Arbeitszeugnis verschlüsseln, welche Note steht da?

Wie man aus diesem Zeugnis eine sehr gute Bewertung herauslesen kann, ist mir wirklich schleierhaft. Dieses Zeugnis ist meilenweit davon entfernt.

Jedem, der sich auch nur ansatzweise mit Arbeitszeugnissen auskennt, wird bereits im ersten Satz deutlich, dass es sich hierbei vermutlich um eine außerordentliche Kündigung - im Volksmund auch fristlose Kündigung genannt - handelt. Das erkennt jeder Personaler sofort anhand des sogenannten "krummen" Austrittsdatums zum 11.03.

Da eine außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses nur aus wichtigem Grund erfolgen darf, egal ob innerhalb der Probezeit oder nicht, ist davon auszugehen, dass hier schon Einiges vorgefallen sein muss, damit eine solche Kündigung wirksam ist. In der Regel auch mit vorheriger Abmahnung. Dies ist also, ohne den Rest des Zeugnisses überhaupt zu lesen, bereits ein deutliches Warnsignal.

Daran kann man auch bereits erkennen, dass Zeugnisse immer nur im gesamten Kontext richtig beurteilt werden können, ein einzelner Satz, der für sich genommen eine 1 bedeuten würde, ist eben nur ein sehr gut, wenn auch der Rest dazu passt.

Und das ist hier keineswegs der Fall. Der Zeugnisgeber hat (bewusst) widersprüchliche Aussagen getroffen, das macht die Einklagbarkeit des Zeugnisses schwieriger, da er in der Beweislast stünde, wenn er explizit unterdurchschnittliche Beurteilungen schreiben würde. Zum anderen ist der unerfahrene Leser/ AN geneigt, selbst ein mieses Zeugnis wie dieses als gut einzustufen...und kommt somit i.d.R. erst gar nicht auf die Idee, das Zeugnis zu reklamieren, da bestimmte Schlagworte wie "vollste Zufriedenheit" oder "weiterhin viel Erfolg" schließlich enthalten sind.

Deshalb nutzen Arbeitgeber, die einen Ex-AN nur durchschnittlich bis unterdurchschnittlich beurteilen wollen, das probate Mittel der Widersprüchlichkeit gerne und häufig.

Nehmen wir nur einmal die Aussage über deine Fachkenntnisse:

"Aufgrund seines soliden Fachwissens erzielte er überdurchschnittliche Erfolge". Solides Fachwissen ist in der Zeugnissprache ein befriedigend, eine durchschnittliche Beurteilung also, mit der man tatsächlich keine überdurchschnittlichen Erfolge erzielen kann. Dieser Satz wäre also nur dann eine gute Beurteilung, wenn auch die Beurteilung deiner Fachkenntnisse als Note ein gut hergeben würde. Auch das fällt jedem, der sich etwas mit Arbeitszeugnissen auskennt, sofort aus.

Usw.

Kommen wir noch einmal auf die außerordentliche Kündigung zurück und schauen uns den Satz: "Vertrauliche Angelegenheiten behandelte er stets mit völliger Diskretion." an. Wenn man in Zeugnissen etwas hervorhebt, entweder indem man es explizit als "hervorzuheben ist.." oder "besondere Erwähnung verdient.." einleitet, und/ oder solche Aussagen an den Anfang der Leistungsbeurteilung stellt, so ist das nur dann positiv, wenn nun eine wirklich herausragende Aussage erfolgt. Werden nun aber Selbstverständlichkeiten - wie hier bei dir - erwähnt, so ist dies als ironisch zu bewerten und der AN möchte nun darauf hinweisen, dass eben das genaue Gegenteil der Fall ist, du also nicht diskret warst. Im Zusammenhang mit der außerordentlichen Kündigung kann dies also der Hinweis auf den wahren Kündigungsgrund (erhebliche Vertrauenserschütterung) sein. Da hier auch tatsächlich später keine (positive) Aussage zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses wie ".....auf eigenen Wunsch" folgt, wirkt das ebenfalls schlüssig. [Solltest du als AN außerordentlich gekündigt haben, so will dir dieser AG nichts Gutes.]

Mit diesem Zeugnis wirst du es ergo bei zukünftigen Arbeitgebern, die eben auch Wert auf Arbeitszeugnisse legen, sehr schwer haben, da nützen auch positiv klingende Teilaussagen im Zeugnis rein gar Nichts.

Das ist ein sehr gutes Zeugnis:

"... stets zur vollsten Zufriednheit.. " = 1

Eine 1. Allerdings frag ich mich, was dieser Passus über Vertrauliches und Diskretion soll, das ja bei Montagearbeiten nicht so relevant sein dürfte.