Nach der Schule Bachelor of Laws beim Finanzamt?
Hallo Community,
ich besuche die Jahrgangsstufe 2 eines Gymnasiums und werde im Sommer diesen Jahres die Schule beenden. Mein derzeitiger Notendurchschnitt beträgt etwa 1,4. Dieser wird aber wohl durch die Abiturprüfungen auf ca. 1,6 sinken.
Eigentlich läuft schulisch bei mir alles gut, allerdings bin ich mir nicht sicher was ich nach der Schule machen soll. Ich habe eine feste Zusage bei einem Finanzamt um dort ein Studium im Bereich Steuerrecht zum Bachelor of Laws zu absolvieren. Ich habe dort auch ein Praktikum gemacht und es hat mir gefallen. Ich bin mir allerdingsn nicht sicher, ob ich nach meinem Studium auch wirklich beim Finanzamt bleiben will, oder ob ich nicht doch lieber versuchen sollte bei einer Steuerberatungsgesellschaft unterzukommen. Dort sind ja anscheinend die Aufstiegschancen und das Gehalt besser, außerdem wird man anscheinend auch beim Steuerberatexamen unterstützt.
Ich bin mir also nicht sicher, ob ich also wirklich beim FInanzamt studieren sollte, wenn ich vielleicht eh nicht da bleiben möchte. Außerdem muss ich ja auch eine Art Abfindung ans Finanzamt zahlen, wenn ich die Steuerverwaltung nach meiner Ausbildung verlasse und ich noch keine 5 Jahre dort gearbeitet habe.
Hat jemand von euch vielleicht einen guten Rat für mich?
Vielen Dank schonmal für eure Antworten.
4 Antworten
Ich mache gerade den von Dir angesprochenen LL.B.
Ich für meinen Teil werde bei Vater Staat bleiben, denn da war ich schon die letzten 15 Jahre.
Im Moment rennen drei der Big Four die Türen der Hochschule ein und auch die anderen im Umkreis ansässigen größeren StB-Kanzleien mache fleißig Werbung und bieten Info-Tage an.
Gehst Du zu einer der größeren Kanzleien, übernehmen die die Rückzahlung der Vergütung und sind mit Freistellungen für den Erwerb des Steuerberatertitels mehr als großzügig. Der Ruf der LL.B., bzw. die Ausbildung bei uns an der FH steht vom Ruf und der Qualität noch über den an der dualen Hochschule ausgebildeten Steuerfachwirten (B.A.).
Alles was bei uns einen Zweier oder besser hat, kann zum Steuerberater oder in die freie Wirtschaft gehen. Im Moment ist ein kleiner Run in die Kommunalverwaltung zu entdecken, allerdings ist es dort schwerer als LL.B. unterzukommen.
Interessant, Steuerfachwirt an der Berufsakademie? Das der Ruf nicht so gut ist, dass ergibt sich ja aus der Logik. Es ist die Fortbildung für Steuerfachgehilfen. Wenn man sich die möglichen Berechtigungen ansieht, da zählt nur eine. Die Verkürzung der Wartezeit auf die Steuerberaterprüfung für Fachgehilfen. Dabei wird die Fortbildung neben der normalen Arbeit erledigt... Natürlich ist das geforderte Wissen natürlich auf einem anderen Schwerpunkt als in der normalen Ausbildung und ich würde sogar meinen gerade im Bereich Unternehmensbesteuerung genau das Richtige für die Praxis. Wegen der nicht vorhandenen Rechte bleibe ich allerdings bei meinen Zweifeln.
Übrigens: Die Frage des Verbleibens im öffentlichen Dienst ist ja auch nicht nur die günstigere Kfz-Versicherung. Es ist einfach eine höhere Arbeitsplatzsicherheit und obwohl es eine enorme Arbeitsverdichtung gegeben hat, ist die mit der chronischen Unterbesetzung bei den Freiberuflern nicht vergleichbar.
Und die Aufwendungen für eine Altersvorsorge möchte ich wirklich nicht außer der Betrachtung lassen. Bevor man das als selbständiger erreicht, da braucht man schon Umsätze...
@gullup
Der Ruf an und für sich der BA ist gut. Die Leute werden dann von ihren StB auch übernommen und einige schlagen sich bei der StB Prüfung auch nicht schlecht, aber die Ausbildung ist halt fachbezogener. Im Vergleich zum LL.B. haben sie deutlich mehr Bilanzsteuerrecht, aber beim Zivilrecht, beim öffentlichen Recht und auch im Verfahrensrecht sind sie nicht so gut aufgestellt.
Zumindest bei uns hast Du Vorlesungen von 08.00 bis 13.00 Uhr und während der letzten Abschnitte des Grundstudiums noch Wahlpflichtfächer an einem Nachmittag. Man sollte sich aber nicht davon täuschen lassen. Nur mit dem Stoff aus den Vorlesungen wird man die Prüfungen nicht (gut) bestehen. Man sollte ca. drei Stunden täglich noch für die Nacharbeit einplanen.
