Darf die Kindergeldkasse Geld einbehalten bei einem offenen Widerspruchsverfahren?
Meine Mutter hat während meine Studienzeit Kindergeld für mich bekommen. Jetzt ca. ein halbes Jahr nach Abschluss heißt es, wir hätten nie Nachweise über meine Studienzeit vorgebracht. Doch das stimmt nicht. Nun will die Kindergeldstelle das komplette Kindergeld von etwa 3 Jahren zurück. Wir sind natürlich sofort in den Widerspruch gegangen und haben auch Nachweise beigelegt. Der Widerspruch wurde (nach zwei Monaten) immer noch nicht bearbeitet. Jetzt aber hat die Kindergeldkasse das Kindergeld meiner jüngeren (gerade in Ausbildung befinden) Schweser um die Hälfte! gekürzt, mit der Begründung, dass es noch offene Forderungen gäbe! Das diese Forderung aber überhaupt berechtigt ist, steht ja noch gar nicht fest!
Ist das überhaupt rechtens und können wir irgendwas dagegen tun?
2 Antworten
Ja, dagegen könnt ihr ganz sicher was tun. So lange der Rückforderungsbescheid nicht rechtskräftig ist, darf er auch nicht vollzogen werden. Ich würde dazu raten, zum Verwaltungsgericht zu gehen und einen Antrag auf einstweilige Verfügung gegen die Kindergeldkasse stellen, daß die sofortige Vollziehung der Rückforderung aufgehoben wird.
Ja, genau ;-) Das war jetzt eine Korrektur von jemandem, der sich im Einkommessteuerrecht deutlich besser auskennt als ich ;-)
Der Einspruch hindert die Vollziehung des angefochtenen Bescheides nicht (§ 361 Abs. 1 Abgabenordnung). Sofern der Einspruch hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil zB Unterlagen nachgereicht wurden, kann man nach § 361 Abs. 2 Abgabenordnung einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheides stellen. Der Antrag ist jederzeit währen des laufenden Rechtsbehelfsverfahrens möglich. Zu beachten ist, dass bei einer Aussetzung der Vollziehung Aussetzungszinsen anfallen, wenn der Einspruch am Ende keinen Erfolg hat.
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Ob die Familienkasse das Geld gleich (teilweise) einbehalten darf, ist eine andere Frage: Nach § 65 EStG darf die Familienkasse Rückforderungen mit laufendem Kindergeld bis zu dessen Hälfte aufrechnen, wenn der Kindergeldberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig wird. Dies ist der Fall, wenn der Kindergeldberechtigte ALG II bezieht oder aufgrund der Aufrechnung ALG II beziehen müsste/könnte. Entsprechende Hilfebedürftigkeit ist der Familienkasse nachzuweisen.
Das ist Unsinn: Ein Bescheid ist auch rechtsgültig, wenn ein Einspruch eingelegt wird (zumindest, solange das ganze auf Basis des Einkommensteuerrechtes gezahlt wird, was in 95 Prozent der Fälle so ist), mit entsprechender Folgewirkung der Rückforderung. Wenn ein Einspruch erfolgt, hat das m.W. KEINE aufschiebende Wirkung für die Abwicklung der Zahlungsrückforderung. Anders wäre es ggf. im Sozialrecht. Da heißt es dann formal korrekt auch "Widerspruch" (statt "Einspruch"). Solche Fälle gibt es zwar auch im Kindergeld, aber sehr selten. Es gäbe auch im Einkommensteuerrecht die Möglichkeit parallel zum Einspruch einen Antrag auf Aussetzung des Vollzuges der Rückforderung zu stellen (mit entsprechender Begründung und der Perspektive, dass der Bescheid offensichtlich noch korrigiert wird). Das müsste aber sofort passieren bzw. hätte in deinem Falle schon passieren müssen.