Schuldkonflikt auf Baustelle - Statik - Wer ist Schuld?
Wir bauen ein DG in einem 5 Stöckigen Haus aus. Der Architekt hat einen Eingabeplan erstellt in dem die Mauern aus dem EG eingezeichnet sind. Der Statiker hat auf dieser Grundlage die komplette Statikberechnung erstellt. Da das Vorhaben Gebäudeklasse 5 hat, wurde die Statikberechnung durch einen Statikprüfer bestätigt. Der Schlosser hat auf Grund der Berechnungen die Stahlträger bestellt und angeliefert. Um die Stahlträger einzubauen hat dieser den Boden geöffnet und festgestellt dass die Mauern anders verlaufen als im Plan eingezeichnet und verlangt. Auf Nachfrage wurde eine Handzeichnung vom Statiker durchgegeben um das Problem mit den anders verlaufenden Mauern zu umgehen. Nachdem der Schlosser alles montiert hat, wurde festgestellt dass der letzte Stahlträger um mehr als einen halben Meter zu kurz ist. Desweiteren wird von der Bauleitung stark bezweifelt dass die eingebaute Konstruktion tatsächlich so rechtens ist. Sollte sich nun rausstellen dass ein Balken komplett ersetzt werden muss oder sogar mehr, an wen muss ich dann meine Schadenersatzforderung stellen? Architekt? Statiker? Statikprüfer? Schlosser? Danke für einen Tipp!
5 Antworten
Hier scheinen weder der Architektt noch der Statiker mit einem genauen Aufmaß des Altbaus und der Ausführungsplanung (Leistungsphase 5 nach der HOAI) beauftragt worden zu sein. Nur die im Rahmen der Ausführungsplanung erstellten Pläne eignen sich als Grundlage für die Bestellung von Stahlteilen.
Die im Rahmen der Genehmigungsplanung erstellten Zeichnungen ("Eingabeplan") weisen grundsätzlich keine Maße aus, die für die Ausführung des Bauvorhabens oder gar für die Dimensionierung von einzelnen Bauteilen hinreichend genau sind. Die Pläne dienen ausschließlich der Unteren Bauaufsichtsbehörde zur Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit des geplanten Bauvorhabens. Ich gehe davon aus, dass die genannten Wände des EG informell aus älteren Bestandplänen übernommen worden sind, da sie für die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit unbedeutend sind.
Die statische Berechnung und deren Überprüfung durch einen Prüfstatiker dienen ausschließlich als Nachweis für die richtige Dimensionierung der Bauteile hinsichtlich der auftretenden Belastungen. Genaue Maße enthalten sie grundsätzlich nicht. Die Prüfstatik bestätigt lediglich die Richtigkeit der Berechnungen.
Der Schlosser hätte eigentlich darauf hinweisen müssen, dass er aufrund der unzureichenden Planunterlagen keine Bauteile bestellen kann. Erfahrungsgemäß überschätzen sich Handwerker in dieser Hinsicht aber häufig ("Das kriegen wir schon hin - hahaha!).
Der Architekt hätte ebenfalls darauf hinweisen müssen, dass die Pläne des Bauantrags für die Ausführung des Bauvorhabens nicht geeignet sind. Ich könnte mir vorstellen, das er das auch gemacht hat.
Handzeichnungen des Statikers halte ich ebenfalls für wenig geeignet, um millimetergenau passende Stahlteile zu bestellen. Vielleicht hat der Statiker eine schnelle Notlösung finden wollen, um den Baustellenfortschritt nicht zu gefährden.
Es wird nicht klar, wer die Bauleitung übernommen hat. Sollte es sich weder um den Architekten noch den Statiker handeln (was ich aufgrund der dargestellten Umstände annehme) wäre zu klären, ob der Bauleiter zur Beurteilung einer Stahlkonstruktion hinreichend qualifiziert ist.
Fazit: Das Problem liegt in der vermutlich aus Kostengründen nicht erfolgten Ausführungsplanung. Sollte dies zutreffen, trägt der Bauherr selbst die Verantwortung.
Ich vermute jetzt aus dem Text, dass es sich hier um eine Altbauaufstockung handelt, vermutlich ein Bau aus Gründerzeit oder Anfang 20. Jhd.
Architekt hat einen Eingabeplan erstellt in dem die Mauern aus dem EG eingezeichnet sind
Es gibt also zumindest einen Architekten. Das ist schonmal positiv, nur wäre vor jeder Mutmaßung zu prüfen, wofür man den Architekten denn en detail beauftragt hat. Falls es einen Architektenvertrag gibt, müsste dort Art und Umfang der Planungs- sowie Überwachungsarbeiten aufgeführt worden sein. Alleine aus der Aussage, dass der Architekt einen Plan "mit Mauern aus dem EG" gezeichnet hat, lässt sich nämlich weder feststellen, ob er das im Aufmaß oder durch Übernahme der Genehmigungsplanung getan hat, noch, worauf die planerische Darstellung basierte.
