Drüfen Stempelzeiten morgens auf- und abends abgerundet werden?
Hallo zusammen,
hier die Eckdaten zu meiner Frage.
- Firma mit ca. 30 Mitarbeitern
- kein Betriebsrat
- kein Tarif
- In den Arbeitsverträgen steht eine Wochenarbeitszeit keine genauen Anfangs- und Endzeiten
- Bürotätigkeit am PC, kein An- oder Ausziehen von Arbeitskleidung, kein Vorbereiten oder Reinigen des Arbeitsplatzes
Bis jetzt wurde die Zeit angerechnet wie gestempelt (an der Eingangstür) wurde.
Nun will der Chef das ändern. Morgens wird es auf die nächste volle Viertelstunde gerechnet und am Abend zurück auf die letzte volle Viertelstunde. Die Begründung ist folgende " es wird ja nicht sofort gearbeitet, sondern erst mal `Hallo´ gesagt und der PC hochgefahren, am Abend das selbe Spiel mit `Tschüss´ und Jacke anziehen oder sogar auf Toilette"
Beispiel ALT:
gestempelt 07:32 bis 16:43 Uhr , angerechnet 07:32 bis 16:43 Uhr
Beispiel NEU:
gestempelt 07:32 bis 16:43 Uhr, angerechnet 07:45 bis 16:30 Uhr
Ist das so rechtens? Darf er das?
Vielen Dank für eure Hilfe!
5 Antworten
Ist das so rechtens? Darf er das?
Schlicht und einfach: "Nein!" und "Nein!"
Ich gebe Dir (leicht modifiziert) eine Antwort, die ich zu einer inhaltlich identischen Frage schon einmal gegeben haben:
Die Einrichtung und die Änderung eines Zeiterfassungssystem/eines Arbeitszeitkontos darf der Arbeitgeber nicht einseitig veranlassen; sie bedarf zu ihrer Gültigkeit einer vertraglichen Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer (Arbeitsvertrag, Tarifvertrag - falls anwendbar, Betriebsvereinbarung - falls ein Betriebsrat vorhanden).
Ohne eine vertragliche Vereinbarung zur Zeiterfassung oder ihrer Änderung ist diese für den Arbeitnehmer nicht bindend.
Grundsätzlich darf das System nach einer solchen Vereinbarung aber so eingestellt werden, dass Viertel-Stunden-Rundungen vorgenommen werden.
Diese Rundungen dürfen aber nicht so ausfallen, dass sie gegensätzlich ausfallen - also morgens Aufrundung (in Deinem Beispiel 07:45 statt korrekt 07:32) und nachmittags Abrundung (z.B. 16:30 statt korrekt 16:43) mit in Deinem Beispiel einer Differenz von 26 Minuten zum unangemessenen Nachteil des Arbeitnehmers.
Ein solches Vorgehen widerspricht einigen gesetzlichen Bestimmungen:
Z.B. verbietet das Bürgerliche Gesetzbuches BGB § 307 "Inhaltskontrolle" ("AGB-Inhaltskontrolle") eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers in Bestimmungen des Arbeitsvertrages; solche Bestimmungen im Arbeitsvertrag - also auch Bestimmungen zur Zeiterfassung - werden im allgemeinen wie AGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen) behandelt.
Außerdem schreibt das BGB § 612 "Vergütung" ganz allgemein vor, dass eine Vergütung zu zahlen ist, wenn sie für die Erbringung einer Leistung erwartet werden kann. Und wenn - um im obigen Zeitbeispiel zu bleiben - ein Arbeitnehmer 28 Minuten länger arbeitet, die Zeiterfassung aber diese 26 Minuten kappt, hat er auch ein Recht auf deren Bezahlung.
Es kommt noch hinzu, dass die Zeiterfassung zwar gegenläufige Rundungen zum Nachteil der Arbeitnehmer vornimmt, gleichzeitig aber die korrekten tatsächlichen Zeiten festgehalten werden.
Das lässt nur den Schluss zu, dass der Arbeitgeber rechtswidrig versucht, die zu bezahlende Arbeitszeit zu verkürzen, um Geld zu sparen. Auf die Unsinnigkeit der Begründung des Arbeitgebers für seine (rechtswidrige) Maßnahme hat PeterSchu ja bereits hingewiesen.
