Ab wann ist als Notfallsanitäter die Anlage eines i.v.-Zugangs indiziert?
Hey
Die Frage steht oben. Vorallem: Wo ist das definiert? In welchem Gesetz? Darf ich beispielsweise als NotSan einem nicht vital bedrohtem, aber exsikkiertem Patienten einen Zugang legen?
5 Antworten
Hi,
um's vorneweg zu nehmen: ganz so einfach ist es nicht.
Maßgeblich dafür, ob eine invasive Maßnahme angewendet werden darf, ist eine entsprechende medizinische Indikation.
All das ändert erst einmal nichts daran, dass eine invasive Maßnahme unter Arztvorbehalt steht.
Der Haken (oder der Lichtblick dabei): § 4 Abs. 2 Nr. 1 c) NotSanG schreibt das Beherrschen und die Fähigkeit zur eigenständigen Anwendung ausgewählter invasiver Maßnahmen als Ausbildungsziel vor.
Wo ist das definiert? In welchem Gesetz?
Es gibt kein Gesetz, dass in irgendeiner Form aussagt: "Als NFS darfst Du X und Y, und Z nur wenn's kritisch ist".
Maßgeblich sind die Standardarbeitsanweisungen (Standard Operation Procedures, SOPs), die vom Ärztlichen Leiter Rettungsdienst (ÄLRD) des Rettungsdienstbereichs herausgegeben werden.
Diese stellen eine ärztliche Vorabdelegation für bestimmte Situationen dar und können selbstverständlich auch für nicht-lebensbedrohliche Situationen gelten.
Als Überblick, was man so alles machen darf, dient der Pyramidenprozess des DBRD, der vielerorts auch Ausbildungsgrundlage ist.
Darf ich beispielsweise als NotSan einem nicht vital bedrohtem, aber exsikkiertem Patienten einen Zugang legen?
Sofern die o.g. Voraussetzungen erfüllt sind - ja.
Mal aus der Praxis...
Nicht selten wird die exsikkierte Oma mit Zugang und Vollelektrolytlösung im Krankenhaus abgeliefert.
Es kommt eben auf den Zustand an - wenn bereits gesundheitliche Probleme durch die Exsikkose eingetreten sind (oder offensichtlich unmittelbar bevorstehen), hast Du im Regelfall eine Argumentationsgrundlage für die Anlages eines venösen Zugangs.
Der Sinn des medizinischen Handelns ist es ja, gerade auch der Verschlechterung vorzubeugen (siehe auch den Gesetzestext) - nicht erst das Eintreten einer vitalen Bedrohung abzuwarten.
LG
Danke für den Stern!
👍🏼
Wobei man unterscheiden muss. Exsikkose im RD ist ja grundsätzlich nur der stabile Patient, den du halt mit "reduziertem AZ" in die Klinik fährst. Wenn Symptome dazu kommen, muss ich ja meine Arbeitsdiagnose ändern. Klar, möglicherweise bzw wahrscheinlich steht diese im Zusammenhang mit der Exsikkose. Trotzdem stellt sich die Frage dann nicht mehr. Weil dann habe ich einen Patienten, der eine andere Arbeitsdiagnose hat.
Zu dem Grundlagen hat Sani ja schon alles geschrieben.
Darf ich beispielsweise als NotSan einem nicht vital bedrohtem, aber exsikkiertem Patienten einen Zugang legen?
Kommt drauf an.
- Nein. Im Regelfall wird dein Patient auch ohne Zugang die Klinik im gleichen Zustand erreichen. Er ist also vorher nicht vital bedroht, nachher auch nicht und sein Zustand ist nicht schlechter. Also greift der Arztvorbehalt.
- Ja. Du beugst einer Verschlechterung des Zustandes vor, demnach ist es OK.
Ich würde es ganz einfach mit Gespräch und Aufklärung versuchen. Wenn der Patient mit dem Zugang einverstanden ist, wird er dich auch nicht verklagen.
Edit:
Im Regelfall wird dein Patient auch ohne Zugang die Klinik im gleichen Zustand erreichen
Und wenn nicht, dann habe ich eine andere Arbeitsdiagnose.
Chef fragen? Oder einen fitten Kollegen?