Wenn natürlich im Auftragsvolumen keine Aufmaß vor Planung abgedeckt wurde aus Kostengründen, kann weder der Architekt noch der Statiker haftbar gemacht werden, wenn sich später im Vollzug herausstellt, dass der Baubestand erheblich (und wenn es offenkundig um tragende Elemente geht, ist das sehr erheblich) von der Genehmigungsplanung abweicht.
Der Statiker hat auf dieser Grundlage die komplette Statikberechnung erstellt
Das ist das übliche Vorgehen. Der Statiker wird das DG und die Übergänge für die auszubildenden konstruktiven Elemente soweit in Augenschein genommen haben, wie das auf der Grundlage der ihm ausgehändigten Unterlagen erforderlich war. Die akribische Überprüfung des Baubestands in allen Geschossen unter dem DG war ganz sicher nicht Teil seiner Beauftragung.
Der Schlosser hat auf Grund der Berechnungen die Stahlträger bestellt und angeliefert
Usus. Ggfs. Werkpläne vom Statiker.
Um die Stahlträger einzubauen hat dieser den Boden geöffnet und festgestellt dass die Mauern anders verlaufen als im Plan eingezeichnet und verlangt
Tja, das übliche Risiko einer Altbausanierung. Es gibt immer Überraschungen. Da hätte man halt nicht am Aufmaß sparen sollen.
Auf Nachfrage wurde eine Handzeichnung vom Statiker durchgegeben um das Problem mit den anders verlaufenden Mauern zu umgehen.
Das ist zwar unschön, entwertet aber nicht die Arbeit des Statikers. Wenn der seine Berechnungen geändert hat aufgrund der neuen Sachlage und eine entsprechende konstruktive Lösung gefunden hat, die einen Weiterbau ermöglicht, ist das ja per se nicht falsch.
Nachdem der Schlosser alles montiert hat, wurde festgestellt dass der letzte Stahlträger um mehr als einen halben Meter zu kurz ist.
Pech. Der Schlosser hat natürlich die Träger schon zuvor bestellt gehabt.
Desweiteren wird von der Bauleitung stark bezweifelt dass die eingebaute Konstruktion tatsächlich so rechtens ist
Was immer das heißen soll. "Rechtens" kann alles mögliche sein oder nicht sein. Entscheidend ist, ob die Lösung statisch korrekt ist und ob sie im Einklang mit ggfs. geltenden rechtlichen Bestimmungen, insbesondere Denkmalschutz, steht, oder ob eine nachträgliche Genehmigung eingeholt werden muss.
Sollte sich nun rausstellen dass ein Balken komplett ersetzt werden muss
Das ganz sicher. Zu kurz ist zu kurz. Ratsam wäre wohl, das am runden Tisch zwischen allen Beteiligten zu klären.
an wen muss ich dann meine Schadenersatzforderung stellen?
Wenn hier überhaupt ein Schadenersatzanspruch besteht, dann am Ehesten gegen den Architekten bzw. seine Versicherung - aber eben nur dann, wenn der überhaupt mit einem Aufmaß beauftragt war. Zu prüfen wäre zudem, wer für die nicht dokumentierten Veränderungen im Geschoss unterhalb des DG verantwortlich war. Ist das nicht festzustellen, läuft hier jeder Ersatzanspruch ins Leere - dann sind das schlichtweg Kosten, auf denen der Auftraggeber sitzen bleibt (Risiko des Bauherren). Das läuft - wenn ihr Euch nicht gütlich einigt - auf eine jahrelange Prozessorgie mit Gutachtern und Gegengutachtern hinaus. Daher wäre es sehr anzuraten, gemeinsam ein Gutachten durch einen öffentlich vereidigten Sachverständigen einzuholen, und dann das weitere Vorgehen abzustimmen.
Was sagt denn euer Bauleiter dazu?
