der Vormundschaft kleben (daraus ergeben sich ja auch bewilligte Gelder und Stellen), aber damit verstoßen sie gegen geltende Gesetze (SGB VIII, §56 (4)).
da hast du recht, aber eine Einzelvormundschaft ist eben auch nicht die Pflegefamilie.
Guten Abend Ratlose und allen Beteiligten,
als Pflegeeltern hat man in der Regel das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Das Sorgerecht liegt grundsätzlich bei den leiblichen Eltern, einem familiären/amtlichen Vormund bzw. dem Jugendamt, wie es schon vorher kommentiert wurde. Ebenfalls wurde vorher, richtig und wichtig kommentiert, dass es nach einigen Jahren und unter Berücksichtigung einiger Kriterien (z.B. keine oder seltene Besuchskontakte, Kindeswohlgefährdung usw.), zu Gericht beantragt werden kann.
Am Einfachsten ist es wohl mit einer "Sorgerechtlichen Vollmacht in sämtlichen Belangen". Selbstverständlich möchten viele der leiblichen Familien, eben dieses einzige greifbare Instrument zu Ihrem Familienmitglied, nicht aus der Hand geben. Auch Jugendämter sind nicht immer überzeugt davon, dass die Pflegeeltern das komplette Sorgerecht oder eine Vollmacht dessen, bekommen. Ich schreibe diesbezüglich von Eigenerfahrungen. Es wird daher gerne mit einer gesundheitlichen Vollmacht gewunken, aber diese kann man ja auch ABLEHNEN und auf eine Sorgerechtsvollmacht bestehen. Ansonsten kann der oder die Sorgerechtberechtigten, nervige Arzttermine, Amtsgänge etc. selber übernehmen. Meistens, reicht nur dieser Ansatz an Verantwortung, um die Meinung einiger zu ändern. Eine Vollmacht kann man zusätzlich erklären, dass der Sorgerechtsberechtigte seinen Status behält und es sich nichts für Sie ändert. Mit dem Erhalt dieser Vollmacht sind sämtliche Alltagsprobleme ohne Sorgerecht und ständiger unbeantworteter Nachfragen für wichtige Belange, gehören ab diesem Moment der Vergangenheit an. So haben wir unsere Vollmachten bekommen.
Ich hoffe, ich konnte etwas helfen und wünsche allen Interessierten einen schönen Abend.
In diesem Sinne.....
Die Gesetzeslage in Deutschland ist eindeutig. Sorgeberechtigt ist und bleibt auch bei Dauerpflegekindern grundsätzlich die leibl. Mutter (selten beide Eltern). Nur in Ausnahmefällen wurde das Sorgerecht oder Teile davon gerichtlich entzogen, dieser Entzug wird jährlich überprüft und wenn die ursprünglichen Gründe entfallen sind (zB die drogenabhängige Mutter eine Therapie hinter sich hat) bekommt sie es zurück. Die Entscheidungsmöglichkeiten der Pflegeeltern sind minimal und können zudem vom Sorgeberchtigten nahezu unbegrenzt eingeschränkt werden. Ein paar Beispiele für die groteske Gesetzeslage: Den Pass müssen die Pflegeeltern beantragen, aber ohne ausdrückliche Zustimmung dürfen sie Deutschland nicht verlassen (das lässt sich beliebig weiter eingrenzen), sprich ein spontaner Tagestrip in das 50km entfernte "Ausland" ist nicht möglich. Selbstverständlich werden die Pflegeeltern bei einem Klinikaufandhalt des Kindes als Bezugsperson mit aufgenommen, aber die Ärzte dürfen ihnen gegenüber keine Auskunft geben und Diagnostik und Therapien gehen sie nichts an. Die Pflegeeltern haben kein Mitspracherecht bei der Schulwahl, sie sind aber diejenigen, die mit der Entscheidung leben und das Kind unterstützen müssen. Theoretisch sollte die Lebensgemeinschaft Pflegefamilie verfassungsrechtlich geschützt sein, aber trotzdem gilt das Zeugnisverweigerungsrecht für die leibl. Familie. Eine Ehe gilt als nachhaltig zerrüttet, wenn die beiden Ehepartner (die sich einmal aus freier Entscheidung zu einer Lebensgemeinschaft gefunden haben) drei Jahre lang keinen gemeinsamen Hausstand mehr haben. Ein Kind kann sich nicht scheiden lassen. Es bleibt sein Leben lang an die Herkunftsfamilie gebunden, selbst, wenn es niemals mit den leib. Eltern zusammen gelebt hat. Eine Adoption ist in Deutschland ohne deren Einwilligung erst nach Volljährigkeit möglich und dafür braucht es natürlich Pflegeeltern. Kinder die in Wohngruppen leben, weil die leibl. Eltern aus Konkurrenzangst keine Pflegefamilie wollen, haben keine Möglichkeit jemals von ihren Erzeugern loszukommen.
