Können Richter eigentlich für Fehlurteile zur Verantwortung gezogen werden?

8 Antworten

Rein theoretisch können Richter wegen des Verbrechens der rechtsbeugun (§ 339 StGB) belangt werden. Rein theoretisch...

Dagen wir mal so:

Ein legitimes System mit unterschiedlicher Machtverteilung bedarf stets eines Regulativs, um Regelverstöße der machtbesitzenden Seite zu ahnden und so die Einhaltung jener Regeln, die das System legitimieren, zu gewährleisten. Entscheidendes Kriterium zur Beurteilung, ob ein System legitim oder illegitim (also: kriminell) ist, ist ist der Umstand, ob und wie wirksam die Ahndung von Regelverstößen des machtbesitzenden Teils des Systems funktioniert. Erfolgt sie konsequent, wird sich die Anzahl der Verstöße – nicht zuletzt auf Grund des präventiven Charakters der Ahndung – auf einem niedrigen Niveau einpendeln. Die Anzahl der tatsächlichen begangenen, ist mit der die durch die Ahndung registrierten Regelverstöße nahezu identisch.

Wird hingegen das regulative Element umgangen, außer Kraft gesetzt oder anderweitig eliminiert, fallen auch alle anderen das System legitimierenden Regeln der Wirkungslosigkeit anheim. Aus einem legitimen System mit – zwangsläufig vorhandenen – kriminellen Elementen, wird dann ein illegitimes, willkürliches System. Die Zahl der tatsächlichen Regelverstöße wird drastisch steigen, während die der durch Ahndung kenntlich gemachten Regelverstöße rapide abnimmt.

Wird darüber hinaus die Außerkraftsetzung des Regulativs selbst zum Teil des Systems erhoben, so wird aus dem willkürlichen ein kriminell strukturiertes System. Die Anzahl der tatsächlichen Regelverstöße von Seiten des machtbesitzenden Teils wird sehr hoch sein, die Anzahl der geahndeten und damit registrierten Verstöße wird dagegen bei Null liegen, denn: Regelverstoß und Nichtahndung desselben sind ja nun integrativer Teil des Systems.

So weit die Abstraktion. Wenden wir uns nun dem prallen Leben zu.

Das deutsche Recht billigt der Richterschaft dieses Landes eine einmalige, in sonst keinem anderen gesellschaftlichen Bereich vorhandene Machtposition zu. „Unabhängig“ in den Entscheidungen, auf Lebenszeit berufen und durch niemand kontrolliert als durch sich selbst: Ein solches Konstrukt schreit geradezu nach Missbrauch. Um dem zu begegnen, hat der Gesetzgeber ein Korrektiv ersonnen, bestehend aus einem Gebot („Richter sind dem Gesetz unterworfen“ Art. 97 GG und § 25 DRiG) und – falls dagegen verstoßen werden sollte – einer Strafbestimmung („Rechtsbeugung“ – einst § 336, heute § 339 StGB).

Bei einem funktionierenden legitimen System….

Konkret: Ich habe lange, sehr lange recherchiert. Ich habe im Internet gegraben, mit Justizministerien telefoniert, die Pressestelle des Bundesgerichtshofes genervt und das Statistische Bundesamt gequält… Es blieb dabei: In der Geschichte der bundesdeutschen Justiz ist – mit Ausnahme des Sonderfalles DDR-Unrechts-Aufarbeitung – ganze zwei Fälle zu finden, bei denen es zu einer endgültig rechtskräftigen Verurteilung von Richtern wegen Rechtsbeugung gekommen ist. Der Grund ist einfach: Als es nach der Gründung der Bundesrepublik daran gehen sollte, auch die monströsen Verbrechen der NS-Justiz aufzuarbeiten, war der Bundesgerichtshof (und nicht nur der!) längst wieder mit den alten Nazi-Juristen besetzt. Und die erfanden zum Schutz ihrer einstigen Kumpane das Konstrikt des "unbedingten Vorsatzes" - dass heißt, man konnte die Täter nur dann verurteien, wenn sie vor Begehung der Tat aufgestanden wären und laut verkündet hätten: "Ich begehe jetzt eine Rechtsbeugung!" Mit der Strafrechtsreform von 1974 hatte der Gesetzgeber zwar ausdrücklich bestimmt, dass diese Praxis nicht mehr anzuwenden sei - umsonst! So werden noch heute regelmäßig fast alle Verfahren gar nicht erst eröffnet bzw. eingestellt - und zwar stets mit dem Hinweis auf die seinerzeitige "Rechtsprechung" der Altnazis des BGH.