@ Alvasan
Erfahrungen im Studium... Als aller Erstes muss man bedenken, dass es letztlich eine Ausbildung ist. Man wird dafür bezahlt, dass man studiert und daher ist auch Anwesenheitspflicht. Es lässt sich also nicht mit einem "normalen" Studium vergleichen. Die Hauptfächer im Studium sind Einkommensteuer, Abgabenordnung, Umsatzsteuer, BIlanzsteuerrecht und Besteuerung der Gesellschaften. Das sind die Fächer für die Laufbahnprüfungen. Während des Grundstudiums werden auch Prüfungen in Privatrecht und öffentlichem Recht geschrieben, sowie in Bewertungsrecht.
Während der Praxisphasen durchläufst Du alle Stellen die es im Finanzamt gibt und sammelst praktische Erfahrungen. Während der Praxisphasen hast Du sogenannte Ausbildungsarbeitsgemeinschaft die Dir helfen sollen das theoretische Wissen und die praktischen Kenntnisse in Einklang zu bringen, denn Du bekommst an der Hochschule sehr viel rechtliches Wissen, von welchem Du das meiste auf dem Amt nicht wirklich anwenden kannst.
Spaß? Wenn mir die Tätigkeit keinen Spaß machen würde, dann würde ich nicht noch ein Studium durchziehen. Spaß ist bei Berufen immer so eine Frage. Mal macht es mehr Spaß, mal weniger, aber insgesamt gefällt mir mein Job.
Vielen Dank für den Erfahrungsbericht. Ich hätte noch ein paar Fragen:
Wie würdest du dein Studium qualitativ einschätzen? Hast du das Gefühl gut für die Aufgaben im Finanzamt vorbereitet zu werden? Und wie würdest du das Studium insgesamt einschätzen? Du hast ja schon gesagt, dass man mit dem LL.B ein breiteres Wissen hat als ein BA. Wie würdest du das Studium aber im Vergleich mit einem BWL oder einem Jura Studium für den Bereich Steuerrecht beurteilen?
So, schonmal danke für die folgende Antwort;-)
Qualitativ? 13 von 15 Punkten.
Vorbereitung für das Finanzamt? 20 von 15.
Studium ingesamt? 12 von 15.
Vergleich zu BWL oder Jura 5 von 15.
Wenn Du in die Steuerbranche gehen willst, vor allem in Richtung Steuerberater gibt es meines Erachtens kein Studium dass Dich derart gut auf den Steuerrechtlichen Teil vorbereitet. Du hast allerdings Defizite im Bereich der Betriebswirtschaft.
Vorbereitung für das Finanzamt. Den Großteil des Steuerwissens benötigt man bei Aufstellung des Jahresabschlusses oder der Erstellung einer Steuererklärung. Das Finanzamt muss in der Regel nur vorgelegte Unterlagen prüfen und entscheiden ob die Handhabung richtig war. Zudem ist die Bearbeitung von Steuererklärung ein Massengeschäft. Das meiste wird nur überschlägig geprüft und für die meisten Steuererklärung braucht man kein tiefgehendes Steuerwissen.
Das Studium insgesamt hängt vermutlich von der Hochschule ab. Ich bin sehr zufrieden, man merkt aber, dass es zwar Hochschule heißt aber immer noch Landesfinanzschule ist. Auf jeden Fall bietet es eine solide Grundlage für den Bereich Steuerrecht.
Mit Jura ist es nicht zu vergleichen. Du hast einen Run durch das ganze BGB. Im ersten halben Jahr machst Du den allg. Teil durch, im zweiten Halbjahr das Schulrecht mit Schwerpunkt auf Kauf- und Mietverträge, im dritten Halbjahr noch kurz das Sachenrecht und einen Überblick über das Familienrecht. Im zweiten Halbjahr machst Du im Fach Erbschaftsteuer noch kurz das Erbrecht durch. Studierst Du Jura dann zieht sich das über zweieinhalb Jahre oder noch länger. Du kannst anschließend das BGB lesen und anwenden, aber es fehlt Dir der Tiefgang.
Ähnlich im öffentlichen Recht. Du hast im ersten Teil des Grundstudiums den Staatsaufbau und die Organe auf Bundsebene. Im zweiten Abschnitt des Grundstudiums kommt ein kurzer Überblick über die Deine Landesverfassung, die Bundesorgane werden abgeschlossen und es erfolgt ein Einstieg in die Aufgaben des Bundesverfassungsgericht. Im letzten Abschnitt des Grundstudiums werden dann die Grundrechte durchgekaut, ihre Bedeutung für das Steuerrecht, die Klagearten und Klagewege vor das BVerfG und die Stellung von EU Recht. Im Jurastudium zieht sich auch das nicht über 1,5 Jahre sondern über knappe 2,5 oder mehr Jahre.
Super, vielen Dank für die ausführliche Erklärung. Das hört sich für mich ziemlich gut und auch interessant an.
Du hast allerdings geschrieben, dass man betriebswirtschaftliche Defizite hat, wenn man in den Bereich Steuerberatung gehen möchte. Glaubst du es ist möglich diese Defizite auszugleichen oder hälst du das für (fast) unmöglich?