Jede invasive medizinische Maßnahme ist ersteinmal eine Körperverletzung. Damit diese nicht strafbar ist, muss der ansprechbare und entscheidungsfähige Patient seine Einwilligung in die Maßnahme erteilen, damit diese Einwilligung auch rechtswirksam ist, muss der Patient vorab über die Indikation, mögliche alternative Maßnahmen (sofern welche existieren) und über die möglichen Komplikationen der Maßnahme aufgeklärt werden. Für die Aufklärung gilt jedoch, dass diese umso kürzer sein darf, umso dringlicher die Maßnahme erforderlich ist oder andersrum, umso kritischer der Zustand des Patienten ist. In jedem Fall muss die Maßnahme jedoch angekündigt werden und der Patient seine Einwilligung geben.
Die zweite rechtliche Sache ist, dass grundsätzlich JEDE invasive medizinische Maßnahme nach dem Heilpraktikergesetz von 1939 dem Arztvorbehalt unterliegt, ein Nichtarzt darf diese Maßnahmen also nur auf ärztliche Anordnung. Es ist jedoch so, dass Hilfeleistungspflicht besteht und zur Erfüllung dieser, muss man alle beherrschten Maßnahmen, sofern erforderlich also auch notwendige invasive medizinische Maßnahmen ergreifen. Damit man sich jedoch nicht wegen des Verstoßes gegen den Arztvorbehalt strafbar macht, müssen bei eigenständigem Handeln die Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstandes (Paragraph 34 Strafgesetzbuch) vorliegen. Beim Notfallsanitäter ist es so, das die EIGENSTÄNDIGE Durchführung während der Ausbildung erlernter und beherrschter, auch invasiver medizinischer Maßnahmen bis zum Eintreffen des Notarztes oder dem Beginn einer weiteren ärztlichen Versorgung nach Paragraph 4 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe c Notfallsanitätergesetz als Ausbildungsziel gilt, jedoch nur, wenn ein lebensbedrohlicher Zustand vorliegt oder wesentliche Folgeschäden zu erwarten sind. Weiterhin kann der ärztliche Leiter Rettungsdienst nach dem Notfallsanitätergesetz für bestimmte notfallmedizinische Zustandsbilder- und Situationen STANDARDMÄẞIG Maßnahmen vorgeben, diese können auch für nicht lebensbedrohliche Zustände gelten, zum Beispiel eben auch die Zugangsanlage und Gabe einer ballancierten Infusionslösung bei einer Exicose, die Gabe eines Mittels gegen Übelkeit oder die Schmerztherapie bei Knochenbrüchen.
Zusammenfassung:
Liegt ein lebensbedrohlicher Zustand vor oder drohen bei Nichtergreifung der Maßnahme schwere gesundheitliche Folgeschäden, ist die Gefahr nicht anders abwendbar (nichtinvasive oder weniger invasive Maßnahmen würden nicht zu deren Abwendung führen) und ist die Maßnahme ein geeignetes Mittel zur Abwendung der Gefahr, liegen die Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstandes vor und man darf, was man beherrscht, man muss es sogar um seine Hilfeleistungspflicht zu erfüllen. Übrigens gilt der rechtfertigende Notstand für das gesamte Rettungsfachpersonal, denn es ist ein allgemeiner Rechtfertigungsparagraph im StGB, daher sind weder Qualifikationen vorgegeben, noch bestimmte Maßnahmen, entscheidend ist, dass die Voraussetzungen vorliegen und das die Person, welche die Maßnahme durchführt diese KANN. Der Notfallsanitäter kann darüber Hinaus auch bei nicht lebensbedrohlichen Zuständen mit invasiven Maßnahmen tätig werden, SOFERN es für das entsprechende Zustandsbild eine Standarbeitsanweisung des zuständigen ärztlichen Leiters Rettungsdienst gibt. Nochmal zu deinem Exicose Beispiel, liegt dadurch keine unmittelbare Gesundheitsgefährdung vor und existiert KEINE Arbeitsanweisung des ärztlichen Leiters, das der NotSan dies beim Zustand Exicose darf, dann darf es juristisch gesehen auch er nicht.
Ergänzung: nach dem Notfallsanitätergesetz Paragraph 4 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe c soll der Notfallsanitäter bis zum Beginn einer ärztlichen Versorgung auch der Verschlechterung des Patientenzustandes vorbeugen. Droht der Patient also jederzeit von "stabil" in "kristisch" "abzurutschen", dann hat der NotSan in der Regel eine Grundlage für invasive Maßnahmen.
Das kannst du in den SAA nachlesen. Zudem gibt es noch Einschränkungen durch den ärzltichen Leiter RD. Dieser kann für die NFS' bestimmte Vorgaben haben. Z.b bei der und der Maßnahme NA dazuholen oder um diese Maßnahme zu machen muss ein NA anwesend sein.
Vielen Dank!