Der Architekt ist der Adressat der zu meldenden Bauschäden. Er ist in erster Linie verantwortlich. Es handelt sich wahrscheinlich um Planungs-und Statikfehler, evtl.auch Bauleitungsfehler. Der Hinweis , einen Sachverständigen umgehend zu beauftragen, kann ich nur unterstützen : einen ,,Öffentlich bestellten Sachverständigen für Bauschäden" . Der Architekt haftet für Planungsfehler ( z.B. falsch eingetragene Mauerstärken ) mindestens 20 Jahre. Der Statiker haftet für seine Berechnungen, er hätte die Mauerstärkenvor Ort prüfen müssen. Auch der Bauleiter hätte die Pläne des Architekten vor Ort auf ihre Richtigkeit überprüfen müssen. Also : dem Architekten die Planungsfehler und Bauschäden melden und Baustopp bis zur Klärung anordnen. Gleichzeitig Sachverständigen beauftragen. Bauschäden fotografieren.
Hallo Seehausen, das ist hier kein Forum für Besserwisser und Wichtigtuer. Meine Empfehlungen gründen auf der Schilderung von elfe26 sowie aus meiner Berufserfahrung als planender Architekt. Ein Sachverständiger , evtl. auch- wenn erforderlich - ein Fachanwalt für Baurecht , sollten für die notwendige Klarheit sorgen.
Eben. Für besserwisserische Vermutungen zu eine schwierigen und nur vor Ort zu klärenden Sachfrage ist hier kein Raum. Und für unzureichende Ratschläge von Wichtigtuern auch nicht. Wie ich bereits sagte: Nur ein öffentlich bestellter Sachverständiger für Bauschäden und ein Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht helfen hier weiter.
Im übrigen lieber lifefree:: Die Berufserfahrung eines planenden Architekten reicht in diesen Fällen nie aus, das wirst Du auch noch schmerzhaft merken!!
Der Architekt ist der Adressat der zu meldenden Bauschäden
Ack.
Es handelt sich wahrscheinlich um Planungs-und Statikfehler, evtl.auch Bauleitungsfehler
Mutmaßung. Ohne Details über Alter, Bestandsplanung und Historie ist das pure Kaffeesatzleserei.
Der Statiker haftet für seine Berechnungen, er hätte die Mauerstärkenvor Ort prüfen müssen
Nein. Der Statiker haftet für seine Berechnungen im Rahmen seiner Beauftragung und seiner Möglichkeiten. Das Prüfen auf Übereinstimmung der Bestandsplanung mit dem Bau-IST-Zustand gehört zweifelsfrei nicht dazu (abgesehen davon, dass das die meisten Statiker überfordern würde).
Auch der Bauleiter hätte die Pläne des Architekten vor Ort auf ihre Richtigkeit überprüfen müssen.
Nein. Allerdings hätte er ggfs. Abweichungen bemerken und melden müssen, soweit sie überhaupt in seinen Überwachungsbereich fielen. Nachdem es sich hier um einen DG-Ausbau handelt, und das restliche Gebäude vermutlich dem OP nicht gehört bzw. anderweitig genutzt wird, kann der Bauleiter logischerweise keine fremden Wohnungen kontrollieren.
Zu prüfen wäre nämlich in erster Linie, wer die Änderungen seinerzeit ohne Genehmigung durchgeführt hat. Ist derjenige nicht zu greifen, bleibt der Auftraggeber / Eigentümer ggfs. auf den Kosten der Behebung sitzen, weil dan evtl. gar niemand haftbar gemacht werden kann. Handelt es sich bei der Abweichung um eine Änderung im Geschoß unter dem DG, welches dem AG gar nicht gehört und zu dem er auch keinen Zugang hat, wird zu klären sein, wer diese Änderungen an tragenden Elementen (nicht tragende können es ja nicht sein, die wären statisch irrelevant) zu verantworten hatte.
Der Statiker haftet für seine Berechnungen, er hätte die Mauerstärkenvor Ort prüfen müssen
Nein. Der Statiker haftet für seine Berechnungen im Rahmen seiner Beauftragung und seiner Möglichkeiten. Das Prüfen auf Übereinstimmung der Bestandsplanung mit dem Bau-IST-Zustand gehört zweifelsfrei nicht dazu (abgesehen davon, dass das die meisten Statiker überfordern würde).
In der Frage steht gar nicht WO dieses Problem aufgetreten ist. Somit wissen wir nicht welche Landesbauordnung/Ladesrecht gilt. Und da gibt es sehr wohl Unterschiede. Da können auch Bauüberwachungsstätigkeiten bereits festgeschrieben sein.
Ich kenne jedoch kein Bundesland wo ein Statiker nur für "seine Beauftragung" haftet. Wäre das der Fall könnte man den bekannten Satz "alle Maße sind am Bau zu prüfen bei Abweichung ..... in Kenntnis zu setzen" komplett weglassen, weil der Statiker im Rahmen des Auftrags sich ja an die Pläne gehalten hatte, sind die falsch ists ja nicht mehr sein Auftrag.
