Arbeitszeugniss-versteckte negative Beurteilung?

7 Antworten

Das Zeugnis ist ein bisschen widersprüchlich und ruft bei mir eine gewisse "Berg- und Talfahrt" hervor.

"Wir haben Herrn ... als besten qualifizierten MA kennen gelernt, der sich äußerst engagiert." --> Dass man sich engagiert sollte selbstverständlich sein. Selbstverständlichkeiten erwähnen ist in der Regel nicht gut, weil das so viel bedeutet wie "wir müssen irgendwas positives schreiben, also schreiben wir er hat sich engagiert".

"Er zeige hohes persönliches Engagement und hervorragende Leistungsbereitschaft." --> "Hervorragende Leistungsbereitschaft", aber keine "hervorragende Leistung"? Er hat immer versucht, etwas Gutes zustande zu bringen, aber oft ist er gescheitert?

"Herr ... handelte sehr selbständig und entscheidungsfreudig [..]" --> Eine gute Bewertung wäre "selbständig und verantwortungsbewusst". "Entscheidungsfreudig" kann man so interpretieren, dass er "seinen eigenen Kopf gehabt hat", eher "sein Ding" durchziehen wollte, anstatt das Unternehmen weiterzubringen.

"[..] und verfolgte beharrlich die gesetzten und selbstgesetzten Ziele." --> Das klingt meines Erachtens überhaupt nicht gut. "Beharrlich" ist meiner Ansicht nach kein positiv besetzter Begriff und "selbstgesetzte Ziele" zu verfolgen kann man so auslegen, dass Privates Vorrang vor Beuflichem hatte, z. B. öfter mal früher Feierabend gemacht, auch wenn viel zu tun war, etc.

"Auch unter Belastung, sei es durch Termindruck oder bei außergewöhnlich hohem Arbeitsanfall, erledigte er seine Aufgaben zügig und effizient, konzentriert, gewissenhaft und sorgfältig." --> Das klingt schonmal gar nicht so schlecht. Schlecht wäre "erledigte er seine Aufgaben meist effizient [..]" bzw. "erledigte er seine Aufgaben in der Regel effizient [..]" weil "meist" und "in der Regel" eben "nicht immer" impliziert. Allerdings würde ich das nur als eine "befriedigende" Bewertung interpretieren, ansonsten hieße es "stets effizient [..]" oder gar "stets mit äußerster Effizienz [..]".

"Im Umfang mit unseren Geschäftspartnern war Herr ... sehr kontaktfreudig, kommunikativ, offen und stets professionell in seinem Auftreten." --> Letzteres ("stets professionell [..]") klingt für mich sehr positiv (vor allem durch die Vestärkung durch den Begriff "stets"), aber "sehr kontaktfreudig, kommunikativ, offen" gegenüber "Geschäftspartnern" (die gehören ja nicht zum Unternehmen, sind also "Externe") könnte implizieren, er hätte Geschäftsgeheimnisse verraten.

"Herr ... erwarb sich aufgrund seines freundlichen und kooperativen Auftretens un seiner fachlichen Qualifikation schnell die Achtung und Anerkennung unserer Geschäftspartner und Kollegen." --> "Geschäftspartner und Kollegen" ist eindeutig die falsche Reihenfolge (Kollegen gehören zum Unternehmen und sollten vor den Geschäftspartnern genannt werden). Außerdem fehlen die Vorgesetzten in der Aufzählung, die sollten normal an erster Stelle kommen. Könnte implizieren, dass er Weisungen seiner Vorgesetzten missachtet hat und eher zum Wohle der Kunden und Zulieferer gearbeitet hat, als zum Wohle des Unternehmens.

"Sein Verhalten im Dienst war jederzeit vorbildlich." --> Das ist eigentlich eine positive Aussage, vor allem durch die Betonung "jederzeit". Allerdings heißt es "sein Verhalten im Dienst", nicht "sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Mitarbeitern", das könnte implizieren, dass er ein bisschen zu viel "Routine geschoben" hat, denn "Dienst" impliziert ein bisschen die "Routine", vergleiche "Dienst nach Vorschrift machen", das ist auch keine positive Aussage.

Die Schlussformel hingegen würde ich wieder positiv auslegen, da Dankes- und Bedauernsformel vorhanden und für die berufliche und private Zukunft alles gute gewünscht wird. Viel mehr kann man nicht verlangen.