Nur leicht überspitzt kann also gesagt werden: Wer seine kriminellen Neigungen ein Leben lang straffrei ausleben möchte, wird um eine Karriere al Richter nicht umhinkommen...

Guiseppe1960 
Beitragsersteller
 30.12.2007, 12:57

Danke für diese ausführliche Antwort. Hat mir sehr geholfen. Schade, dass ich nur einen DH vergeben kann (die Antwort hätte mind. 10 verdient)...

Spucky  01.03.2008, 19:42
@Guiseppe1960

Auch wenn diese gute Frage schon kalter Kaffee ist, möchte ich noch was anmerken.

Die Antwort von olafk war klasse. Da hat sich einer Mühe gegeben, hinter den Paragraphenvorhang zu schauen.

Mit einer Sache bin ich allerdings nicht einverstanden, denn das mit dem unbedingten Vorsatz ist meines Wissens nur eine juristische Interpretation, für die es keine Rechtsvorschrift gibt.

Vorsatz ist nötig, und das ist auch gut so, weil sonst unter Umständen ewig weitergestritten würde vor Gericht. Auch Richter sind Unmenschen, die Fehler machen und Fehler machen dürfen ... ;-)

Allerdings ist niemand verpflichtet, sie Fehler machen zu lassen, und dazu hat der Gesetzgeber eine nette Möglichkeit geschaffen: das Gerichtsprotokoll.

Ich habe herausgefunden, daß in mündlichen Verhandlungen sogar Video- oder Tonbandprotokolle möglich sind, und bekam diese erstaunliche Erkenntnis von den zuständigen Topjuristen im BMJ bestätigt. Dies allerdings nach entsprechenden Ausweichmanövern, die man nur mit Psychoeristik parieren kann.

Wer's nicht glaubt, darf sich gerne schlau machen in den Gesetzen. Im Gerichtsverfassungsgesetz steht, daß nur Aufzeichnungen zum Zwecke einer Veröffentlichung untersagt sind. Aber das erfährt das Volk natürlich nicht, weil es nicht nachschaut und Juristen blind vertraut. Alles Wesentliche soll festgehalten werden, weil nur so unser demokratisch gemeintes Regelwerk sicherstellen kann, daß alles mit rechten Dingen zugeht.

Richter protokollieren raffinierterweise gerne nur das, was ihre Rechtshandlungen und Urteile unangreifbar macht. So kommen sie immerwieder um den Vorsatz rum. Vorsatz kann man aber bewirken, wenn man Richter nachweislich darauf hinweist, daß sie sich nicht dem Gesetz unterwerfen.

Die sogenannte Unabhängigkeit der Richter ist im Grunde eine gewaltige Einschränkung ihrer Handlungsfreiheit, weil sie nur bedeutet, daß sie nicht irgendwelchen Parteiinteressen dienen dürfen, die sich gegen das Gesetz stellen!

Und was Gesetz ist, ist meist viel klarer geregelt, als sich der Bürger vorstellt, der sich vorgaukeln läßt, Urteile und Kommentare seien verbindlicher als Rechtsvorschriften.

So, das mußte gesagt sein in so einem aktiven Forum mit so vielen schönen Möglichkeiten, sein Wissen zu verbreiten ...

Schöne Grüße von Spucky, der hiermit seine erste Antwort geliefert hat.

Novosibirsk  25.08.2019, 19:13

Diese Nazirichter haben sich noch mit einem weiteren Griff in die Trickkiste höchstrichterlich abgesichert, Sie erfanden für den Fall der des Vorliegens von Naizverbrechen durch Richter den Tatbestand der minderschweren Tat von Richtern, die nicht mehr verfolgt werden müsse.
Dazu musste lediglich ein "unbhägiges Gericht bzw. ein "unabhängiger" Staatsanwalt die Naziverbrechen von Richtern herabstufen auf eine "minderschwere Tat" und schon war es den RIchtern erlaubt, diese Tat nicht mehr zu ahnden.
Damit haben Richter vorbei an den Parlamenten für sich ein Sonderrrecht geschaffen, das nur sie vor Strafverfolgung schützt.
Der Trick mit der "minderschweren Tat" wird mittlerweile von der Justiz in allen Verfahren angewandt, in denen Richter eines Vebrechens angeklagt sind.

vgl.https://www.change.org/p/strafbarkeit-von-rechtsbeugung-wiederherstellen-b%C3%BCrgergerichte-einf%C3%BChren

Das Bewusstsein, sakrosankt zu sein und nicht zur Rechenschaft gezogen werden zu können und sich nicht wegen „fehlerhaften“ Verhaltens verantworten zu müssen, musste sich geradezu zwangsläufig auf die Arbeitsmoral von Richtern auswirken,

zumal Richter eine feste Besoldung erhalten, die auch dann weitergezahlt wird, wenn sie den Griffel fallen lassen.