Das ist die rein rechtliche Seite der "Geschichte" ... Denn auch wenn das Vorgehen des Arbeitgebers rechtswidrig ist: Es ist noch eine ganz andere Frage - die ich Dir aber nicht beantworten kann -, ob Du Dein Stempelverhalten diesen Gegebenheiten lieber "anpassen" willst oder Dich deswegen doch mit Deinem Arbeitgeber auseinandersetzen willst oder kannst; "Recht haben" und "Recht bekommen" sind ja leider viel zu oft zwei sehr verschiedene Dinge ...
Das wäre völliger Unsinn - und Willkür, die offensichtlich auf eine Benachteiligung der Arbeitnehmer abziehlt!
Wenn er nachmittags minutengenau abrechnen will, kann er das auch morgens!
Er hat also 3 Möglichkeiten:
- morgens und nachmittags minutengenau,
- morgens und nachmittags abrunden oder
- morgens und nachmittags aufrunden,
aber nicht morgens so und nachmittags anders!
Und noch einmal:
Die Änderung der Zeitabrechnung geht nur über eine vertragliche Vereinbarung mit den Arbeitnehmern!
Schon die Begründung "es wird ja nicht sofort gearbeitet" ist total danaben. Wenn man das wirklich annehmen würde, dann müste für jeden Mitarbeiter die gleiche Zeit abgezogen werden, die er benötigt, um von der Stempeluhr an den Arbeitplatz zu kommen und die Arbeit aufzunehmen. Ein Runden der Arbeitszeit Viertelstundenweise wird diesem Gedanken aber nicht gerecht.
Der Chef dürfte mit dieser Maßnahme allenfalls erreichen, dass einige Mitarbeiter sich künftig eine Weile vor der Stempeluhr herumdrücken, bis die Viertelstunde erreicht ist.
gestempelt 07:32 bis 16:43 Uhr, angerechnet 07:45 bis 16:30 Uhr
Ist das so rechtens? Darf er das?
Mit Sicherheit nicht - der Betrieb hat eine nachweisbare Zeiterfassung und diese hat er anzuerkennen, dann sonst braucht man eine derartige Erfassung nicht.
Nein, das Thema war hier schon mehrfach und es ist absolut nicht zulässig, die Stempelzeiten immer zum Nachteil des Mitarbeiters auszulegen.
https://www.gutefrage.net/frage/darf-eine-stempeluhr-immer-zum-nachteil-des-mas-runden
Runden ist nicht ungewöhnlich. Minuten zählen ist sehr mühsam.
Aber als wir noch handschriftlich abgerechnet haben, haben wir immer auf das gerundet, was näher war.
Also bei deinem Beispiel 07:32 bis 16:43 Uhr würde 7:30 und 16:45 raus kommen.
Wenn aber jemand absichtlich und permanent immer im zb. 43 geht, dann hab ich auch ab und zu 30 statt 45 gerechnet.
"Minuten zählen ist sehr mühsam."
Wie kommst du drauf? Gerade wenn man eine automatische Zeiterfassung hat, ist es eben nicht mühsam und dann kann ich auch erwarten, dass realistische Zeiten erfasst werden.
"Wenn aber jemand absichtlich und permanent immer im zb. 43 geht, dann hab ich auch ab und zu 30 statt 45 gerechnet."
Was heißt "absichtlich"? Wenn es eine gleitende Arbeitszeit gibt, dann steht es doch Jedem zu, zu einer beliebigen Zeit zu kommen oder zu gehen. Dann ist es betrieblich ziemlich bescheuert, einen Viertelstundentakt einzuführen. Denn dann ist es vorprogrammiert, dass entweder der Betrieb oder der Arbeitnehmer einen Nachteil hat.
Es kann aber nicht sein, dass der Nachteil täglich und immer auf Seiten des Arbeitnehmers liegt.
Vielen Dank für die tolle Antwort bzw. Erklärung.
Jetzt hätte ich noch eine Frage. Darf der Chef dann morgens auf die nächste volle Viertestunde aufrunden und am Nachmittag minutengenau rechnen? Oder geht das dann auch nicht? Er überlegt sich jetzt nämlich ob er wenigstens diese Variante einführen kann.