Vielleicht bin ich ein bisschen zu kritisch, ich habe allerdings schon wesentlich "positiver formulierte" Zeugnisse gelesen.

nrw2012 
Beitragsersteller
 16.12.2012, 23:47

Super Danke Dir für die ausführliche kritische Bemerkung bzw. Bewertung. Wenn ich ehrlich hab ich an einigen Stellen auch interpretiert. Des wegen hab ich hier auch um Rat gebeten.

Ich finde ein sehr gutes Zeugnis. Allerdings der Satz ,,.. wir bedauern die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit ihm." könnte den Schluss zulassen, dass Du nicht freiwillig gegeangen bist. Eine unverdächtige Formulierung könnte etwa so lauten : ,,Herr... verläßt uns auf eigenen Wunsch, was wir sehr bedauern." Vor diesem Hintergrund könnte das ganze Zeugnis widerrum geschönt wirken, wie, wenn jemand weggelobt wurde.

PeterSchu  14.12.2012, 08:54

Das sehe ich anders. Der Ausdruck des Bedauerns gehört unbedingt in die Abschlussformel eines guten Zeugnisses. Und wenn der Betrieb das Ausscheiden bedauert, dann deutet das eben nicht auf eine Kündigung durch den Betrieb, allenfalls betriebsbedingt. Denn wieso sollte der Betrieb kündigen und es dann bedauern?

NoHumanBeing  14.12.2012, 16:29
@PeterSchu

Mir wurde vor Kurzem ein Zeugnis ausgestellt, das ebenfalls keine Bedauernsformel enthielt, aber ansonten äußerst positiv formuliert war (nur Superlative). Die fehlende Bedauernsformel lässt sich wohl damit erklären, dass die Einstellung projektbezogen erfolgte und daher die Stelle von vornherein befristet war. Ich bin daher nicht der Ansicht, dass ein gutes Zeugnis zwingend einer Bedauernsformel bedarf.

nrw2012 
Beitragsersteller
 13.12.2012, 21:56

Danke, hab ich auch markiert ;) naja eigentlich bin ich freiwillig bzw. auf eigenem Wunsch gegangen.

lifefree  13.12.2012, 22:00
@nrw2012

Tipp: Wenn Dich die Formulierung nicht stört, laß es. Wenn Du aber selber gekündigt hast, könntest Du eine neue Formulierung fordern. Denn das Zeugnis hast Du schließlich für Deine ganze Berufszeit..

Das Zeugnis ist absolut kein "gut", sondern eher ein schlechtes Zeugnis mit vielen versteckten, teils aber auch sehr offenen negativen Beurteilungen.

Da Deine Frage aber schon ein paar Tage alt ist und bevor ich nun ausführlich antworte, vorab meine Frage: Benötigst Du noch eine weitere Antwort?

hallo, da steht, daß deine leistung und deine fähigkeiten sehr gut sind und das unternehmen sehr zufrieden mit dir war. einziger kritikpunkt ist, daß du dich wohl manchmal nicht an die anweisungen von vorgesetzten gehalten hast (selbstgesetzte ziele ,sehr selbstständig). ich würde sagen, das ist trotzdem sehr gut. gruss

nrw2012 
Beitragsersteller
 13.12.2012, 21:50

Danke Dir. Dann sieht es ja fast so aus das man das Arbeitszeugnis mit ner note "gut"beurteilen kann. Dann brauch ich den Arbeitgeber nicht um Nachbesserung bitten.

andidona  13.12.2012, 22:08
@nrw2012

ich würde sagen, trotzdem noch "sehr gut".

Der kurze Hintergurnd ist folgender.

Wir haben nach knapp 8,5 Jahren nen neuen Chef bekommen, mit dem ich nicht besonders gut ausgekommen bin. ;) Die haben mir den Vorschlag gemacht ich habs angenommen, weil ich es auch wollte und wir haben uns dann auf ein Zeugnis mit der Note "Gut" geeignet.

Wie würdet Ihr das Zeugnis nach Schulnoten bewerten?

Obwohl mich die Antworten sehr interessieren, muss ich leider raus. Werd mir die Antworten morgen durchlesen, danke im voraus an alle.

An alle einen schönen Abend noch....

Gruß

lifefree  13.12.2012, 22:36

Hallo, jetzt rückst Du mit der Wahrheit raus.Wenn das so ist, wie Du schreibst, dann verlange eine andere Formulierung bei der Kündigung.Einem erfahrenen Personalchef wird das immer auffallen und dann nachfragen.