Das hört sich ja ganz schrecklich an :-(
Dann ist man doppelt gestraft als Pflegekind. Zuerst keine Eltern, die es versorgen können oder gar Schlimmeres und dann auch noch diese Abhängigkeit von der leiblichen Familie, wenn ungewollt :'(
Wenn den leiblichen Eltern das Sorgerecht nicht durch ein Gericht entzogen wurde, haben diese es weiterhin.
Das Sorgerecht kann auch teilweise entzogen werden , so wird meistens nur das ABR (das Aufenthaltsbestimmungsrecht) entzogen, die Vermögens- und Gesundheitssorge verbleiben, falls möglich, bei den Eltern.
Wird das Sorgerecht entzogen, wird ein Vormund mit der Vormundschaft betraut. Dies ist häufig ein Amtsvormund, den das Jugendamt stellt.
Allerdings können Pflegeeltern selbstverständlich auch die Vormundschaft beantragen. Dies ist einer Amtsvormundschaft schon von Gesetzesseite (SGB VIII, §56 (4)) vorzuziehen.
Gerade bei Pflegeverhältnissen, in denen das Verhältnis zwischen Pflegeeltern und leiblichen Eltern angespannt ist, oder bei denen sich ein erhöhter Förderungsbedarf für das Kind heraus stellt, kann eine Amtsvormundschaft die bessere Wahl sein. Ein Mitarbeiter des Jugendamtes kann deeskalierend zwischen den Parteien auftreten und bekommt Fördergelder leichter bewilligt.
Was dürfen Pflegeeltern selbst entscheiden: Dinge des Alltags (Kleidung, Essen, familiäre Regeln). Alles was darüber hinaus geht, entscheidet (theoretisch) der Vormund. Also beim Arzt über Impfungen und Medikation, beim Friseur, über den Aufenthalt bei Urlaubsreisen, die Anmeldung bei der Schule, die Ummeldung beim Umzug.
In der Praxis entscheiden dies (nach Absprache mit dem Vormund) ebenfalls die Pflegeeltern in ihrem familiären Alltag. Da wird nicht beim Vormund angerufen, wenn das Kind zum Friseur muss oder beim Arzt ne Impfung ansteht. Der Vormund setzt sich nicht ins Sekretariat zur Schulanmeldung.
Das regelt man zuvor im Hilfeplan oder per Vollmacht.
Die Alltagsobsorge obliegt den Pflegeeltern.
Reisen, Ohringe stechen lassen u.ä. da muss dann das Jugendamt oder die Eltern gefragt werden. Schulwahl ist ebenfalls mit Jugendamt und Eltern abzusprechen. Kontoeröffnungen, Religionszugehörigkeit und OPs müssen ebenfalls abgesprochen werden.
Aber da sind in der Regel keine Schwierigkeiten zu erwarten.
Was Du schreibst ist Bullshit. Habe weiter oben etwas darüber geschrieben. In der Vollzeitpflege hat man einen Pflegeausweis und kann alle Dinge, die Du genannt hast selber entscheiden. Kontoeröffnungen, Religionszugehörigkeit, OPs und Schulwahl war ganz allein meine Entscheidung. Das Jugendamt hat ganz andere Probleme als sich damit auzuhalten. Deswegen hat man ja den Pflegeausweis.
Das ist nicht ganz richtig. Ich habe zwei Pflegekinder großgezogen. Es waren keine leiblichen Geschwister. Das eine Kind hatte einen Amtsvormund und nachdem ich einen Antrag auf Übertragung der Vormundschaft gestellt hatte, bekam ich die Vormundschaft.
Für das andere Kind hatte die Mutter das Sorgerecht, aber aufgrund meines Pflegeausweises, war das nie ein Problem.
Die Schulwahl, jegliche Art von Medikation, Reisen bis nach Afrika, und noch vieles mehr habe ich entschieden.
Auch Ausweis beantragen und ein Kinderkonto eröffnen war alles kein Problem. Ich brauchte nur den Pflegeausweis vorzulegen und konnte alles entscheiden.
Nachdem die Kinder volljährig waren, musste ich die Pflegeausweise und auch die Bestallung als Vormund an das Amt zurück geben.
Am besten erkundigt Ihr Euch bei Eurem Jugendamt wie das in Eurer Stadt gehandhabt wird.