Und jetzt noch meine (wirklich ;-) ) letzte Frage:
Ich habe ja in meinem Fragethread meine jetzige Situation erläutert. Wenn wir davon ausgehen, dass ich mich für das Thema Recht im Allgemeinen und auch für das Steuerrecht begeistern kann, meinst du das Studium beim Finanzamt wäre für mich eine gute Entscheidung oder würdest du mir zu einer Alternative raten? Ich würde im Übrigen an der Hochschule in Ludwigsburg anfangen, wenn ich das Studium beim Finanzamt beginnen würde. Außerdem wollte ich mir vielleicht die Möglichkeit offen halten in die freie Wirtschaft zu gehen.
So jetzt bin ich dann wirklich gespannt auf deine Antwort;-)
Danach vergebe ich auch gerne die hilfreichste Antwort an dich.
Gruß und vielen Dank
Alvasan
Ich bin gerade an der HS Ludwigsburg, denn die sind meines Wissens die einzigen bei denen Du mit dem LL.B. abschließen kannst :-)
Wenn Du den Steuerberater anstrebst, dann komm nach Ludwigsburg, aber sag es beim Vorstellungsgespräch Niemandem. Ist im Moment ein heikles Thema. Das Land bildet jeder Jahr ca. 400 Anwärter aus, weil Bedarf ist, und die StB kommen und klauen die Besten. Früher war man froh über jeden der freiwillig zum StB geht und jetzt hängt man an den Leuten.
Das BWL Defizit ist das geringste. Wenn Du das Studium geschafft hast, kannst Du Dir das über learning by doing aneignen.
Vielen Dank. Ich denke, dass ich das Studium wohl machen werde. Ich war mir einfach nur nicht sicher, ob sich das Studium später auch lohnt..
Die Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist ja nicht übel. Klar gibt es da welche... Aber eben auch die anderen. Kommt also darauf an, was man selber daraus macht.
Ich habe lange Jahre für einen Steuerberater gearbeitet. Der hat selber eine längere Beamtenlaufbahn gehabt. Dabei war er dann auch Sachgebietsleiter. Dieser Mann ist im Steuerrecht richtig gut. Einer der Besten und ich habe schon für einen gearbeitet, der durch Kommentare seinen Prof.-Titel bekommen hat. Womit ich gegen den letztgenannten nichts sagen will!
Also für das Finanzamt die fünf Jahre arbeiten halte ich sogar für sehr sinnvoll. Außerdem: Die Zeiten, wo der Steuerberaterbrief die Lizenz zum Gelddrucken war, sind lange vorbei. Mache Dir den Spaß. Gehe auf die Gelben Seiten und suche in Deiner Stadt Zahnärzte. Dann gib mal Steuerberater ein. Geht dabei ja nicht um genau Zahlen. Mache das auch mit anderen Städten in anderen Regionen. Dieser Vergleich ist zwar populistisch und nicht mit einer Marktanalyse zu verwechseln. Trotzdem: Zähne haben wir alle und werden von den Kassen gezwungen dorthin zu gehen. Dieses Marketing haben Steuerberater nicht und es gibt sehr viele. Diese sehr vielen sind zu viel für den Markt. Da kann man sich nur überlegen, ob man nicht mit dem Steuerberater-Titel in der Tasche irgendwo einsteigt.
Viel Erfolg nicht nur mit der Entscheidungsfindung.
du musst letztendlich wissen, wo deine Prioritäten liegen. Willst du viel Geld verdienen und richtig Karriere machen - dann hast du als Steuerberater bessere Chancen (wobei das beim Finanzamt auch nicht unmöglich ist) Wenn du einen sicheren Job willst und ein vielleicht "ruhigeres Leben" (also, keine Überstunden, nicht soviel Stress, Arbeitsplatzgarantie etc.) - dann geh zum Finanzamt.
Gehen wir mal davon aus, dass ich richtig Karriere machen wollte;-)
Wäre dann der Bachelor of Laws oder ein BWL Studium mit entsprechender Vertiefung "besser"?
Ah, ich hab noch was vergessen:
Meint ihr es wäre für mich ratsamer, statt des Bachelor of Laws ein Studium im Bereich BWL mit entsprechender Vertiefung zu machen? Wären meine Chancen damit größer in einer Steuerberatungsgesellschaft unterzukommen?
Zweimal nein.
Mit BWL-Abschluss sind die Chancen allenfalls durchschnittlich.
Mach es anders: Studiere Jura bis zum 2. Staatsexamen, lass dich als Rechtsanwalt zulassen und geh dann in eine Steuerberatungsgesellschaft - möglichst eine, in der kein anderer RA ist. Die Inhaber werden dir rote Teppiche auslegen, weil sie dann nämlich von dir dank deiner Qualifikation alle die Sachen unterschreiben lassen dürften, zu denen sie selbst berufsrechtlich nicht befugt sind.
Könntest du mir vielleicht etwas von deinen Erfahrungen in dem Studium erzählen? Was lernt man alles theoretisch an der Hochschule und was macht man während des Studiums im Finanzamt? Macht dir deine Tätigkeit Spaß und würdest du es wieder machen, wenn du noch einmal die Wahl hättest?