Gleichzeitig ist es ihnen erlaubt, einen wesentlichen Teil ihrer Arbeitszeit zu Hause zu verbringen. Sie müssen tatsächlich niemanden gegenüber Rechenschaft darüber

ablegen, ob sie die Prozessakten überhaupt gelesen haben.

Jeden Tag kommt es in unserer Republik alleine im Bereich der Strafgerichte zu 650 Fehlurteilen und im Bereich der Zivilgerichte sieht es nicht anders aus, so dass das Ansehen der Justiz in der Bevölkerung sehr gelitten hat.

vgl. https://www.spiegel.de/panorama/justiz/justizirrtuemer-wie-strafgerichte-daneben-liegen-a-896583.html

vgl.

Wenn Richtern alles egal ist und sie verantwortungslos handeln“ aus Handelsblatt vom 19.4.2019

ein richter in deutschland ist dem gesetz und seinem gewissen gegenüber verpflichtet,sonst niemanden rechenschaft schuldig.er hat auch keine vorgesetzten dem er in irgendeiner form eine begründung für seine entscheidung geben muß. ich denke das ist auch gut so. ich denke auch das in gravierenden fällen fehlurteile äußerst selten sind. im zweifel für den angeklagten...es ist besser 10 schuldige laufen zu lassen,als einen unschuldigen zu verurteilen.

Wir haben als Kläger, drei Wochen vor der Gerichtsverhandlung die vom Gericht geforderten Meldebestätigungen zu „unbekannt Verzogenen“ eingereicht , die uns vom Verwalter der WEG übergeben wurde.

Zwei Tage später haben wir von der Gemeinde die Meldebestätigungen der unbekannt verzogenen erhalten und an das Gericht nachgereicht.

Die Empfangsbestätigung des Posteinganges bei Gericht ist vorhanden.

Der Richter verlangte beim Gerichtstermin die „Meldebescheinigungen“ und verließ sofort den Gerichtssaal und meldete: „Es sind keine Meldebestätigungen eingegangen“.

Der Richter lehnte die Klage wegen fehlenden Meldebestätigungen ab.

Der Richter verweist dabei auf unser Schreiben, mit dem wir lediglich zum Klageantrag vom 02.12.2012 das „Urteil des Bundesgerichtshofes vom 04.12.2009 Aktenzeichen V ZF 44/99“ zur Verwendung des Instandhaltungsrücklagenguthabens eingereicht haben. 

Was soll einem solchen Richter passieren? Er wird doch die Verantwortung auf das Personal abschieben und niemals zugeben, dass die Meldebescheinigungen in der Akte vor ihm lagen!

Kennt Ihr Schillers Worte? "Es gibt nur eine Sittlichkeit und das ist die Wahrheit. Es gibt nur ein Verbrechen und das ist die Lüge"

Das gute an unserer Demokratie ist, dass wir ein Gewaltenteilung haben. Die Richter gehören der Judikativen an und sind unabhängig. Das ist auch gut so. Natürlich gibt es in jedem Beruf den Menschen ausüben die Möglichkeit, das Fehler passieren. Da kann ich nur die Bibel zitieren. Wer ohne Schuld ist werfe den ersten Stein.

Novosibirsk  25.08.2019, 19:20

Für eine darartige stromlinienförmige Antwort kannst Du mit Sicherheit in der Schule und am Arbeitsplatz Pluspunkte sammeln.
Aber wenn es nur Mitläufer gäbe, die sich auf die Seite der jeweils Mächtigen schlagen, dann wäre die Leibeigenschaft und der Beruf des Knechtes bis heute noch nicht abgeschafft worden.

Nein, Richter müssen ja per se in ihren Entscheidungen ungebunden sein (sonst wären sie befangen). Wie sollten sie sonst unbeeinflusst be-"urteilen"? Es gibt immerhin die Mittel der nächsten Instanz und Revision bei Einsprüchen. Übrigens ist das auch das Argument dafür, dass Richter ausreichend bezahlt werden müssen; damit sie unbestechlich sind.

Wertbestimmung  31.05.2015, 11:49

Meiner Ansicht nach, sind bestimmte Richter sowieso dafür zuständig, die nächste Instanz nicht arbeitslos werden zu lassen.