Ersthelfer - Bekomme die Bilder nicht mehr aus dem Kopf
Hallo Community,
ich bin neu hier und hoffe auf eine paar Tipps zu einem Thema, das mich schon lange beschäftigt. Es ist zwar schon über ein Jahr her, aber es kommt mir vor als wäre es gestern gewesen:
Ich war mit einem Freund auf dem Stuttgarter Wasen, wir sind mit dem Zug nach hause gefahren weil wir es für sinnvoller hielten als mit dem Auto. Als wir ausgestiegen sind und am Bahnhof auf den nächsten Bus warteten, hörten wir auf einmal einen dumpfen Schlag und etwas knacken, als ein Auto auf der Hauptstraße vorbei fuhr (ca. 50 Meter von uns), und wir dachten er hätte seine Stoßstange hängen lassen oder sonst was. Als der Fahrer ausstieg und nach Hilfe rief, und immer wieder rief, dass er einen Krankenwagen brauche, sind wir hingerannt und sahen, dass hinter dem Geländewagen auf der Straße ein Mann lag. Er blutete stark am Kopf, beide Fahrspuren waren rot und das Blut floss mit dem Regen den Gulli runter. Wir haben sofort die 112 gerufen und haben versucht zu helfen. Es kamen immer mehr Leute dazu, am Schluss waren es vielleicht 10 Leute, von denen KEINER etwas tat, einige fotografierten sogar noch mit dem Handy!!! Ich war total unter Schock und irgendwie ging alles wie von allein... Wir fragen, wer einen Verbandkasten habe, aber niemand hatte einen, oder wollte einen geben. Ich zog mein Pullover aus und versuchte die Blutungen am Kopf zu stoppen, hab dem Mann meine Hand gegeben, die er fest gehalten hat und er hat mir erwartungsvoll in die Augen geschaut. Die Zeit bis der Notarzt kam, kam uns vor wie eine Ewigkeit. Auf einmal sah ich wie sich der Kopf des Mannes entspannt hat und er meine Hand nicht mehr gedrückt hat. Mein Freund hat meinen Pullover auf die Wunde gebpresst und ich wollte versuchen den Mann wieder zu beleben, bis der Notarzt kam. Als der endlich eintraf, versuchten die mit ihren ganzen Geräten usw. den Mann wieder zu beleben. Erst in dem Moment hab ich eigentlich so wirklich realisiert was da gerade passiert und wir sind in Tränen ausgebrochen. Es kam dann auch Polizei und noch ein Krankenwagen für meinen Freund und mich, da ich zusammengebrochen bin. Im Krankenhaus waren dann ein Unfallpsychologe und ein Pfarrer, mit denen wir reden konnten, aber das hat nicht wirklich viel gebracht, da wir mit dem Kopf noch total beim Unfall waren. Heute ist ein bisschen mehr als ein Jahr vergangen aber ich sehe immernoch, wie mir der Mann in die Augen geschaut hat und dann meine Hand losgelassen hat :( zum Psychologen will ich eigentlich nicht... Ich stell mir auch die ganze Zeit die Frage, was ich besser hätte machen können.
Wie uns im Krankenhaus gesagt wurde hatte der Mann wohl Frau und Kind.
Bitte kann mir jemand Tipps geben das ganze - nicht zu vergessen - aber besser zu verarbeiten? Sorry für die lange Story, aber ich muss das einfach los werden.
7 Antworten
Hey, das tut mir leid was du mitmachen musstest! Aber du hast dein bestes gegeben! Du konntest ja nichts dafür und auch nicht mehr machen. Du warst bei ihm und hast ihm das alles erträglicher gemacht, das ist das wichtigste. Ich finde es super, dass ihr geholfen habt und nicht tatenlos zusaht! Wie du schon sagtest, du sollst die Geschichte nicht vergessen, sondern du sollst nicht mehr so oft daran denken, das tut dir nicht gut. Vielleicht solltest du trotzdem mal zum Psychologen gehen...muss ja nicht für lange sein. Der hilft dir das Geschehene zu verarbeiten, besser als wir das können ;) Versuch einfach wieder normal zu leben, nicht mehr so oft daran zu denken, indem du dich ablenkst und wieder Spaß hast. Dem Mann geht es doch jetzt bestimmt gut und er hat keine Schmerzen mehr! Man kann nicht jedes Leben retten...
