Sind Märchen Allgemeingut?
Ich möchte gern ein Buch für meine Tochter schreiben und dieses dann auch als e-book zur Verfügung stellen.
Neben der Grundgeschichte, möchte ich gern irische Märchen einfügen. Ich habe einige auf einer Seite gefunden. Dort hat der Projektleiter aber alles unter Urheberrecht gestellt.
Sind Märchen Allgemeingut (diese Märchen haben keinen Autor, wurden von einem irischen Autor gesammelt und von den Brüder Grimm übersetzt). Darf ich diese Märchen verwenden?
2 Antworten
Es gibt sogenannte "Volks-Märchen" und sog. "Kunst-Märchen". Die Volks-Märchen wurden lange Zeit mündlich überliefert, also weitererzählt, bis sie irgendwann gesammelt und als Buch veröffentlicht wurden, z. B. von den Gebrüdern Grimm.
Die Kunst-Märchen wurden von einem Autor verfasst (und von dessen Verleger direkt veröffentlicht - ohne Umweg über mündliche Überlieferungen und Sammlungen), z. B. von Hans Christian Andersen.
Bei Kunst-Märchen ist der Autor bekannt und genannt, dessen Text ist urheberrechtlich geschützt als "Sprachwerk" nach § 2 UrhG - für ihn, und für seine Erben bis 70 Jahre nach seinem Tod. Danach ist dieses Original-Werk frei, gemeinfrei, und kann von jedem fraglos bearbeitet und verbreitet werden (aber nur das Original, nicht Bearbeitungen anderer Autoren!)
Bei Volks-Märchen ist der Autor in der Regel unbekannt - aber nicht der Sammler. Dieser erwirbt ein eigenes Urheberrecht, wenn seine Sammlung und Zusammenstellung fremder Werke halbwegs kreativ, schöpferisch, originell ist:
UrhG § 4 Sammelwerke und Datenbankwerke: "(1) Sammlungen von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die aufgrund der Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönliche geistige Schöpfung sind (Sammelwerke), werden, unbeschadet eines an den einzelnen Elementen gegebenenfalls bestehenden Urheberrechts oder verwandten Schutzrechts, wie selbständige Werke geschützt."
Dies gilt dann wiederum auch für die Erben des Sammlers, bis dieser 70 Jahre tot ist (bzw. der letzte Bruder im Falle der Grimms ;-)).
Wesentliche Teile der Sammlung dürfen so lange also nicht verwendet werden in eigenen Werken. Ich tippe mal: So ab drei Werken wäre es ein wesentlicher Bestandteil dieser (alten) Sammlung.
Nun kann aber ein "Projektleiter" eine neue Sammlung anlegen, die ebenfalls originell genug ist, um geschützt zu sein nach UrhG § 4. Dann gilt das Selbe wie bei den Grimms, nur eben, bis der Projektleiter 70 Jahre tot ist.
Ob das der Fall ist, entscheidet im Streitfall ein angerufenes Gericht. Vielleicht ist die neue Sammlung ja völlig banal. Oder zufällig. Also keine "persönliche geistige Schöpfung". Dann nützt es gar nichts, dass der Projektleiter "alles unter Urheberrecht gestellt" hat!
Falls nicht, darf man also nicht wesentliche Teile der geschützten Sammlung abkupfern. Also laut meinem Tipp: Nicht mehr als zwei Märchen am Stück :-).
Gruß aus Berlin, Gerd
Es gibt immer einen Autor - was gemeinfrei sein kann sind eh nur die Originale, andere wie Übersetzungen oder Interpretationen haben ihren einen urheberrechtlichen Schutz
Kann ich das denn so verstehen, wenn ich zum Beispiel, die Satzstellung verändere o.ä., dass ich dann die Texte benutzen könnte, mit eigenem Urheberrecht?