Verkehrsunfall - wenn der Gegner abstreitet?
Hallo zusammen,vor 9 Wochen ist meiner Freundin (hochschwanger) ein Verkehrsteilnehmer rein gefahren. Der Gegner stand an einer Kreuzung auf der Linksabbiegespur an der Roten Ampel. Wir fuhren auf der geraden Spur. Plötzlich zieht der andere ohne zu blinken, ohne zu schauen über die durchgezogenen Linien und will nun doch auf die Geradeaus-Spur. Wir konnten nicht ausweichen und es kam zum Crash. Ich rief die Polizei, die den Schaden aufnahm und den Gegner verwarnte wegen dem Spurwechsel. Es wurden auch Zeugen aufgenommen, die das alle bestätigend. Allerdings nicht von mir, sondern von der Polizei. Die Zeugen standen im späteren Polizeibericht nicht drin, sondern nur die Aussage, das der Andere Schuld ist. (ich hoffe die Namen sind noch gespeichert). Einen weiteren Zeugen habe ich aber sicher mit Anschrift und Name.Obwohl aus meiner Sicht klaren Fall, habe ich sofort einen Anwalt genommen. Nachdem die gegnerische Versicherung nach 8 Wochen nicht zahlte, ging ich der Sache auf den Grund. Der Gegner hat anscheinenden behauptet, er wäre bereits schon rüber gezogen und wir seien ihm mit überhörter Geschwindigkeit rein gefahren. So dreist!!! Deswegen zieht sich der Fall.Ich will nun Klagen . Da ich aber nicht rechtschutzversichert bin, kann das teuer werden. Wir Safe bin ich bei dem Fall und was kann der Gegner im worst case bewirken?
10 Antworten
Also ohne umfassende Einsicht in die Verkehrsunfallakte, Durchsicht der Vernehmungsprotokolle der Zeugen und der Kfz-Gutachten wird man hier kaum zu einer belastbaren Einschätzung kommen.
Auf die Bewertung und Meinung der Polizisten allein solltest Du Dich jedenfalls nicht verlassen. Gleichwohl spricht es erst mal für Dich, wenn ihre Darstellung und Bewertung zu Deinen Gunsten ausfällt.
Doof ist tatsächlich, dass du keine Rechtsschutzversicherung hast. Je nach Höhe des Schadens kann das schon ins Geld gehen.
Meine Einschätzung: Die Betriebsgefahr von ca. 20 % wird an Dir hängen bleiben, so dass Du bestenfalls in Höhe von 80 % gewinnen kannst, es ist aber durchaus denkbar, dass das Gericht bei einer Güteverhandlung versucht, den Streit mit 50 - 50 beizulegen. In diesem Fall trägst Du aber dann Deine gesamten Anwaltskosten selbst und eben die Hälfte der gerichtlichen Kosten. Von Deiner eingeklagten Forderung würdest Du dann eben auch nur die Hälfte bekommen, was beispielsweise dazu führt, dass Du z.B. die Hälfte der Kosten Deines Sachverständigen trägst (wenn nicht irgendein anderer dafür aufkommt).
Mit ziemlicher Sicherheit wird man unter keinen Umständen behaupten können, dass Du zu 99,9 % gewinnen wirst. Leider.
Viel Erfolg
P.S: Ich persönlich halte wirklicht nicht viel von Versicherungen, aber eine Rechtsschutzversicherung für Verkehr-, Miet- und Arbeitsrecht ist für einen Otto-Normalverbraucher meines Erachtens unabdingbar, da man solche Prozesse kaum noch selber durchfinanzieren kann.
Schau mal, ich schätze die Sachlage vorsichtig ein, weil Du "Selbstzahler" bist.
Natürlich kann ich hergehen und behaupten, dass Du alles bekommst, weil der andere ist schuld usw., aber was bringt Dir das? Ich bin kein Richter, keiner hier und selbst Dein Anwalt muss - wenn er seriös ist - zugeben, dass eine 99,9 % Quote in deinem Fall nicht geben kann.
Ich möchte Dir meine Zweifel an folgenden Beispielen verdeutlichen:
Kammergericht Berlin (Urteil vom 02.10.2003 - 12 U 53/02)
Ereignet sich die Kollision zweier Fahrzeuge in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem Fahrstreifenwechsel des vorausfahrenden Verkehrsteilnehmers, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass dieser den Unfall unter Verstoß gegen die vorgenannten Pflichten verursacht und verschuldet hat
Einfach gesagt soll das heißen, dass der Fahrspurwechsler wegen des sog. Anscheinsbeweises, der zu Deinen Gunsten streitet, alleine haften sollte.