Lg:))
Zuerst mal meinen allergrößten Respekt davor, wie Ihr Euch in der Situation verhalten habt. Ihr könnt stolz auf Euch sein, daß Ihr, im Gegensatz zu den Gaffern, versucht habt, zu helfen. Der überfahrene Mann wird das in seinen letzten Momenten erkannt haben und wir Euch dankbar gewesen sein, daß Ihr für ihn da wart.
Aber natürlich sind unsere Bemühungen nicht immer durch das angestrebte Ziel geadelt. Für den Mann war jede Hilfe wohl zu spät. Aber Ihr habt ihm in seinen letzten Momenten das Gefühl gegeben, nicht allein zu sein, nicht egal zu sein. Das war für ihn sicher sehr wichtig. Manchmal muß man einfach mit dem Wenigen klarkommen, was man bekommt, statt um das zu klagen, was Einem verwehrt bleibt.
Vielleicht solltet Ihr mal ein Gespräch mit der Witwe suchen. Geteilte Trauer ist ein erster Schritt in ein unbelastetes Leben.
Besucht das Grab des Mannes und "sprecht" dort mit ihm.
Trauer zu überwinden heißt nicht den Schmerz zu ignorieren, sondern ihn anzunehmen, ihn zuzulassen. Das ist nichts Schlechtes, sondern ein wichtiges Ventil.
Wenn mir je so etwas passieren sollte, wünsche ich mir Menschen wir Euch in der Nähe.
Danke, das ist sehr nett. Leider weiß ich nicht wie der Mann hieß. Es gibt zwar einen Zeitungsbericht, aber da steht natürlich auch kein Name drin :(
a) Mach einen Erste-Hilfe-Kurs (den großen), dann bist du gerüstet, falls es noch mal passiert
b) Geh zum Psychologen. Warum willst du nicht dahin=?
Ich als Feuerwehrmann kenne mich mit solchen Situationen aus. Du hast erstmal alles RICHTIG gemacht. Du hast versucht ihm zu helfen. Nach größeren Einsätzen sprechen wir im Trupp immer mit einem Psychologen, da es von jeder Person anders aufgenommen wird. Da dies für dich nicht in Frage kommt, solltest du dir einen Freund/in suchen und mit ihm über alles reden. Mache dir nicht allzu große Vorwürfe, das sterben gehört bei den Menschen sowie Tieren dazu. Wenn du noch Fragen hast, ich werde auf jeden fall mit dir in Kontakt über das Forum bleiben.
.. Ich bin auf diesen Beitrag gekommen weil es mir ähnlich geht. Ein Radl Fahrer hat mir die vorfahrt genommen und ist frontal in meine Windschutzscheibe, die Scheibe ist durchbrochen und der mann ist Meter weit geflogen.. ich bin raus gelaufen zum Kofferraum habe den Verbandskasten geholt, als ich den mann jedoch bluten sehen habe.. stand ich so unter schock das ich selbst am Boden lag, ich hab im Hilfe gerufen und erst viel später hat mir auch jemand geholfen.. der mann wurde dann mit dem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus geflogen.. die Polizei sagte mir das er das evt. nicht überleben wird.. ich als Autofahrerin habe mir wahnsinnige Schuldgefühle eingeredet.. was wäre wenn.. als ich am nächsten tag seine famile angerufen habe um zu fragen wie der Gesundheitszustand von dem jungen mann aussieht, haben sie mir gesagt das es ihm ''GUT'' geht .. er trug jegliche Verletzungen im Gesicht.. deswegen hat er auch so geblutet.. er hatte gott sei dank keine innern Verletzungen oder sonst der gleichen .. in dem moment ist mir so ein stein vom herzen gefallen, ich hätte nämlich keine Ahnung wo ich heute wäre wenn der mann gestorben wäre.. ein Gutachter hat festgestellt das ich zu 100% keine schuld trage.. trotzdem war das in dem moment ein ziemlich unbeschreibliches Gefühl.. ich stand so unter schock, ich konnte tage lang nicht schlafen, hatte immer den Aufprall vor augen, habe nicht realisiert was passiert ist.. ich habe mich gefühlt als wäre ich auf einen andern Planeten.. zumindest war ich nicht auf der Erde anwesend.. Heute bin ich froh das es diesem mann gut geht, das er nach einer Woche wieder nachhause durfte.. aber das zu realisieren ist immer noch nicht einfach..