Vor allem könnte sich ein Statiker, durch geschickte Vertragsformulierung, von jedweden Berufstandards befreien niemals Vor-Ort Besichtungen machen (weil sie nicht beauftragt sind) und mit den Daten arbeiten die ihm (Laien)Bauherren zur Verfügung stellen. Soetwas sehen Richter aber ganz anders..
Recht hast du allerdings das diese Fernanalyse Kaffesatzlesen ist.
Aus der Beschreibung gibt es viele Personen die fachlich nicht ganz sauber gearbeitet haben (Architekt, Annahme das Wände aus dem EG auch im DG so verlaufen; Statiker der ein Handzeichnung durchgibt? ungeprüft?; Stahlbauer der bei einer Sanierung erstmal alles vorfertigt (Stahlbauern arbeiten normalerweise mit milimetern, Altenbauten aber mit cm Abweichungen) und beim Einbau merkt das was nicht stimmt, nach Umplanung sind seine Träger zu kurz?).
Und dann hat die Bauleitung noch zweifel, warum eigentlich.
In der Frage steht gar nicht WO dieses Problem aufgetreten ist. Somit wissen wir nicht welche Landesbauordnung/Ladesrecht gilt. Und da gibt es sehr wohl Unterschiede. Da können auch Bauüberwachungsstätigkeiten bereits festgeschrieben sein.
Zweifellos. Nur ist aus der Sachbeschreibung relativ eindeutig abzulesen, dass die Abweichung gar nicht im DG selbst sondern in den darunter befindlichen Geschossen aufgetreten ist. Und wenn - wie ich jetzt mal postuliere mangels Details - es sich hier um einen DG Ausbau eines bewohnten / genutzten Gebäudes handelt, dann sind die Geschosse unter dem DG gar nicht zugänglich. Wie sol da ein Statiker eine Zustandsprüfung machen?
Ich kenne jedoch kein Bundesland wo ein Statiker nur für "seine Beauftragung" haftet.
Ich schon. Nämlich alle. In den meisten Fällen wird der Statiker außer zum Aufmaß kaum jemals eine komplette Baubegehung durchführen. Das ist Sache des Architekten/Bauingenieurs. Der nämlich muss dem Statiker die Baupläne für die statische Berechnung zusenden, auf die sich der Statiker stützt. Kein Statiker wird im Hochbau je anfangen, die Genehmigungsplanung en detail mit dem Bau-IST-Zustand zu vergleichen. Dafür würde ihn niemand bezahlen, und dafür ist er auch nicht zuständig. Zu prüfen hat er im Rahmen seiner Tätigkeit die konstruktiven Elemente, die von der Planung selbst tangiert werden. Aber er wird ganz sicher nicht anfangen, akribisch jede Mauer im Gesamtgebäude auf exakte Übereinstimmung mit der genehmigten Planung zu prüfen.
Vor allem könnte sich ein Statiker, durch geschickte Vertragsformulierung, von jedweden Berufstandards befreien niemals Vor-Ort Besichtungen machen
Es gibt ganze Branchen, in denen der Statiker eine Baustelle faktisch nie zu Gesicht bekommt. Brückenbau z.B. Oder Tiefbau; glaubst Du ehrlich, der Statiker gräbt sich durch den Schlamm auf der Suche nach Abweichungen von der Ausführungsplanung / Tektur? Wenn dem so wäre, bräuchte man keine Bauleitung und keine Bauüberwachung.
Es scheint sich um einern Planungsfehler zu handeln, für den entweder der Entwurfsverfasser oder der Aufsteller der Statik oder beide verantwortlich sind.
Letztendlich entscheidet das aber das Amts-/Landgericht; Prozessdauer mindestens 5 Jahre.
Euch als Bauherrschaft kann der Schuldige jedoch egal sein; Ihr müsst Eure Rechte mit Hilfe eines Rechtsanwaltes (und nicht mit GF!!!) wahren!
vielen Dank für die schnelle Antwort! Wir haben morgen einen Vor-Ort-Termin zur Klärung der Umstände, ich hoffe dass es keinen so langen Prozess mit sich zieht :(
Denkt daran, dass alle an dem Termin Teilnehmenden nur darauf bedacht sein werden, die Schuld von sich zu schieben. Ihr solltet einen neutralen, öffentlich bestellten Sachverständigen beauftragen, mindestens zur Beweissicherung. Sonst habt Ihr von vorneherein verloren.
Zu lifefree:
Das ist theoretisches Halbwissen gepaart mit Vermutungen, von der Praxis keinesfalls getrübt. Unverantwortliche Pseudoauskunft.