Problem: Diesen Anscheinsbeweis kann der Fahrspurwechsler theoretisch erschüttern. Ob er das schafft oder nicht, kann dir hier keiner beantworten. Er muss also konkrete Umstände darlegen und beweisen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines hiervon abweichenden, atypischen Unfallgeschehens ergibt. Kann er das? ich weiß es nicht, keiner hier wird es wissen.
Es bleibt also ein Risikofaktor, der für einen Selbstzahler in der Regel von Interesse sein dürfte.
Kammergericht Berlin (Urteil vom 30.05.2005 -12 U 82/04)
"Bei Fahrstreifenwechsel nach § 7 Abs. 5 StVO spricht bei einem Verkehrsunfall der Anscheinsbeweis für ein Verschulden des vorausfahrenden Fahrstreifenwechslers, der grundsätzlich keinen Schadensersatz erhält (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., StVG § 17 RN 16)."
Noch ein Beispiel, weswegen ein Restrisiko einfach miteinkalkuliert werden muss. Wenn Juristen das Wort "grundsätzlich" (oder auch "in der Regel") einbauen, dann kennen sie die Ausnahmen, die zu einem anderen Ergebnis führen. Für einen Selbstzahler sind insbesondere diese "Ausnahmen" von Interesse und nicht das, was eigentlich passieren müsste.
Welche es in Deinem Fall geben kann und wie diese am Ende bewertet werden, kann Dir einfach keiner sagen. Schlussendlich wird Dir keiner die Entscheidung abnehmen können.
Ich hab keine Ahnung um wie viel es geht, kann das Kostenrisiko nicht abschätzen. Ich persönlich würde es mit Sicherheit darauf ankommen lassen, aber ich habe auch eine entsprechende Streitkasse, wenn irgendetwas schief läuft.
Wenn Du ohne eine entsprechende Rücklage in so einen Prozess gehst, kann das einfach doof ausgehen, selbst wenn Du eben zu einem großen Teil gewinnst. Da bleibst Du eben auf einem Teil der Kosten sitzen.
Im Übrigen - nicht vergessen -: Dein Anwalt kann im Laufe des Rechtsstreits, und das wird er sicherlich machen, von Dir erst einmal alle bei ihm entstehenden Gebühren verlangen. Solltest Du die Kosten später ersetzt bekommen, bekommst Du die Gelder selbstverständlich wieder. Erwarte aber nicht, dass er bis zum Ende überhaupt nichts abrechnet. Wenn er was macht, darf er abrechnen, auch wenn das Verfahren noch nicht zu Ende ist.
Viel Glück
Danke :)
Kein Ding, viel Glück & viel Erfolg.
Ein Anwalt wird dir nehr dagen können, wenn er die Einsicht in die Unterlagen hat.
Besorge dir eine Kopie des Polizeiberichtes und alle sonstigen Unterlagen, die den Unfall betreffen. Optional die eine von dir erwähnte schriftliche Zeugenaussage.
Gehe damit zum Anwalt. Der kann dir gleich sagen wie die Chancen stehen.
Und inwieweit hat Eure / Deine bzw. die gegnerische Versicherung zusätzlich zum Polizeibericht die Zeugenaussagen angefordert?
Hast Du einmal bei der Polizei angefragt, ob solche Zeugenberichte bei der Akte liegen?
Wenn die Polizei bestätigt das ihr keine Schuld am Unfall habt, kannst du ruhig klagen! Dann zahlt der Unfallverursacher deine Anwaltskosten! Rede am Besten mal mit deinem Anwalt, der kann dir das genau erklären!
Wenn die Polizei bestätigt das ihr keine Schuld am Unfall habt
...interessiert das genau niemanden. Es ist nicht Sache der Polizei, Recht zu sprechen, sondern den Unfall aufzunehmen. Die Schuldfrage muss ggfs. gerichtlich geklärt werden.
kannst du ruhig klagen!
Und du zahlst den Anwalt, ja?
Dann zahlt der Unfallverursacher deine Anwaltskosten!
Wenn man vor Gericht vollumfänglich Recht erhält, vielleicht. Sollte es aber auch nur zu einer Teilschuld kommen, dann halt auch nicht.
Rede am Besten mal mit deinem Anwalt, der kann dir das
genau erklären!
Was an "Da ich aber nicht rechtschutzversichert bin" war jetzt unverständlich?
Er hat sich doch schon einen Anwalt genommen!
Die Polizei stellt niemals fest, wer der Schuldige an einem Verkehrsunfall ist. Die nimmt nur die Beweise auf.
Habt ihr den Schaden schon bei eurer Versicherung gemeldet? dann kuemmert die sich um die Angelegenheit.
Servus,
vielen Dank für das Feedback. Soltte aber nicht schon die Tatsache ausreichen, dass er auf meine Spur gezogen ist (und das noch über die durchgezogenen Linie) ausreichen? Das können Zeugen bezeugen. Wie könnte da ein Gericht auf Mitschuld plädieren?